BEHIND BARS. Marina Ocean

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Название BEHIND BARS
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186206



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Er muss Schmerzen haben, denke ich, doch der Gedanke verschwindet sofort im Nirwana, als das Shirt nun über seine Arme nach unten rutscht und über den Handschellen hängen bleibt.

      »Oh. Mein. Gott!«

      Als mir klar wird, dass ich das laut gesagt habe, weicht mir sämtliche Farbe aus dem Gesicht. Diese Muskeln! Sofort wird mir jedoch bewusst, dass er das durchaus genauso auf die diversen Hämatome beziehen kann, die sich über seine Haut erstrecken. Wie auch immer! Ich werde das sicher nicht richtigstellen!

      Der Anblick seines gestählten Oberkörpers verursacht allerdings trotz der vielen Verletzungen umgehend tausende Schmetterlinge in meinem Bauch, die wild umherflattern. Ich beobachte, wie sich seine Schultermuskeln anspannen, die Brustmuskeln kurz zucken und sich eine zarte Wellenbewegung bei dieser Aktion über seine Bauchmuskeln bewegt. Zuvor, als er noch angezogen war, hatte ich schon vermuten dürfen, dass sein Körperbau nicht von schlechten Eltern ist, denn diese Form, das deutliche V, war auch durch den Stoff hindurch bereits gut zu erkennen gewesen. Damit allerdings, dass seine Muskeln so ausgeprägt sind, habe ich bestimmt nicht gerechnet! Mit Sicherheit trainiert dieser Mann täglich und ich vermute, dass ihn diese lächerlichen Handschellen nicht aufhalten würden etwas anzustellen, wenn er es wollte. Ich kann an ihm kein Gramm Fett erkennen, nur einen stahlharten Körperbau. Er ist keiner dieser Kühlschränke, die quer nicht mehr durch den Türrahmen passen würden, aber man sieht ihm an, dass er vor Kraft nur so strotzt.

      Breitbeinig steht er vor mir, die Hose sitzt tief auf seinen Hüften, was meine Blicke sofort in Regionen landen lässt, in denen sie derzeit sicher nichts zu suchen haben!

      Kurz schließe ich die Augen, versuche mich am Riemen zu reißen und das Prickeln zu ignorieren, dass sich in mir gerade südwärts schleicht, dann öffne ich sie wieder und trete nochmal einen Schritt auf ihn zu.

      Einen blauen Fleck nach dem anderen begutachte ich, laufe langsam um ihn herum und sehe mir auch seinen Rücken an, wobei sein Blick mir abwartend ein Stück folgt. Hier findet sich genau das gleiche Spiel auf seiner Haut und ich muss erneut hart schlucken. Was haben sie ihm nur angetan? Gestern, in der Dunkelheit, habe ich definitiv nicht das ganze Ausmaß seiner Verletzungen gesehen!

      Ich greife zu meinem Handy, mache Nah- und Großaufnahmen von ihm. Sowohl von seiner Rück-, als auch von der Vorderseite. Alles dokumentiere ich. Dabei sage ich kein Wort, denn ich bin einfach nur sprachlos über diese Brutalität, die ihm zuteilwurde. Es tut mir in der Seele weh und am liebsten würde ich ihn berühren, meine Hände tröstend und liebevoll über ihn gleiten lassen. Ich möchte ihm die Erinnerung und den Schmerz nehmen, doch erstens kann ich das nicht und zweitens steht es mir nicht zu, ihn auf diese Art und Weise anzufassen.

      Doch eine Sache fällt mir noch ins Auge. Jetzt habe ich die Möglichkeit, ihn genau zu begutachten, also gleitet mein Blick natürlich auch auf seine Tattoos, die ich in der dunklen Kammer vorher kaum gesehen hatte. Fasziniert betrachte ich die schwarzen Linien auf seinem Arm und seiner Brust. Manche davon sind echt gut gestochen, andere wiederum sehen sehr wackelig aus und sind teilweise sogar vernarbt. Vermutlich sind es Knast-Tattoos. Wenn ich darüber nachdenke, unter welchen hygienischen Bedingungen die gestochen worden sein müssen, wird mir schlecht. Trotzdem würde ich zu gerne wissen, welche Bedeutungen sie alle für ihn haben, aber ich traue mich nicht zu fragen. Da ich ihn allerdings nicht die ganze Zeit anstarren will, muss das für meine Neugierde genügen und ich wende mich ab.

      »Ok. Danke!«, sage ich daher lediglich, greife nach seinem Shirt, schiebe es seine Arme wieder hinauf und streife es ihm über den Kopf, wobei er ein wenig in die Knie geht, um es mir leichter zu machen. Anschließend rolle ich den Stoff an seinem Körper nach unten und ziehe ihn wieder an, wodurch meine Finger hier und dort über seine Haut gleiten und dabei erneut heiße Blitze durch mich hindurchjagen. Diesmal lasse ich es mir bestimmt nicht anmerken. Und auch wenn ich versuche, die Situation so lange wie möglich hinauszuzögern, um diese ein klein wenig länger genießen zu dürfen, muss ich mich schlussendlich von ihm lösen, bevor es peinlich wird.

      Ich laufe zurück zu meinem Stuhl, spüre, dass er mich dabei nicht aus den Augen lässt und erst, als ich mich setze, nimmt er ebenfalls wieder Platz.

      »Ich bin schockiert!«, gestehe ich ihm, ohne ihn anzusehen. Mir fehlen einfach die Worte und ich habe keine Ahnung, was ich sonst sagen könnte.

      »Das sieht man«, teilt er mir auch ohne Umschweife mit.

      Daraufhin sehe ich ihm in seine Augen, nehme diesen stechenden Blick in mir auf und blinzele dann ein paar Mal, um wieder zu Sinnen zu kommen. Diese Augen haben eine absolut hypnotische Wirkung auf mich, stelle ich fest, doch mir ist genauso klar, dass ich dem keinen Raum geben darf.

      »Ich werde Ihnen noch eine weitere Salbe gegen die Hämatome besorgen.« Doch er schnaubt nur. »Sparen Sie sich das und verwenden Sie ihre Zeit lieber für etwas Sinnvolles.«

      Er ist wieder genauso kalt wie vorher und das kurze Zeitfenster, in dem er mich ein wenig an sich herangelassen hat, ist verflogen. Trotzdem versuche ich noch einmal, einen Zugang zu ihm zu finden und notiere mir dabei, dass ich ihm die Salbe auf jeden Fall besorgen werde.

      »Erzählen Sie mir von sich. Warum sind Sie Ihrer Meinung nach hier?«

      »Beantworten Sie mir zuerst eine Sache: Was bitte macht eine Adelige im Knast? Weiß ihre Familie davon?« Seine Fragen erstaunen mich, doch ich spüre nur allzu deutlich, dass er das Thema nur anschneidet, um von sich abzulenken. Er macht erneut dicht. Innerhalb von Sekunden ist die Stimmung umgeschwenkt und sein Tonfall ist wieder genauso schneidend wie vorher. Kurz überlege ich, ob ich ihm seine Fragen beantworten soll, entscheide mich jedoch dagegen, weil es für die Therapie nicht relevant ist. Und schließlich muss ich meine Privatsphäre schützen, denn bei Straftätern weiß man definitiv nie. So hart es auch ist, aber ich muss ihn zurückweisen, weil ich keine Ahnung habe, weshalb er das von mir wissen will.

      »Ich wüsste nicht, was Sie das angeht«, erwidere ich daher bestimmt, nichtsdestotrotz nach wie vor freundlich.

      »Ahhhh, jetzt kommen wir der Sache näher. Einfältig sind Sie gar nicht, oder? Ist Ihnen bewusst, dass Sie mir absolut nichts über sich erzählen, aber von mir Informationen fordern?«

      »Ja, denn das tut schließlich nichts zur Sache und außerdem verbitte ich mir solche Äußerungen!«

      »Schon klar! Wenn Sie mir jedoch nichts über sich erzählen, weshalb glauben Sie dann, dass ich Ihnen etwas über mich erzählen werde?«

      Nun ja, im Grunde genommen hat er Recht. Zumindest, wenn das hier ein normales Gespräch wäre, wäre es ein Zeichen der Höflichkeit, dass ich mich ihm ebenfalls öffne. Ist es jedoch nicht. Trotzdem muss ich sagen, dass er mich ein wenig zum Nachdenken bringt.

      »Weil Sie hier sind, um eine deliktorientierte Psychotherapie zu machen«, erkläre ich, wohlwissend, dass ich natürlich versuche, mich mit fachlichen Ausdrücken und aktuellen Gegebenheiten herauszureden. »Es tut doch nicht weh, wenn wir uns ein wenig unterhalten. Immerhin haben Sie dann die Aussicht auf eine vorzeitige Haftentlassung.« Doch insgeheim muss ich ihm Recht geben. Ich kann mir vorstellen, dass es mit Sicherheit nicht schön ist, ständig reduziert zu werden. Das hier sind erwachsene Menschen und sie werden bevormundet wie Kinder.

      »Und wenn euch meine Antworten nicht passen, buchtet ihr mich einfach noch ein wenig länger ein, stimmt‘s? Nein, danke! Ich ziehe es vor, meine normale Haftstrafe abzusitzen.«

      »Das ist so nicht ganz richtig.« Sicher, eine Therapie ist normalerweise freiwillig. In seinem Fall besteht Wehrstein jedoch darauf. Und wie ich lernen durfte, ist seiner Anweisung unbedingt Folge zu leisten, was ich nun irgendwie begründen muss. »Bei Ihnen steht eine anschließende Sicherungsverwahrung durchaus zur Diskussion, weil Sie sich bisher in Haft wenig kooperativ gezeigt haben. Aus Ihrer Akte geht hervor, dass Sie einen anderen Häftling schwer verletzt haben, sodass dieser mehrere Tage um sein Leben gekämpft hat und anschließend monatelange Reha-Maßnahmen erhalten musste.« Zumindest habe ich wenigstens diesen Vermerk in der Akte gefunden. Das und die achtjährige Haftstrafe lassen darauf schließen, dass er alles andere als harmlos ist. Auch eine so hohe Freiheitsstrafe zeugt davon, dass es sicher kein kleines Delikt gewesen sein kann, das er sich zu Schulden hat kommen lassen. Vor mir sitzt