BEHIND BARS. Marina Ocean

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Название BEHIND BARS
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186206



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fasse es nicht!«, ruft sie aus, während sich die Wachmänner bei mir an den Kettenhalterungen zu schaffen machen. Schmerzvoll stöhne ich auf, als sich die Fesseln an meinem Handgelenk bewegen und die Blutverkrustungen aufreißen, die sich in den letzten Stunden gebildet haben.

      »Hat der Mann eigentlich in den letzten zwei Tagen etwas zu essen oder zu trinken bekommen?«, will sie weiter wissen, doch eine Antwort erhält sie nicht.

      »Ihr seid verrückt! Mir fehlen die Worte … Ich meine, er hätte sterben können! Ist euch das überhaupt bewusst?«

      »Es wurde in regelmäßigen Abständen eine Lebendkontrolle durchgeführt und der Raum wird konstant überwacht. So schnell stirbt schon keiner!«

      »Das kann doch nicht Ihr Ernst sein?!« Die Fassungslosigkeit steht ihr ins Gesicht geschrieben und fast kaufe ich ihr ab, dass sie hiervon tatsächlich nichts wusste. Allerdings nur fast! Was bezweckt sie mit diesem Theater vor mir?

      Ich beobachte ihre Gestik und ihre Mimik, sinke dann jedoch schlagartig in mich zusammen, als die Ketten gelöst werden und meine Beine nachgeben. Sofort ist sie bei mir und kniet neben mir auf dem Boden.

      »Könnt ihr nicht aufpassen?«, blafft sie jetzt die Wärter an und wendet sich dann mir zu.

      »Haben Sie starke Schmerzen?«

      Ich kann nicht antworten, bin einfach zu schwach. Immer wieder fallen meine Lider zu und ich habe das Gefühl, als würden meine Augen Karussell fahren. Alles dreht sich und ich stütze mich leicht auf ihr ab. Vermutlich erdrücke ich sie gleich mit meinem Gewicht und sie ächzt auch bereits ein wenig, doch ich bin einfach nicht fähig, aufzustehen.

      »Bringt eine Trage oder ein Bett. Irgendetwas!«, weist sie an und sofort springen einige Männer durch die Tür, um ihrem Befehl Folge zu leisten.

      »Dieser Mann bekommt umgehend etwas Ordentliches zu essen und zu trinken«, bestimmt sie. »Außerdem darf er duschen, so lange er will.«

      »Aber, die Zeit zum Duschen ist strikt festgel…«

      »Ich sagte, so lange er will! Er ist komplett durchgefroren, Herrgott nochmal!«

      Wütend schnaubt sie und der Wachmann neben mir verstummt.

      »Anschließend soll ein Arzt kommen und sich das ansehen.«

      »Jawohl«, gibt der Wachmann von sich.

      »Keinen Arzt«, flüstere ich, weil ich immer noch nicht ganz Herr meiner Sinne und auch nicht meiner Stimme bin.

      »Wie bitte?«, fragt sie nun eine Spur versöhnlicher an mich gewandt.

      »Keinen! Arzt!«, sage ich ein wenig lauter und versuche dabei so entschlossen wie möglich zu klingen. Eher möchte ich auf der Stelle tot umfallen, als ein weiteres Mal einen dieser Halbgötter in Weiß an meine Haut zu lassen!

      Verwundert sieht sie mich an, doch dann nickt sie. »Okay«, bestätigt sie. »Keinen Arzt«, wiederholt sie etwas lauter. Erneut sieht sie mir durchdringend in die Augen und setzt dann nach. »Aber ich werde gleich noch einmal nach Ihnen sehen.«

      Wenig später sitze ich an einem Tisch. Der Raum um mich herum ist kahl und die nackten Betonwände scheinen mich zu verhöhnen. Genauso wie eben in dem Kettenraum, in dem ich ausgeharrt habe, nur mit dem Unterschied, dass es hier tatsächlich warm ist.

      Die Holzplatte, auf der ich meine Arme abgelegt habe, ist dreckig und verschmiert, doch ich nehme es kaum wahr. Mein Verstand hat sich abgeschaltet. Ich registriere lediglich das Nötigste. Mein Körper scheint nur noch auf Sparflamme zu laufen und ich zittere nach wie vor, daher ist es mir auch derzeit vollkommen egal, wo ich mich befinde oder was um mich herum passiert. Die Haut auf meinen Wangen glüht und dies ist das Einzige, was ich wirklich registriere. Ich frage mich, ob ich Fieber habe oder ob es sich nur so anfühlt, weil ich jetzt wieder im Warmen bin. Weit komme ich mit meinen Gedanken allerdings nicht.

      Die Tür schwingt auf und herein kommt eine rundlich, untersetze Frau mit Haarnetz und weißer Kochschürze. Sie trägt ein Tablett mit einem Teller darauf und läuft auf mich zu. Ihr Gesichtsausdruck ist grimmig und als sie mich mit einem spanischen Akzent anspricht, bin ich inzwischen so erschöpft, dass ich kurz meine Augen schließen muss.

      »Wegen dir musste ich Überstunden machen«, schimpft sie flüsternd. Ich höre, wie die Frau das Tablett vor mir auf den Tisch knallt, hebe meine schweren Lider wieder und betrachte mein Essen. Als wäre es eine Meisterleistung, einen Teller Erbsensuppe aufzuwärmen, spielt sie sich vor mir auf, während ich meinen Blick hebe und sie ansehe.

      »Ich hoffe, du erstickst daran, culo!«, flucht sie.

      »Fick dich!«, zische ich ihr ebenso leise zu und nehme dabei wahr, wie ihr Gesicht trotz des hispanischen Hauttons eine rötliche Farbe annimmt. Verärgert spießt sie mich regelrecht mit ihrem Blick auf und spuckt dann ohne Vorwarnung in Richtung meines Abendessens.

      Ich kann von Glück sagen, dass meine Hand im Weg lag und ihr Speichel daher lediglich meinen Handrücken getroffen hat, statt den Teller. Am liebsten würde ich aufstehen und sie mir vornehmen. Es würde mich nämlich nicht wundern, wenn sie auch vorher schon einmal in die Suppe gespuckt hat. Doch ich bin zu schwach, um jetzt den Aufstand zu proben. Und nach zwei Tagen ohne Essen, sieht selbst dieses unappetitliche Gericht richtig verlockend aus. Der duftende Essensgeruch lässt mir das Wasser im Mund zusammenlaufen, demzufolge ignoriere ich ihre Schimpftirade, die nun folgt und greife zur Serviette, um meine Hand zu säubern. Anschließend bewegen sich meine Finger zitternd zum Löffel und nehmen ihn auf. Ein Wachmann pfeift sie währenddessen zurück und befiehlt ihr, sich aus dem Raum zu entfernen. Er folgt ihr ebenso, schließt die Tür ab und lässt mich allein zurück.

      In meinem Kopf dreht sich alles. Massig viele Gedanken rasen durch meine Gehirnwindungen. Wie tief bin ich eigentlich gesunken? Wie lange habe ich noch vor, mich zu belügen und mir einzureden, dass ich hier unbeschadet einfach wieder rausspazieren kann, sobald meine Haft abgesessen ist? Ich betrüge mich selbst, denn ich bin schon lange nicht mehr der, der ich einmal war! Der nette Junge von nebenan, der hilfsbereit zur Seite steht, wenn jemand in Nöten ist … Das war einmal. Der Knast hat mich zu einem anderen Menschen gemacht, hat mich hart und kalt werden lassen, denn hier drin gibt es kein Miteinander und erst recht kein Mitgefühl. Für niemanden!

      Einen Löffel nach dem anderen schiebe ich mir in den Mund. Das heißt, ich versuche es, denn durch das Zittern meiner Hand landet wieder mehr Suppe im Teller als auf meiner Zunge. Trotzdem spüre ich, wie mich die wenigen Portionen von innen her zu wärmen beginnen. Immer wieder muss ich innehalten, um für die nächste Bewegung Kraft zu tanken, bevor ich sie ausführen kann. Es dauert mehrere Minuten, bis ich vier Löffel gegessen habe, doch dann ziehe ich genussvoll die wohltuende Hitze aus den wenigen Schlucken heraus und spüre, wie mein Körper langsam ruhiger wird, wie meine Muskeln sich entkrampfen und das Zittern sich abschwächt. Ich bin so dermaßen im Arsch! Noch nie in meinem Leben bin ich so kraftlos gewesen wie jetzt. Am liebsten würde ich den Kopf einfach auf den Teller sinken lassen und sterben. Es ist unfassbar, wie leicht ein Körper geschwächt werden kann. Diese verdammten Dreckschweine! Nein, selbst dieses Wort ist noch zu harmlos für diese Berserker! Sobald ich rauskomme, mache ich sie fertig! Alle! Das schwöre ich mir.

      Nachdem ich die Suppe gegessen habe, wofür ich gefühlte zwei Stunden gebraucht habe, kehrt langsam die Kraft in meine Gliedmaßen zurück. Trotzdem möchte ich einfach nur noch pennen. Die Vorfreude auf meine weiche Matratze lässt mich beinahe besinnungslos werden. Doch noch ist es nicht so weit.

      »Neumann? Duschen!«, werde ich aufgefordert und erhebe mich langsam und schwerfällig von meinem Stuhl.

      »Geht das auch schneller?«, blafft mich der Wärter an. Dabei sehe ich ihn angriffslustig an, erdolche ihn förmlich mit meinem Blick und versuche mir, sein Gesicht einzuprägen. Ich bin allerdings klug genug, das hier nicht eskalieren zu lassen und ziehe es vor, seinen verbalen Angriff in meinem momentanen Zustand zu ignorieren. Sicherlich könnte ich es derzeit sowieso nicht mit ihm aufnehmen, das weiß er verdammt gut und ich ebenso. Also halte ich meinen Mund und lasse mich von ihm zu den Duschräumen schubsen.

      Diese