Schöne Festtage. Elisa Scheer

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Название Schöne Festtage
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737548007



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eine Komtesse oder eine Baronesse oder was?“

      „Jetzt pack mal deine Märchenbücher weg. Gar nichts. Ich glaube, die Familie wurde von Kaiser Wilhelm geadelt. Mein Ururopa war vorher Kommerzienrat. Das von kam den Kaiser wahrscheinlich billiger als eine Steuerermäßigung. Warum fasziniert dich das so?“

      „Lebt man dann irgendwie anders?“

      „Ich weiß nicht. Mein einer Bruder züchtet Pferde, auf dem Gut meiner Eltern, der andere ist Anwalt, da kommt das von ganz gut auf dem Kanzleischild. Und Pullis entwerfen, Artikel schreiben und Shootings organisieren könnte ich auch so. Ich lasse das von ohnehin meistens weg.“

      „Musst du dann eines Tages einen Adeligen heiraten?“ Ich verschluckte mich fast an meinem Rest Kaffee.

      „Sag mal, was liest du eigentlich? Courths-Mahler? Natürlich nicht, meine Eltern mischen sich nie in meine Angelegenheiten ein. Ich könnte auch mit einem Alternativen im Wendland leben und zehn kleine Castorkämpfer großziehen – ohne Trauschein – und sie wären nicht sauer. Ehre der Familie oder so? Wirklich nicht!“

      „Hätte ja sein können. Ich kannte in meiner Schulzeit mal eine, die blieb praktisch immer in ihren Kreisen.“

      „Schön blöde, da war es sicher erzlangweilig.“

      „Das war sie selbst auch“, bekannte er und grinste etwas schief. Wir spielten den Nachmittag über wieder verbissen Trivial Pursuit. Dieses Mal gewann ich, aber auch nur knapp. Ich versuchte danach noch ein bisschen zu stricken, aber für das komplizierte Muster war es nicht mehr hell genug. Ich fröstelte und legte noch etwas Holz nach.

      „Sieben Scheite haben wir noch – und hinter dem Küchenschrank habe ich noch ein paar Spanholzkisten gefunden, die verheizen wir auch, ja?“

      Ich war einverstanden. „Wenn du die Zeitung durchhast, nehmen wir sie zum Anzünden. Mir graust so vor heute Nacht, in der Kammer wird es täglich kälter.“

      „Bei mir schließt das Fenster nicht richtig“, jammerte er.

      „Und meins ist nicht dicht“, trumpfte ich auf.

      „Und wer ist jetzt ärmer dran?“, feixte er. Ich knuffte ihn gegen den Arm.

      „Wir sind bescheuert“, stellte er dann fest.

      „Ist das was Neues?“

      „Warum schlafen wir in diesen eisigen Kammern? Wir könnten den ganzen Kram doch auch hier vors Feuer zerren, Matratzen, Bettzeug und so weiter. Dann hätten wir wenigstens die Restwärme. Und der Raum ist nicht so ausgekühlt.“

      Das klang eigentlich ziemlich schlau. Ein bisschen zanken könnte man sich dann auch noch, und wenn dem anderen die ultimative gemeine Antwort eingefallen ist, stellt man sich einfach schlafend, so dass er nie weiß, ob der Geistesblitz überhaupt gewürdigt wurde, überlegte ich mir erfreut.

      „Aber erst gehen wir noch mal gucken, wie weit die Leute gekommen sind, ja?“

      In der Dämmerung kletterten wir wieder über den Schneewall und die Baumwurzel und guckten nochmal über die Mauer. Die war unübersehbar noch da, aber die Bäume waren aus dem Weg geschafft, und ein großer Schneeräumer war direkt hinter der Mauer abgestellt. Morgen früh...

      Zufrieden stapften wir zurück, spielten noch ein bisschen und räumten dann den Platz vor dem Kamin frei.

      „Ich hab Hunger“, jammerte Tarek.

      „Sag bloß? Du kannst die gelben Gummibärchen haben – und Knäckebrot. Und die letzten Chips teilen wir uns.“

      Einträchtig futterten wir die Chips und stellten so viele Teelichte auf, dass der Raum schon von daher fast lauwarm wurde. „Wieso heißt du eigentlich Tarek?“, wollte ich dann wissen.

      „Ich komme aus dem Bayerwald, da ist das häufiger. Meine Mutter ist Tschechin.“

      Ich nickte. „Habt ihr einen Hof?“

      „Wie kommst du denn darauf?“

      War das schon wieder falsch?

      „Ich dachte nur, das ist doch eine eher bäuerliche Gegend, und du wirkst so naturverbunden...“

      „Voll daneben, Nora, wie immer. Mein Vater ist der stellvertretende Leiter der örtlichen Kreissparkasse, und meine Mutter ist Hausfrau. Meine beiden älteren Schwestern sind verheiratet, kinderreich und berufstätig, und keiner von uns kann eine Kuh melken. Du etwa?“

      Ha! „Ich schon.“

      „Du Stadtpflanze?“

      „Ich mag ja eine Stadtpflanze sein“, entgegnete ich mit dem letzten Rest Würde, „aber ich bin auf dem Land aufgewachsen. Und meine Eltern halten zwar keine Kühe, aber die Nachbarn schon. Und da hab ich´s gelernt.“

      „Respekt! Wo auf dem Land?“

      „Auf halbem Weg zwischen Leisenberg und München, bei Geresing.“

      „Kenn ich nicht“, musste er zugeben.

      „Kennt keiner, denk dir nichts. Und ich möchte da auch nicht mehr leben. Für Kinder ist es toll, vom Schulweg mal abgesehen, aber jetzt ist mir die City doch lieber.“

      „Wo wohnst du eigentlich in der Stadt?“

      „Avenariusgasse, hinter dem Theater.“

      „Sicher ein cooles Loft“, murmelte er.

      „Blödsinn, eine stinknormale Dreizimmerwohnung – naja, eher dreieinhalb. Mit Balkon.“

      „Für so spießig hätte ich dich gar nicht gehalten.“

      Diese Ratte! Ich legte den Kopf schief. „Darf ich raten? Du siehst nach Reihenhaus aus, also wohnst du wahrscheinlich in einer umgebauten Tankstelle oder in einem Luxusappartement.“

      „Alles falsch. Nora, du lernst es nicht mehr. Holzhäuschen mit Obstgarten, an der äußeren Kirchfeldener Landstraße. Wieso Reihenhaus?“

      „Ordentlich, frische Luft, ein Biologe muss einen Garten haben...“

      „Wieso ordentlich?“

      „Weil du dein Auto aufgeräumt hast.“

      „Das ist nur, weil ich Beamter bin. Und zu den Kreativen wie dir gehört die rollende Müllkippe.“

      „Also du hast genauso viele Klischees im Kopf wie ich. Dann brauchst du gar nicht so überlegen zu tun!“

      „Ich bin überlegen. Ich bin ein Mann!“

      „Du meinst, du hast ein größeres Hirn?“, fragte ich gefährlich ruhig.

      „Klar!“ Er trank seinen Kaffee und beobachtete mich gelassen.

      „Und ein Ochse hat ein noch größeres Hirn. Was sagt dir das?“

      „Dass man verschiedene Gattungen nicht vergleichen kann.“

      „Oh, du – du blöder Macho!“

      Er lachte schallend. „Nora, krieg dich wieder ein, ich wollte dich doch nur ärgern. Die Sache mit dem physiologischen Schwachsinn des Weibes stammt seit heute aus dem vorletzten Jahrhundert, niemand glaubt das mehr. Nur du!“

      Er duckte sich, als ich ihm einen Müsliriegel ins Gesicht warf. Dann fischte er ihn aus dem leeren Spülbecken, packte ihn aus und aß ihn. „Danke übrigens, ich hatte sowieso noch Hunger.“ Diesem Kerl war nicht beizukommen!

      Er löste sich von der Küchenspüle. „Komm, räumen wir unsere Betten vor den Kamin, ja?“

      Gemeinsam zerrten wir die klumpigen Matratzen aus den Betten und warfen sie vor den Kamin, das Bettzeug hinterher. Ich bugsierte meine direkt vor das Feuer. „He – und ich?“ Tarek schaute empört.

      „Du kannst dahinter schlafen.“

      „Aber da ist es viel kälter! Rück zur Seite, dann kann