Schöne Festtage. Elisa Scheer

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Название Schöne Festtage
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737548007



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hatte ich ausgelassen.

      Gepolter kündigte Tareks Auftritt an. Und draußen schneite es immer noch, mittlerweile noch heftiger, wie mir schien. Ich drehte am Radio herum, fand aber außer Knacken, Knattern und plötzlichem Aufjaulen nichts.

      „Guten Morgen.“ Er trat an den Herd und schenkte sich Kaffee ein.

      „Guten Morgen.“ Nachdenklich betrachtete ich ihn, als er ohne Zeichen des Abscheus den bestenfalls lauwarmen Kaffee trank. Er war das einzige, was mich vor dem Tod durch Langeweile retten konnte. Vielleicht sollte ich mich mit letzten Sätzen etwas zurückhalten? Andererseits – was sollte man mit diesem Menschen tun, außer ihn zu ärgern? Das war doch gerade die Unterhaltung!

      „Sie schauen so gereizt?“

      „Mir ist langweilig“, bekannte ich.

      „Ein Armutszeugnis“, fand er lehrerhaft. Schon eher oberlehrerhaft!

      „Schlagen Sie mir was vor. Mein Buch habe ich leider zu Hause vergessen.“

      „Entwerfen Sie etwas.“

      „Hab ich schon, aber heute bin ich nicht kreativ.“

      „Schaufeln Sie Schnee!“

      „Hab ich auch schon, aber um halb elf. Längst wieder zugeschneit. Jetzt sind Sie dran.“

      „Können Sie Patiencen legen?“

      „Selbstverständlich!“

      „Ach, ich vergaß ja, die Dame ist von Adel. Und warum legen Euer Gnaden dann keine Patience?“

      „Weil ich das auch schon gemacht habe. Ist Ihnen eigentlich klar, dass es schon bald halb zwei ist? Ich glaube nicht, dass heute noch jemand kommt. Sollten wir nicht eher versuchen, wieder ins Tal zu gelangen?“

      Er zuckte die Achseln.

      „Probieren können wir´s, aber ich glaube, die Straße ist zu. Ein Vorschlag: Ich trinke dieses Spülwasser noch aus und esse einen Müsliriegel, und Sie suchen noch ein bisschen nach einem Sender, ja?“

      „Okay“, seufzte ich und drehte weiter am Sendersuchlauf herum. da – war da nicht was?

      „Krzkrzkrck... heftige Schneefä...krz... pfft... insterbach... krz... tüüüüt... Warn..... krckkrck... winengefahr...krckkrck... pffft.“

      „Tolle Meldungen. Anscheinend ging´s aber um die Finsterbacher Gegend. Mist!“

      Tarek schluckte den Rest seines Müsliriegels herunter und schlüpfte in seinen Anorak. Ich tat es ihm gleich und grabschte nach meinem Autoschlüssel. Er sah mich zweifelnd an. „Haben Sie Ketten?“

      „Logisch.“

      „Allradantrieb?“

      „Nein. Ich fahre einen Golf. Sie natürlich, was?“

      „Sicher. Nehmen wir meinen. Wenn die Strecke frei ist, kommen wir sofort zurück, packen und hauen dann mit beiden Wagen ab, einverstanden?“

      Ich nickte. „Klingt vernünftig. Dann wollen wir Ihre Safarischüssel mal ausbuddeln.“

      „Safarischüssel?“

      „Wozu braucht man in der Stadt Kuhfänger?“

      Er grinste spöttisch. „Damit schubse ich die Omas vom Zebrastreifen. Aber hier könnte man einen kleinen Baum vielleicht damit aus dem Weg schieben...“

      „Auch wieder wahr“, brummte ich.

      Wir fegten den Schnee von seinem Wagen und legten die Scheiben frei. Dann klopften wir uns den Schnee von der Kleidung und stiegen ein. Als Tarek den Zündschlüssel drehte, rührte sich nichts. Unwillkürlich lächelte ich höhnisch, bis mir einfiel, dass es auch in meinem Interesse lag, wenn wir hier bald wegkamen. Er warf mir einen bösen Blick zu und versuchte es noch einmal. Diesmal erwachte der Motor stotternd zum Leben und Tarek wendete den Wagen in Richtung Straße. Dann hielt er wieder an. „Was ist jetzt?“

      „Ketten aufziehen. Was dachten Sie denn?“

      Als wir mit klammen Fingern die letzten Ketten befestigt hatten, konnten wir es versuchen. Die ersten dreißig Meter ging es recht gut. Vielleicht könnten wir schon in einer Stunde auf einer gemütlichen und Vertrauen erweckenden Bundesstraße dahinrollen? Oder, das höchste der Gefühle – auf einer schönen, geräumten Autobahn, ganz zivilisiert? Tarek bremste. Vor uns lag ein ziemlich mickriger Baum halb über der Straße. Mit den Kuhfängern war nichts, sie waren zu hoch angebracht. Also raus aus dem mittlerweile angewärmten und beschlagenen Wagen! Gemeinsam zerrten wir an den Ästen herum, bis sich der Baum soweit bewegt hatte, dass wir um ihn herumkurven konnten – halb auf dem Bankett. Weiter! Nach Neufinsterbach konnten es nur noch etwas mehr als hundertfünfzig Meter sein, oder?

      Erst als Tarek mich verächtlich ansah, merkte ich, dass ich das laut gesagt hatte. „Hundertfünfzig Meter bis zu der Stelle mit den drei toten Bäumen, meinen Sie wohl. Schon vergessen?"

      „Scheiße, ja!", murrte ich.

      Kurz vor dieser Abzweigung standen wir vor einer Schneemauer. Hier war also tatsächlich eine - wenn auch bescheidene - Lawine heruntergegangen. „Kreuzdonnerwetter noch mal!“ Ich war so enttäuscht.

      „Haben Sie zufällig einen Spaten im Wagen?“

      „Das ist nicht Ihr Ernst!“

      „Mein voller Ernst!“

      „Ich hab sogar zwei ... Dann wollen wir mal!“

      Er reichte mir einen Spaten und ich begann wie wild zu schaufeln und den Schnee in den Straßengraben zu schleudern. Nach einigen Minuten hielt ich keuchend inne, wischte mir den Schweiß ab und grub dann wie besessen weiter. Tarek rammte seinen Spaten in den Schneehaufen und stieg hinauf.

      „Dahinter geht es ein Stück weiter, aber dann sieht man eine richtig fette Baumwurzel auf der Straße. Den Baum schaffen wir nicht zu zweit.“

      „Oh doch...“

      Ich grub immer noch und trampelte den Schnee in der Mitte fest. Eine leichte Delle hatte ich in den Schneehaufen schon gegraben, aber nie käme man da durch, Allradantrieb hin oder her. Egal! Ich schaufelte weiter, so dass mein Zopf herumflog und ich vor Anstrengung und Zorn keuchte. Tarek half mir, aber dann ließ er seinen Spaten fallen. „Das ist sinnlos!“

      „Ist es nicht! Ich will nach Hause!“

      „Nicht heute!“

      „Doch!“

      Ich grub weiter, obwohl mir die Arme so wehtaten, dass ich nur noch wenig Schnee mit jedem Spatenstich beiseite warf. „Hören Sie auf!“

      „Nein!“

      „Hör auf, Nora! Bitte!“

      „Wir können es schaffen...“ Ich sah ihn verzweifelt an.

      „Nein, nicht heute. Niemand kann mit zwei Spaten eine Lawine wegschaufeln, auch nicht eine so kleine. Es hat keinen Sinn, glaub mir.“

      „Und zu Fuß? Wenn die Straße frei ist, können wir die Autos immer noch holen.“

      „Möglich. Aber nicht heute. Das können wir morgen versuchen, wenn es dann noch nötig ist.“

      „Ich will nicht tagelang hier festsitzen. Niemand weiß, dass wir hier sind!“

      „Das stimmt doch gar nicht.“

      „Doch! Die anderen denken doch, wir sind auch nicht hier, wetten?“

      „Da ist leider was dran“, murmelte er.

      „Dann wird niemand sich besonders beeilen, uns hier rauszuholen.“ Ich brach in Tränen aus.

      „Wein doch nicht, bitte. Davon wird es doch auch nicht besser...“

      Ja, leider. Ich weinte noch mehr. Dass man nichts machen konnte, hatte mich immer schon in den Wahnsinn getrieben. Tarek sah mich etwas verstört an, dann zuckte er die Achseln