Schöne Festtage. Elisa Scheer

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Название Schöne Festtage
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737548007



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mal hoch!“

      Ich las die Aufschrift – ein Kosmetikkonzern.

      „Wenn wir Pech haben, ist eine Flasche Schaumbad drin. Neujahrsgeschenk für alle Mitarbeiter, hatte ich ganz vergessen. Wenn wir Glück haben, kann man den Inhalt trinken!“

      Ich riss ihm die Tüte aus der Hand. Die Flasche war verpackt, viel versprechend verpackt. Ich schwenkte sie.

      „Guck bloß? Wir können uns um Mitternacht besaufen – Sekt, und sogar ein ordentlicher!“

      Er strahlte. Und außerdem? Eine Schachtel, in Firmenpapier eingeschlagen. Ich zerrte es herunter. „Pralinen, nicht ganz so ordentliche, aber sicher essbar. Mal was anderes! Du hast nicht zufällig italienische Salami oder so was in deinem Wagen vergessen?“

      „Das hätten wir gestern schon gerochen. Leider räume ich mein Auto pausenlos auf, ich bereue es jetzt bitter. Die Einkäufe vom Mittwoch hätte ich jetzt wirklich gerne, vor allem die Fischkonserven.“

      „Hmm, ja – Matjes in Mayonnaise oder so, das würde das ewige Knäckebrot wirklich aufwerten. Da kann man nichts machen. Siehst du im Kofferraum noch was?“

      „Nein, nur den Reservereifen und die Ketten.“

      „Schade.“

      Wir breiteten unsere Beute auf dem großen Tisch aus und beschlossen, um neun zu Abend zu essen – Äpfel, Pralinen, Gummibärchen und eine Tüte Chips - und kurz vor zwölf den Sekt aufzumachen. Aber zuerst mussten wir wieder einmal einheizen. Ich stellte zur Feier des Tages mehr Teelichte auf, die konnten die Wärme auch noch steigern.

      „He – und ich hab ja ein paar Raketen dabei!“

      „Also eigentlich haben wir jetzt alles, was wir brauchen, abgesehen vom Schaumbad und vom Schnitzel.“

      „Dusche und Hendl“, widersprach er schon wieder.

      „Pass auf“, schlug er dann vor, „wenn die uns am Dienstag hier herausholen – an morgen glaube ich nicht so recht -, dann kehren wir unterwegs ein und schlagen uns den Bauch mit frittiertem Mist so richtig voll.“

      „Au ja!“

      Der Gedanke munterte mich gewaltig auf. Ich machte es mir mit einem neuen Kaffee und der Zeitung gemütlich, nachdem ich Tarek großzügig den Sportteil überlassen hatte – so was las ich ohnehin nicht. Als ich alles durchhatte, inklusive der mazedonischen Innenpolitik und der Briefe an den Bayernteil, aber ohne die Anzeigen, war es schon fast Zeit fürs Abendessen. Gemeinsam deckten wir den Tisch so schön wie möglich – mit dieser Souvenirsammlung war nicht viel möglich und den Sekt würden wir stilecht aus alten Senfkrügen trinken müssen - machten uns ein bisschen frisch und aßen dann feierlich zuerst Äpfel, Chips und Gummibärchen. Um die weißen stritten wir uns, die gelben hoben wir für eine ganz arge Hungersnot auf. Danach lösten wir unter viel Gezänk das Kreuzworträtsel in der Zeitung und spielten schließlich Karten und futterten dabei die Pralinen. Heute stellte er sich schon intelligenter an, ich konnte ihn nur mit Mühe abhängen – und dann scheiterte ich mehrmals an zwei Runs und einem Set, so dass er an mir vorbei zog und ich schon wieder überlegen musste, wie ich ihn beleidigen konnte. Ach nein, ich sollte es mir verkneifen, sonst nahm er den Sekt in sein Schlafzimmer mit und ich schaute in die Röhre. Und für die Raketen brauchte ich ihn auch. Also stichelte ich nur ganz vorsichtig und nahm die Retourkutschen gelassen hin.

      Tatsächlich gewann er und triumphierte schamlos.

      „Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn...“, murmelte ich und zählte die Punkte zusammen.

      „Nur kein Neid, man muss auch mal einen überlegenen Geist anerkennen.“

      „Ha! Hast du überlegen gesagt?“

      „Sicher!“

      „Auto-Aufräumer!“

      „Gehört das zur Weichei-Liste?“

      „Hab ich gerade hinzugefügt. Ich muss immer noch an den Matjes denken.“

      „Vergiss ihn, den hab ich am Freitag zum Frühstück verspeist, da war er ziemlich notwendig.“

      „Glühwein satt?“

      „So ähnlich. Es ist übrigens halb zwölf. Wir sollten uns mal einen Platz für die Raketen suchen.“

      Draußen schaufelten wir ein bisschen herum – nicht, dass wir noch die Hütte abfackelten – und rammten die ersten Raketen in den fest getrampelten Schnee. Aus der Richtung von Neufinsterbach stiegen schon die ersten Leuchtkugeln auf, zwischen den kahlen Ästen waren sie schwach zu erkennen. Und ein wunderbarer Vollmond hing zwischen den Bäumen. Eine klare Nacht – und eiskalt!

      Wir schlüpften in unsere Anoraks und holten die Flasche und die Gläser, außerdem noch einige Teelichte. Alles landete auf dem verschneiten Tisch neben der Haustür. Ich brachte noch schnell das Radio und suchte nach einem Sender, der die Zeit herunterzählte. Noch war überall Partymusik. Da, der ging einigermaßen klar herein! Tarek öffnete die Flasche, ich zündete die Teelichte an. Tolle Stimmung, aber grauenhaft kalt. Die Musik brach ab und man hörte stark angeheiterte Stimmen den Countdown herunterzählen. Tarek schenkte ein. Bei null stießen wir an.

      „Ein gesundes neues Jahrtausend“, kicherte ich und nahm einen großen Schluck.

      „So ein blöder Wunsch!“

      „Eben, der ist doch gut doof.“

      „Ein gutes neues Jahr“, antwortete der Spießer und trank. Dann stellte er sein Glas ab und startete die erste Rakete. Zischend erhob sie sich und ergoss einen Regen von lila Funken in den Himmel. Alle waren lila! Was hatte er sich denn da für ein Sonderangebot aufschwatzen lassen? Ich hielt aber den Mund, um die Stimmung nicht zu versauen - man sollte ein neues Jahrtausend nicht mit einem Krach anfangen.

      „Ziemlich viel lila“, meinte er dann selbst zweifelnd.

      „Sieht doch hübsch aus. So feministisch!“

      „Großer Gott!“ Er warf mir einen angewiderten Blick zu. Hatte ich es doch wieder geschafft!

      Er trat zum Tisch und schenkte uns nach. „Auf unsere baldige Rettung!“

      Darauf stieß ich gerne an und trank durstig. Er nahm mir das Glas schließlich aus der Hand, stellte es neben seins auf den Tisch und packte mich an den Schultern.

      „Wirklich – ein schönes neues Jahr, Nora!“

      Dann küsste er mich. Zuerst war ich verblüfft, aber er fühlte sich so warm und fest an, dass sich meine Lippen wie von selbst öffneten und sich meine Hände ohne mein Zutun um seinen Hals schlangen. Er ließ meine Schultern los und drückte mich in Taillenhöhe an sich. Unsere Anoraks knirschten gegeneinander, während seine Zunge in meinen Mund fuhr und ich seinen erforschte. Er schmeckte nach Sekt, ich wahrscheinlich auch. Er stöhnte leise, aber als seine Hände noch tiefer glitten, löste ich mich vorsichtig von ihm.

      „Ich wünsche dir auch ein perfektes neues Jahr – alles, was du dir wünschst...“ Ein bisschen verlegen brach ich ab.

      Er seufzte. „Du hast Recht – wir sollten uns von dieser Ausnahmesituation nicht hinreißen lassen. Komm, gehen wir rein, es ist saukalt hier draußen.“

      Drinnen sahen wir uns beide etwas irritiert an. Ich verstand mich selbst nicht. Er war nicht mein Typ, und er nervte mich fast ununterbrochen. Und er mochte mich doch auch nicht. War das das Einsame-Insel-Syndrom? Aber schon nach zwei Tagen? So notgeil war ich wirklich nicht! Und er – war ihm einfach das übliche Silvesterbussi etwas ausgeufert?

      Ich seufzte leise und schenkte mir nach. Dieser Kuss war das Dümmste gewesen, was wir tun konnten. Jetzt sah ich ihn mit ganz anderen Augen und konnte mir den Gedanken nicht verkneifen, wie es mit ihm wohl im Bett wäre. Und seinem glitzernden Blick entnahm ich, dass er Ähnliches dachte. Wir mussten es noch mindestens einen Tag miteinander aushalten, solche Komplikationen konnten wir nicht gebrauchen. Ich sah ihm in die Augen. „Vergiss es“, sagte ich dann leise. „Keine Sorge“, antwortete er genauso