BEHIND BARS. Marina Ocean

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Название BEHIND BARS
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186206



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ja? Dann wären Sie die Erste!« Er schnaubt verächtlich und nimmt seinen Arm von seinem Gesicht, starrt nun an die Decke. »Tun Sie uns beiden einen Gefallen und schwingen Sie Ihren zierlichen Arsch hier raus! Ich möchte jetzt schlafen!«

      »Okay. Ich werde gehen. Aber ich habe Ihnen noch eine Salbe mitgebracht. Geben Sie diese auf Ihre Wunden, dann werden Ihre Verletzungen schneller heilen.«

      Jetzt richtet er sich auf und stiert mich an.

      »Wozu? Um die Spuren schnellstmöglich zu verwischen, die ihr mir zugefügt habt?« Angepisst steht er auf und kommt auf mich zu. Nur ein paar Zentimeter vor mir bleibt er stehen und baut sich bedrohlich vor mir auf, was mich zwei Schritte zurückweichen lässt. Dabei spüre ich, dass sich der Wärter schräg hinter mir ebenfalls anspannt.

      »Sie verstehen das falsch …«

      »Oh nein, ich verstehe das schon ganz richtig!« Noch näher schreitet er auf mich zu, doch diesmal bleibe ich stehen, versuche, nicht zurückzuweichen und gebe dem Wachmann mit einer Handbewegung zu verstehen, dass ich die Sache im Griff habe. Auch wenn ich mir da selbst nicht wirklich sicher bin. Ich will Herrn Neumann nicht signalisieren, dass er mir gerade ziemlich Angst macht. Männern wie ihm darf man das nicht zeigen, soviel habe ich in meinem Job immerhin schon gelernt.

      »Wie heißen Sie?«

      »Mein Name ist Ariella von Ahrensburg.« Selbstbewusst recke ich ihm mein Kinn entgegen, doch er schnaubt erneut.

      »Ja klar, und ich bin der Papst von Rom.«

      »Bitte?«

      »Weshalb sollte eine Frau mit Adelstitel in einer JVA arbeiten? Und was ist denn Ariella für ein Name? Wollen Sie mich verarschen?«

      »Ein ganz gewöhnlicher, soweit mir bekannt ist«, gehe ich auf seine zweite Frage ein.

      »Wenn Sie meinen. Falls das ihr richtiger Name ist, finde ich jedoch, dass Ihre Eltern da verflucht grausam waren. Oder dämlich. Wobei … Wer weiß!? Vielleicht auch beides?«

      »Wie, bitteschön, reden Sie denn über meine Eltern?« Er ist clever und versucht mich mit persönlichen Dingen zu kränken, um mich loszuwerden. Gleichzeitig wird mir klar, dass er mich niemals körperlich angreifen würde, wenn er auf diese Weise versucht, mich dazu zu bringen, zu gehen. Natürlich weiß ich genau, was er bezweckt, dummerweise funktioniert es. Ich kann nicht leugnen, dass es mich verletzt, wie er mit mir spricht, obwohl ich den Sachverhalt aus psychologischer Sicht längst durchschaut habe.

      »Ganz einfach, Schätzchen. Du klingst, als wärst du einem Disney-Film entsprungen. Oder einer Waschmittel-Werbung!« Dreckig grinst er mir mitten ins Gesicht und wahrhaftig fehlen mir jetzt die Worte. So etwas hat noch nie jemand zu mir gesagt! Misshandlung hin oder her, alles hat Grenzen! Beleidigen lassen muss ich mich von ihm sicher nicht. Daher knalle ich den kleinen Becher mit ein wenig Salbe darin auf seinen Tisch, drehe mich auf dem Absatz herum und bedeute dem Wärter, dass ich hier fertig bin.

      »Wir sehen uns morgen um 14:00 Uhr zu ihrer ersten Sitzung, Herr Neumann«, entgegne ich lediglich. Daraufhin öffnet sich die schwere Tür zum Haftraum und ich schlüpfe mit dem Wärter hindurch.

      »Na, da bin ich ja mal gespannt«, ruft er mir noch hinterher, bevor der Beamte die schwere Tür mit der Verriegelung wieder schließt.

      Was für ein überhebliches Arschloch! Und für diesen Kerl habe ich bereits meine ersten, freiwilligen Überstunden gemacht. Super! Außerdem habe ich mich mit ziemlicher Sicherheit mit Herrn Wehrstein angelegt! So wie ich gehört habe, wusste er von diesen Foltermethoden. Vermutlich hat er diese Tortur für Herrn Neumann sogar angeordnet und ich habe diesem Häftling auch noch geholfen, habe es gut mit ihm gemeint. Das wird mir sicher nicht nochmal passieren! Du bist einfach zu gutmütig, denke ich mir und ärgere mich über mich selbst, dass ich überhaupt eingeschritten bin. Auch, wenn diese Maßnahmen definitiv nicht in Ordnung sind und niemand so etwas erleiden sollte.

      Wutschnaubend laufe ich zurück in mein Büro, hole meine Sachen und verlasse die JVA. Wenn dieser Arsch Krieg will, dann soll er ihn bekommen! Mein Abend ist jedoch gelaufen, das hat er zumindest geschafft!

      ***

      Am nächsten Morgen befällt mich eine nervöse Unruhe. Schon während ich das Gefängnis betrete, muss ich an den Termin heute Mittag denken. Natürlich habe ich vorher weitere Therapiesitzungen, doch vor der mit Herrn Neumann habe ich Angst. Ich kann nicht unbedingt sagen, dass er es ist, der mir ein ungutes Gefühl bereitet. Vielmehr fürchte ich mich vor mir selbst. Vor der Wirkung, die er auf mich hat und vor der Tatsache, wie verletzlich ich offenbar in seiner Gegenwart bin. Weshalb hat dieser Mann so eine Macht über mich?

      Ich hatte es in den letzten Jahren weiß Gott mit vielen Menschen zu tun, durch meinen Job bleibt das gar nicht aus. Auch musste ich schon mit Beleidigungen umgehen. Wer musste das schließlich noch nicht? Bisher habe ich es jedoch immer geschafft, dabei eine professionelle Herangehensweise beizubehalten. Bei ihm hingegen fällt es mir unglaublich schwer, sachlich zu bleiben.

      Sein stahlblauer Blick zeugt von Härte und Überzeugungskraft. Jeder sieht sofort, dass mit diesem Mann nicht zu spaßen ist! Trotzdem kann ich nicht glauben, dass er böse ist. Er wirkt dunkel, bedrohlich und geheimnisvoll auf mich, ja, aber nicht gewalttätig. Zumindest nicht mir gegenüber, denn ich habe das Zögern in seinen Augen gesehen, als er sich gestern Abend in seiner Zelle über mir aufgebaut hat. Er wollte mir nicht wehtun, mich lediglich auf andere Weise angreifen und verletzen, damit ich verschwinde! Und ich habe zugelassen, dass er mit seinem Verhalten Erfolg hatte.

      Ich bin so bescheuert! Man sollte eigentlich meinen, dass ich professioneller bin. Dass mir so ein Arsch nichts anhaben kann, trotzdem zieht er mich magisch an. Verdammt! Ich muss das abstellen. Irgendwie muss ich es schaffen, dass ich ihn auf Abstand halte, das wäre ohne Zweifel besser für uns beide. Und von einer Psychologin, die ich nun einmal bin, sollte man auch erwarten können, dass ich so jemanden in den Griff bekomme.

      Eigentlich …

      Vielleicht wäre es besser, wenn ich den Fall einfach abgebe und ihn gegen einen anderen Patienten tausche. Noch habe ich die Sitzungen mit ihm nicht begonnen. Auf der anderen Seite möchte ich mir diese Blöße nicht geben. Nachdem ich diesen Job gerade erst angefangen habe, kann ich nicht schon den ersten Häftling ablehnen, nur, weil ich damit nicht klarkomme, dass er es geschafft hat, mich zu kränken. Seufzend betrete ich mein Büro und schließe die Tür hinter mir. Einen Moment lang lehne ich mich mit dem Rücken dagegen und atme erst einmal tief durch, um mich zu sammeln. Anschließend gehe ich zu meinem Schreibtisch und fahre den Computer hoch. Geistesabwesend verstaue ich meine Handtasche und mache es mir bequem. Dann greife ich, einem Instinkt folgend, seine Akte.

      Als ich sie aufschlage, starren mir gleich wieder diese durchdringenden Augen entgegen. Sie fesseln mich, lassen mich einfach nicht mehr los. So sehr ich es auch versuche, ich kann mich diesem Anblick nicht entziehen. Als ich es letztendlich doch schaffe, sehe ich an der Uhrzeit, dass ich bereits eine halbe Stunde vertrödelt habe. Das ist doch nicht zu glauben, oder?

      So viele Gedanken sind durch meinen Kopf geschossen, ohne dass ich bemerkt habe, wie tief ich im Anblick dieser stahlblauen Augen versunken bin. Ich habe überhaupt nicht mitbekommen, wie die Zeit an mir vorbeigerast ist.

      Schnell blättere ich eine Seite weiter, dann noch eine und noch eine. Meine Finger gleiten durch die Akte, denn ich suche etwas, kann es jedoch nicht finden. Parallel schlage ich eine weitere Akte von einem anderen Patienten auf und entdecke dort sofort das gewünschte Papier. Schwarz auf weiß lese ich die Verurteilungsgründe und schließe die zweite Akte wieder. Noch einmal blättere ich die Seiten von Herrn Neumann durch, doch das gesuchte Schriftstück ist offensichtlich nicht vorhanden. Auch die Kurzinformation mit der Zusammenfassung über Herrn Neumann fehlt. Wie kann das denn sein?

      Vor allem geistern nun die nächsten Fragen durch meinen Kopf. Erstens: Wie zum Teufel soll ich mich denn auf eine Therapie mit diesem Patienten vorbereiten, wenn ich nicht einmal alle Fakten kenne und zweitens: Was genau hat er überhaupt getan, dass er einsitzt? Besonders der zweite Gedanke brennt mir unter den Nägeln.

      Ist es ein