BEHIND BARS. Marina Ocean

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Название BEHIND BARS
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186206



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worden? Wer aber könnte daran ein Interesse haben, dass diese Information nicht in der Akte zu finden ist? Das wäre recht unüblich und darüber hinaus total absurd. Es muss ein Versehen sein, dass sich das Schriftstück nicht mehr in der Akte befindet, anders kann ich mir das nicht erklären. Sicher hat jemand das Urteil gebraucht und einfach nur vergessen, es wieder einzuheften.

      Auf der anderen Seite wäre es nicht das Erste, was hier in diesem Hause komisch ist. Und über die Maßnahme, die man ihm angetan hat, gibt es schließlich auch keinen Vermerk.

      Ich schlage die Akte wieder zu und studiere den Umschlag. Offensichtlich sollte Herr Neumann von Herrn Wehrstein persönlich betreut werden, denn außen ist sein Name als betreuender Psychologe angegeben. Bisher war ich der Meinung, dass Herr Wehrstein nur den Posten der Anstaltsleitung innehätte. Mir war ehrlich gesagt nicht klar, dass er ebenfalls psychologisch tätig ist. Doch dann fällt mir wieder ein, dass er bei Zweitmeinungen zugegen sein wollte. So ganz kann ich daher noch nicht einschätzen, was damit sein genaues Tätigkeitsfeld ist. Ob er ebenfalls Psychologie studiert hat?

      Da die Akte nun aber bei mir liegt, werde ich diesen Umstand mit dem Betreuungsnamen sofort ändern. Als nächstes führt mich mein Weg allerdings zu Wehrstein ins Büro, denn ich habe vor, mir die benötigten Informationen zu besorgen.

      Entschlossen stehe ich auf und verlasse mein Zimmer, laufe hinüber zu der Tür, die gar nicht weit von meiner entfernt ist und klopfe an. Sein inzwischen bekanntes »Herein!« schlägt mir entgegen und ich weiß, dass ich diesen barschen Tonfall bereits jetzt zu hassen beginne. Natürlich lasse ich mir das nicht anmerken, wirklich wohl fühle ich mich in der Gegenwart meines Chefs jedoch nicht.

      »Frau von Ahrensburg, gut, dass Sie da sind! Was fällt Ihnen eigentlich ein, eine Anweisung von mir aufzuheben?« Seine aggressive Art geht mir sofort durch und durch und selbstverständlich fällt mir nun siedend heiß ein, dass ich ja bereits befürchtet hatte, mir Ärger eingehandelt zu haben. Da ich Herrn Neumann aus den Ketten und diesem frostigen Gewölbe befreit habe, konnte ich mir längst denken, dass dies ein Nachspiel haben würde.

      »Bitte? Ich verstehe nicht …«, gebe ich mich ahnungslos und mache ihn offensichtlich damit noch wütender, während ich mich ungefragt auf einen der Stühle vor seinem Schreibtisch setze. Ganz im Gegensatz zu diesem einen Patienten von mir, fällt es mir in der Nähe meines Chefs nicht schwer, die Contenance zu wahren.

      »Sie verstehen nicht? Dann will ich Ihnen mal auf die Sprünge helfen! Sie haben Herrn Neumann gegen meine strikte Anweisung befreien lassen.«

      »Bei aller Liebe, Herr Wehrstein. Wir leben im 21. Jahrhundert. Foltermethoden gehören ins Mittelalter, jedoch nicht in die Neuzeit! Und in eine staatliche Einrichtung schon erst recht nicht!«

      »Welche Methoden hier Anwendung finden, das entscheide immer noch ich!«

      »Das kann doch wohl nicht Ihr Ernst sein!?«

      »Und ob es das ist!«

      »Das ist ein Mensch aus Fleisch und Blut. Haben Sie denn keine Skrupel, mit solchen Methoden aufzuwarten?«

      »Das sind Monster! Glauben Sie mir, ihre Opfer haben weitaus mehr gelitten, als es diese Straftäter bei uns jemals tun werden.«

      »Es steht Ihnen nicht zu, darüber zu urteilen oder solch entwürdigende Strafen zu vollziehen. Dafür gibt es Gerichte und ich bin sicher, dass ein Richter ihre Ansichten definitiv weder teilen würde noch mit der Anwendung solcher Sachen einverstanden wäre.«

      »Wenn ich Ihnen einen guten Rat geben darf, dann kümmern Sie sich zukünftig ausschließlich um Ihren Aufgabenbereich und überlassen den Rest mir.«

      »Herr Neumann gehört zu meinem Aufgabenbereich!«

      »Das sagt wer?«

      »Seine Akte lag bei den Unterlagen, die Sie mir haben hinlegen lassen. Daher darf ich wohl davon ausgehen, dass ich auch für ihn zuständig bin. Im Übrigen stand über diese zweifelhaften Methoden«, ich stocke kurz und verziehe angewidert den Mund, »nichts in der Akte. Können Sie mir das bitte erklären?«

      »Solche Aufzeichnungen verwahren wir gesondert.« Ja, so etwas hatte ich mir bereits gedacht.

      »Und es muss dann wohl ein Versehen gewesen sein, dass die Akte bei Ihnen gelandet ist. Herr Neumann wird von mir persönlich betreut.«

      »Ich habe gleich die erste Sitzung mit ihm, der Termin steht. Es tut mir leid, aber Herr Neumann ist und bleibt damit fortan in meinem Zuständigkeitsbereich. Das darf ich wohl erwarten, schließlich kostet es mich auch Zeit, mich in die Fälle einzuarbeiten.«

      Einen Moment schaut er mich durchdringend an, greift sich ans Kinn und reibt seine Finger darüber. Man sieht ihm an, dass er alle Möglichkeiten abwägt, bevor er mir antwortet.

      »In Ordnung, er bleibt bei Ihnen. Vorerst zumindest. Jedoch darf ich Sie darauf hinweisen, dass Herr Neumann kein einfacher Häftling ist. Er braucht eine harte Führung und so lange ich nicht weiß, ob Sie der Sache gewachsen sind, bleibt diese Entscheidung unter Vorbehalt.«

      Seine Aussage ärgert mich maßlos, doch auszuflippen würde meinen Standpunkt sicher nicht verbessern. Somit besinne ich mich und halte dazu einfach den Mund. Ich werde ihm schon beweisen, dass ich der Sache mit Herrn Neumann durchaus gewachsen bin. »Weiter ist mein Wort hier Gesetz, merken Sie sich das! Und Ihre Widerworte werde ich zukünftig nicht mehr dulden. Sollte es also noch einmal vorkommen, dass Sie gegen mich arbeiten, sind Sie Ihren Job schneller wieder los, als Sie schauen können! Ich hoffe, ich habe mich klar genug ausgedrückt?«

      »Sicher! Ich habe nicht vor, mich Ihren Anweisungen zu widersetzen, doch diese Methoden kann ich nicht tolerieren. Und ich sage Ihnen ebenfalls: Sollten Sie noch einmal Hand an einen meiner Patienten legen, zeige ich Sie an!« Fest blicke ich ihm entgegen und mache deutlich, dass auch mit mir nicht zu spaßen ist. Das ist illegal, was er hier tut und er weiß das ganz genau. Sollte hiervon etwas nach außen dringen, ist er ebenso seinen Job los. Er versucht zwar, mich klein zu halten und mich in dem Glauben zu lassen, dass er mir überlegen ist, doch das ist definitiv nicht der Fall. Ich habe eine einflussreiche Familie und den geschädigten Neumann als Zeugen, auch wenn ich mir nicht sicher bin, dass er hierzu auspacken würde. Dennoch gibt es Beweise! Diese muss ich mir nur noch aneignen, daher lasse ich nicht zu, dass Herr Wehrstein mir droht. Ich sollte unbedingt Fotos von Neumann machen, so lange die Wunden sichtbar sind, überlege ich jetzt.

      Mit diesen Worten erhebe ich mich vom Stuhl und gehe zurück zur Tür. Ich weiß selbst nicht, woher ich auf einmal dieses Selbstbewusstsein nehme, doch Wehrstein scheint es offensichtlich schwer beeindruckt zu haben. Denn jetzt starrt er mir grimmig hinterher, als ich mich nochmal umdrehe. Unnötig zu erwähnen, dass es mir eine Genugtuung ist, ihn dermaßen in die Schranken verwiesen zu haben, denn Sympathien hege ich für diesen Mann nicht.

      Während ich nach der Türklinke greife, fällt mir ein, dass ich eigentlich wegen einem ganz anderen Thema in sein Büro gekommen bin.

      »Ach, haben Sie zufällig eine Ahnung, wo die Verurteilungsunterlagen von Herrn Neumann sind? Diese fehlen nämlich in seiner Akte.«

      Daraufhin nimmt das Gesicht von Herrn Wehrstein eine dunkelrote Farbe an und er geht in die Offensive.

      »Sagen Sie nicht, Sie haben diese Unterlagen verschlampt!? Ich habe Ihnen nur vollständige Akten zukommen lassen.«

      Er beschuldigt mich allen Ernstes, dass ich diejenige gewesen sein soll, die dieses Dokument entfernt hat?

      »Stopp! Ich verbitte mir solche Äußerungen! Wenn ich Ihnen sage, dass das Schriftstück nicht in der Akte war, als ich sie erhalten habe, dann war das auch so. Ich wollte Sie lediglich bitten, in Ihren Unterlagen nachzusehen, ob das Urteil eventuell noch bei Ihnen liegt.«

      »Bei mir ist es definitiv nicht mehr! Die Akte muss vollständig gewesen sein.«

      »Können Sie mir dann vielleicht sagen, weshalb Herr Neumann hier ist?«

      »Frau von Ahrensburg, ich kenne sicherlich nicht alle Akten auswendig. Dann rufen Sie eben bei Gericht an und lassen sich eine Abschrift schicken.«

      Ich nicke lediglich, weil ich ehrlich gesagt keine