Schöne Festtage. Elisa Scheer

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Название Schöne Festtage
Автор произведения Elisa Scheer
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783737548007



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Pralinenschachtel auch. „Ich glaube, ich gehe ins Bett. Träum was Schönes. Was man in der ersten Nacht des Jahres träumt, geht in diesem Jahr in Erfüllung“, behauptete ich kühn. Ich erfand gerne Bauernregeln und alte Bräuche.

      Er nickte, als sei ihm das bekannt. „Du auch! Gute Nacht...“

      Ich verzog mich in die Kammer, in der es höchstens noch fünf Grad hatte. Bibbernd schlüpfte ich in mein wallendes Nachthemd und breitete alles andere über der Bettdecke aus, dann putzte ich mir flüchtig die Zähne und fuhr mit einem Wattebausch voll Tonic über mein Gesicht. Ich schlief sofort ein, das war wohl der Sekt auf halb leeren Magen.

      Mitten in der Nacht schreckte ich hoch. Was hatte ich denn da für einen Schwachsinn geträumt? Tarek kam drin vor, ein großer Garten, eine Hochzeit – aber den Zusammenhang konnte ich nicht mehr herstellen, ich hatte nur lose Bilder. Grummelnd drehte ich mich um, stopfte alles Wärmende wieder fest und schlief weiter. Tarek kam nicht mehr vor, aber ich hatte plötzlich eine winzige Katze, die ich mit der Flasche großziehen musste – und dabei war ich doch allergisch gegen Katzenhaare! Und Windeln trug das kleine Biest auch noch. Sogar im Traum überlegte ich noch, warum ich kein Katzenklo aufstellte, und entwickelte eine abstruse Begründung dafür.

      Als ich wieder aufwachte, schüttelte ich den Kopf. Was für ein Blödsinn! Eine Katze mit Windeln! War sie inkontinent? Gab´s das bei jungen Tieren schon? Tarek fragen, der war doch Biologe. Neun Uhr... Das Zimmer war unerträglich kalt und ich war stark in Versuchung, mich überhaupt nicht zu waschen, sondern mich unter der Bettdecke anzuziehen. Nix! Ich rief mich energisch zur Ordnung: Ungewaschen würde ich mich nur unbehaglich fühlen. Und vielleicht stand mir noch eine Nacht hier bevor...

      Das Wasser biss wie Eis auf der Haut, aber ich blieb tapfer und schrubbte mich ziemlich gründlich, dann suchte ich nach meinem vorletzten frischen T-Shirt und frischer Wäsche. Die Thermohose musste schon wieder dran glauben, die anderen Jeans waren mir zu dünn. Ein dünner Pullover und darüber ein dickerer, dazu einen Schal, zwei Paar Socken und die Stiefel. Langsam ließ das Zähneklappern nach, und ich konnte meine Haare bürsten und flechten. Der Pickel war weg, wahrscheinlich ausgehungert. Ich cremte mich dünn ein und ging dann hinaus, um Kaffee zu kochen.

      Das Feuer war aus. Ich entfachte es neu mit dem Sportteil und opferte auch noch die Inserate, um es schneller zum Brennen zu bringen. Wie viel Holz hatten wir noch im Schuppen? Draußen war es strahlend schön, aber beißend kalt. Der Schnee funkelte in der Sonne, der Himmel war knallblau, und die Raketenreste in ihrem Himbeerton wirkten auf dem zertrampelten Schnee richtig geschmackvoll. Noch zwölf Scheite, sechs für jetzt, sechs für später, für heute Abend...

      Drei Scheite schichtete ich noch in den Kamin, das reichte zunächst, fand ich. Dann packte ich doch mein Strickzeug aus, im Moment war es wirklich hell genug, und arbeitete weiter an einem Prachtstück aus silbernem Seidengarn mit einem aufwendigen Lochmuster. Ich schaffte zwanzig Reihen, dann frühstückte ich einen weiteren Müsliriegel - nachgerade konnte ich das Zeug nicht mehr sehen – und strickte wieder munter weiter. Schließlich legte ich das Strickzeug beiseite und überlegte, ob ich schon einmal alleine bis zur Biegung gehen sollte, um zu gucken, ob sich schon etwas rührte. Ich könnte auch die anderen aus ihrem Neujahrsschlaf reißen, malte ich mir bösartig aus. Bevor ich zu einer Entscheidung kam, tappte Tarek herein und trank gierig einen Becher Kaffee.

      „Kater?“

      „Nur ein bisschen Durst. Guten Morgen übrigens.“

      „Morgen. Und, was hast du geträumt?“

      Er warf mir einen schwer deutbaren Blick zu. „Von dir.“

      „Details!“

      „Lieber nicht, es sind Damen anwesend. Und du?“

      „Wieso – oh!“ So ein altes Ferkel!

      „Männer träumen eben nicht originell. Bei mir kam eine kleine Katze vor, die ich mit der Flasche großziehen musste. Und seltsamerweise trug sie Windeln. Leider weiß ich nicht mehr, warum eine Kiste Katzenstreu nicht in Frage kam. Gibt es das? Inkontinenz bei jungen Tieren? Du bist doch Biologe?“

      „Ich hab jedenfalls noch nie davon gehört. Hm, dann wollen wir den Traum mal deuten, ja?“

      „Im Freudschen Sinne? Bloß nicht!“

      „Nein, nur logisch. Flasche und Windeln – das deutet eher auf ein Baby hin. Du hörst wohl deine biologische Uhr schon ticken? Soll doch bei Frauen in deinem Alter öfter vorkommen.“ Ich stand auf, um mir neuen Kaffee zu nehmen und trat ihm dabei fest gegen das Schienbein.

      „Au!“

      „Das war für die biologische Uhr. Ich bin weder so alt noch so besessen von Nachwuchs. Lieber die Chefredaktion!“

      „Ja – du gestehst dir diesen Wunsch nicht ein, deshalb wurde im Traum eine Katze daraus, ein Katzenbaby. Dein Unterbewusstsein sperrt sich.“

      „Du Hobbypsychologe – gehört das zum Grundkurs Verhaltensforschung?“

      Er lachte und trank seinen Kaffee aus, dann packte er den alten Schokoriegel aus und brach ihn in der Mitte durch.

      „Hier! Viel verstehe ich nicht von Traumdeutung – aber das war ja wirklich nicht schwer.“

      So ein Schwachsinn – Kinder! Vielleicht in fünf Jahren... Und von wem überhaupt? Ich kannte nur furchtbare Kerle. Wenn der ganze Haufen beieinander war, den ich durch Silke und Karen kannte, wuselten außerdem genug Kinder herum. Und meine Kolleginnen – die würden den Teufel tun, dann wäre es ja mit den Partys vorbei. Wieso beschäftigte mich diese Idee überhaupt? Weil Neujahr war?

      „Komm, gehen wir gucken, ob sich was rührt!“, schlug ich vor, und Tarek griff nach seinem Anorak.

      Vor der Tür blinzelte er und setzte eine Sonnenbrille auf.

      „Toller Tag, so kann das neue Jahr ruhig anfangen. Hast du keine Brille? Das Glitzern kann gefährlich sein, die Netzhaut -“

      Schnell setzte ich die Sonnenbrille auf, bevor er mir noch einen Biolehrervortrag hielt, und stapfte energisch zum Beginn der Straße. Wir schritten vergnügt aus, wirklich ein herrliches Wetter, und gelangten zur Schneemauer. Mit vereinten Kräften traten wir einige Stufen in die Mauer, so dass wir wenigstens darüber hinwegspähen konnten.

      „Da unten ist was Gelbes – sieht nach einem Bauhoffahrzeug aus“, berichtete ich Tarek, der mich stützte, und sprang wieder auf den Boden. Ein Aufjaulen bestätigte das.

      „Genau – eine Kettensäge, die schaffen die Bäume weg. Na, wenn sie noch eine Stunde für den Baum da unten brauchen, jetzt ist es zehn... Lagen noch mehr Bäume auf dem Weg?“

      „Zwei. Ziemliche Trümmer.“

      „Elf – zwölf – eins, zwei Stunden für die Mauer, drei – morgen früh, würde ich sagen. Bevor die alles weggeschafft haben, ist es wieder dunkel. Und die Leute sind sicher auch schon müde.“

      „Aber morgen früh sitze ich ab acht mit gepacktem Koffer und freigelegtem Auto da und warte!“, kündigte ich an.

      Er tippte mir auf die Nase. „Was glaubst du, was ich morgen tue? Vergiss die Schnitzelorgie nicht!“

      „Wie könnte ich! Ich hab so Hunger!“

      Wir stiegen den Berg wieder hinauf und kehrten in die warme Hütte zurück. „Noch acht Müsliriegel, gelbe Gummibärchen, ein Packet Knäcke, eine Tüte Chips und ein Schrumpelapfel. Wünschen gnädige Frau einen Menüvorschlag?“

      „Teilen wir uns den Apfel, ja?“

      Er schnitt ihn mit dem Taschenmesser durch und reichte mir die Hälfte. Ich aß gierig und nagte den Butzen so sorgfältig ab wie noch nie im Leben.

      „Warum sagst du immer gnädige Frau und euer Gnaden?“

      „Bist du nicht was Besseres?“

      Ich schaute dumm. „Inwiefern? Du bist doch der Akademiker!“

      „Aber du bist adelig!“