BEHIND BARS. Marina Ocean

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Название BEHIND BARS
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186206



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umgehend das Büro von Wehrstein und gehe zurück an meinen Schreibtisch. Soviel zum Thema ›neuer Job‹! Das läuft ja alles großartig!

      Kapitel 6

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       Ari

      Zwei Therapiesitzungen später krame ich mein belegtes Brot aus meiner Handtasche, nachdem mein vorheriger Patient gerade abgeholt wurde. Hunger habe ich nicht viel, dafür bin ich inzwischen eindeutig zu aufgeregt, trotzdem beiße ich dreimal hinein. Als ich den letzten Bissen heruntergewürgt habe, packe ich das Essen wieder weg. Ich bekomme einfach nichts runter. Stattdessen greife ich zur Wasserflasche und nehme ein paar große Schlucke. Anschließend gehe ich zum Fenster und öffne es, um die verbrauchte Luft durch frischen Sauerstoff zu ersetzen. Tief atme ich ein und versuche dabei, meine Nerven zu beruhigen, was mir allerdings nicht wirklich gelingt.

      Draußen im Hof sehe ich einige Häftlinge Basketball spielen. Sie veranstalten einen Heidenlärm dabei, brüllen sich an und machen sich gegenseitig nieder. Ein paar Wärter stehen drum herum und beobachten das Schauspiel. Sie sind vermutlich genauso angespannt wie ich und warten nur darauf, bis sie eingreifen und das Gerangel unterbinden müssen. Ich seufze und schicke ein Stoßgebet gen Himmel, dass dieser Termin mich nicht meinen letzten Nerv kosten wird. Selten war ich vor einer Sitzung so aufgeregt wie jetzt, dabei ist mir klar, dass das eigentlich völlig absurd ist. Er ist ein Patient wie jeder andere auch. Zumindest versuche ich mir das einzureden.

      Als es klopft, zucke ich zusammen und noch bevor die Tür geöffnet wird, weiß ich, dass er hier ist. Schnell sehe ich auf die Uhr. Etwa fünf Minuten zu früh, aber besser so als zu spät.

      »Ja, bitte?«, rufe ich aus, wohlweislich darauf bedacht, das inzwischen verhasste ›Herein‹ zu umgehen, wende ich mich zur Tür. Herr Neumann wird hereingeführt und der Wärter dirigiert ihn zu dem Stuhl vor meinem Schreibtisch.

      »Brauchen Sie mich hier, Frau von Ahrensburg?«

      Skeptisch werfe ich einen Blick auf meinen Patienten, der mich gekonnt ignoriert und schüttele dann den Kopf. »Nein, Sie können draußen warten. Danke!«

      Der Wärter nickt und verschwindet dann. Dass den Häftlingen ihre Handschellen nicht abgenommen werden, irritiert mich, selbst wenn ich das von den letzten beiden Sitzungen schon kenne. Allerdings versuche ich, diese Tatsache zu ignorieren. Auch wenn sich eine Stimme tief in meinem Inneren fragt, ob er tatsächlich so gefährlich ist, schiebe ich den Gedanken zurück in die hinterste Ecke und schließe das Fenster. Anschließend nehme ich auf meinem Stuhl Platz.

      »Hallo, Herr Neumann. Wie geht es Ihnen?« Sein eisblauer Blick beginnt mich zu fixieren, doch er antwortet mir nicht. Na, das kann ja heiter werden! »Sie müssen natürlich nicht mit mir sprechen, aber das würde es deutlich einfacher gestalten. Für uns beide«, beginne ich zaghaft und erkenne, wie es in seinen Augen aufblitzt.

      »Ich wüsste nicht, was ich überhaupt bei Ihnen soll. Geschweige denn, was ich Ihnen erzählen könnte.«

      »Nun, wir sprechen über das, was Sie erzählen möchten«, biete ich ihm an.

      »Was ich möchte?« Sein Tonfall ist drohend und ich befürchte bereits, dass er gleich einen Wutausbruch bekommt, also lenke ich ein. Einen aufgebrachten Häftling, der mir vielleicht an die Gurgel geht, kann ich sicher nicht gebrauchen.

      »Sie wollen gar nicht hier sein, oder? Hier, bei der Therapie.« Sein Schnauben ist mir Antwort genug, daher setze ich nach.

      »Warum nicht? Was genau widerstrebt Ihnen?«

      Lange sieht er mich an. Sein stechender Blick ist unangenehm und wirklich nicht leicht zu ertragen, trotzdem zwinge ich mich, ihm Stand zu halten. Ich bin ihm bereits entgegengekommen. Jetzt ist er dran. Doch als er zur Seite blickt, schwinden meine Hoffnungen, eine Antwort zu bekommen. Resigniert durchforste ich mein Gedächtnis nach Fragen, mit denen ich ihn dazu bringen könnte, etwas zu sagen.

      »Duftkerzen, also?«

      »Wie bitte?« Mein Kopf schnellt wieder hoch und ich sehe ihn an, folge dann seinem Blick, der sich an dem niedrigen Aktenschrank neben uns festgeheftet hat. Erst dann schaue ich zu dem kleinen Buddha und den Kerzen, die ich dort gestern aufgestellt hatte, um es mir etwas gemütlicher zu machen.

      »Bekommen Sie die Leute so zum Reden? Mit diesem esoterischen Hokus-Pokus-Zeug?«, hakt er nach und ich muss schmunzeln.

      »Nein, es soll lediglich beruhigend wirken. Bei mir funktioniert das gut. Soll ich die Kerzen anzünden? Wir könnten ja versuchen, ob es bei Ihnen ebenso …«

      »Sparen Sie sich die Mühe!«

      Da ist sie wieder, die harte Zurückweisung. Man dringt wahrhaft nur schwer zu ihm durch.

      »Also? Wovor haben Sie Angst?«, versuche ich es erneut.

      »Angst? Sie denken ich hätte … Angst?« Er spuckt mir das Wort förmlich entgegen und ich überlege fieberhaft, ob ich es überhaupt wagen kann, weiterzusprechen, oder ob ich jetzt lieber einen Rückzieher machen sollte. Fast bilde ich mir ein, so etwas wie Mordlust in seinem Gesicht zu sehen. Bin ich verrückt oder sieht er mich tatsächlich auf diese angsteinflößende Weise an? Ich muss schon irgendwie irre sein, wenn ich mich mit solch gefährlichen Menschen in einen Raum begebe, so ganz ohne Schutz! Trotzdem spreche ich weiter, denn die Blöße, jetzt vor ihm einzuknicken, werde ich mir sicher nicht geben. Außerdem ist das hier nun einmal mein Beruf, für den ich mich bewusst entschieden habe.

      »Nun ja, es muss doch einen Grund geben, weshalb Sie diese Sitzungen so konsequent ablehnen. Herr Wehrstein hat mich informiert, dass Sie sich weigern würden, eine Therapie zu machen.«

      Zuerst sieht er mich verwirrt an, dann scheint er meine Aussage zuordnen zu können.

      »Ich sehe nicht ein, weshalb ich so etwas benötigen sollte. Ich bin weder krank noch geistesgestört!«

      »Aber das hat doch damit nichts zu tun. Viele Leute machen eine Therapie, weil sie vielleicht ein Problem haben, bei dem sie Hilfe benötigen. Das sagt doch rein gar nichts über ihre geistige Gesundheit aus.«

      »Ich habe kein Problem und Fakt ist, ich bin kerngesund. Ich lasse mich weder unterwerfen, noch mache ich eine Therapie. Und von euch Affen im Hirn rumpfuschen, lasse ich mir schon erst recht nicht! Was in meinem Kopf passiert und was ich denke, geht allein mich etwas an, sonst niemanden. Ich gebe nichts Preis, so einer neugierigen Wichtigtuerin, wie Ihnen, schon gar nicht!« Jetzt bin ich baff, doch so wie es aussieht, ist er noch nicht fertig. »Damit wir uns richtig verstehen: Ich brauche so einen Scheiß nicht und das gebe ich Ihnen auch gerne schriftlich.«

      Er hat es schon wieder getan. Er beleidigt mich und das mit voller Absicht. Und wieder trifft es mich, wie er über mich denkt. Ich weiß, dass es mich nicht so kränken sollte, trotzdem tut es das. Und weil er es geschafft hat, mich mit seinem Verhalten zu ködern, hake ich nach. Zu gerne möchte ich mich dazu rechtfertigen. Ich kann nicht anders.

      »Sie halten mich also für eine neugierige Wichtigtuerin?«

      »Was ich über Sie denke, ist irrelevant. Sie stehen auf deren Seite und damit nun einmal nicht auf meiner. So einfach ist das.«

      »Weshalb gehen Sie davon aus, dass ich nicht auf Ihrer Seite stehe?«

      Nun zieht er eine Augenbraue nach oben, dann redet er weiter. »Ich denke nicht, dass es an dieser Situation etwas zu interpretieren gibt.« Dabei hebt er die Hände und deutet mit einem Zeigefinger zwischen ihm und mir hin und her, wobei seine Handschellen leise klirren. »Sieht für mich alles ziemlich eindeutig aus und Sie stehen dabei ganz klar über mir. Im Klartext: Uns trennen Welten und schon allein diese Tatsache reicht, um meiner Abneigung gegen Sie freien Lauf zu lassen.«

      »Ich möchte Ihnen helfen, Herr Neumann!« Eindringlich lehne ich mich nach vorne und sehe ihm fest in seine Augen. Warum ist er nur so verbohrt? Er wehrt sich so standhaft gegen mich, als wäre ich das schlimmste Übel für ihn, das er sich vorstellen