BEHIND BARS. Marina Ocean

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Название BEHIND BARS
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186206



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keine Therapie mehr möglich. Also lege ich Ihnen dringend nahe, mitzuarbeiten. Es ist wirklich zu Ihrem Besten!«

      »Falsch, Mäuschen! Das ist es nicht. Ich weiß sehr genau, was ich tue. Und ihr habt nichts gegen mich in der Hand. Für was bitte wollt ihr mich denn noch länger hierbehalten? Nur weil ich mich bei den anderen nicht in die Gemeinschaft einfüge? Lächerlich! Und der Wichser war selbst dran schuld. Hätte ich mich nicht gewehrt, wäre ich derjenige gewesen, den man hätte vom Boden kratzen müssen. Einen Scheiß werde ich also tun! Ihr glaubt, ihr könntet mich dazu zwingen, diese Therapie zu machen. Aber wisst ihr was? Schiebt euch euer Psychogelaber sonst wo hin! Was nach den acht Jahren passiert, darauf lasse ich es gerne ankommen.«

      Ich blinzele irritiert. Auch wenn er sich vor mir aufbäumt, muss ich gestehen, dass mich seine Art schon wieder verwirrt. Noch nie hat jemand so mit mir gesprochen. Und trotzdem ziehen mich diese Augen nach wie vor magisch an, die nun erneut aggressiv meinen Blick halten. Einen Moment zögere ich, denn ich weiß nicht, ob es schlau ist, was ich jetzt tue. Und trotzdem spüre ich, wie sich bereits meine Lippen öffnen und ich die ersten Sätze von mir gebe. Denn irgendwas sagt mir, dass es genau das ist, was er jetzt braucht.

      »Sie haben Recht. Ich komme aus gutem Hause, doch das war nie ein Grund für mich, mich auf meinem Familiennamen auszuruhen. Ganz im Gegenteil. Sie sind hier eingesperrt. Nun, Sie können mir eins glauben: Ich weiß sehr wohl, wie sich das anfühlt.«

      Perplex sieht er mich an, dann entspannt er sich und sinkt in seinem Stuhl zurück, folglich fahre ich fort. »Ich wollte Psychologin werden, weil es mir schon immer ein Anliegen war, Menschen zu helfen. So bin ich erzogen worden. Wer viel hat, hat die Pflicht, etwas davon abzugeben. Doch anders als meine Eltern, wollte ich nicht einfach nur Geld geben. Etwas zu spenden und mich dann nicht weiter dafür zu interessieren, ist nicht meine Art. Ich könnte niemals zur Tagesordnung zurückkehren, wenn ich nicht wüsste, ob meine Hilfe ankommt. Daher habe ich mich für einen anderen Weg entschieden. Ich möchte selbst helfen und den Menschen in die Augen blicken, denen ich helfe. Ich möchte wissen, ob meine Bemühungen von Erfolg gekrönt sind. Und ja, es ist mir wichtig, meiner Familie ebenso zu beweisen, dass ich das kann. Dass ich nicht auf sie angewiesen, sondern in der Lage bin, für mich selbst zu sorgen. Das sind meine Beweggründe und ich kann Ihnen versichern, dass ich für meine Patienten, und damit auch für Sie, da sein werde! Was immer ich für Sie tun kann, ich werde es tun.«

      Eine Weile sagt er nichts, sieht mich einfach nur an und zum ersten Mal spüre ich, wie ich seinem Blick mit Ruhe begegne. Es tut gut, etwas auszusprechen, was ich sonst mit mir selbst ausmachen muss und irgendwie habe ich fast das Gefühl, dass diese stahlblauen Augen geradewegs in meine Seele schauen. Ist so etwas überhaupt möglich? Vollkommen abgelenkt, hänge ich meinen Gedanken nach, weil ich überlege, ob ich vielleicht ebenfalls öfter über persönliche Dinge sprechen sollte. Nicht hier, aber eventuell wäre es doch an der Zeit für mich, ein paar Sachen aufzuarbeiten. Während ich ihn weiter ansehe, rechne ich schon gar nicht mehr damit, eine Antwort zu erhalten, doch dann fängt er ebenfalls an zu sprechen.

      »Ich habe jemanden umgebracht und ich bereue nichts!«, sagt er plötzlich, was mich hart schlucken lässt. Mord? Er ist ein Mörder? »Und weshalb bereuen Sie das nicht?« »Sagen Sie: Warum habe ich das Gefühl, dass das eine vollkommen neue Information für Sie ist? Haben Sie sich etwa nicht auf dieses Gespräch vorbereitet? Machen Psycho-Doktoren sowas nicht normalerweise?« Er beobachtet mich genau, keine Regung entgeht seinem Adlerblick und ich krame hektisch nach einer Antwort in meinem Kopf. »Ich mache mir gerne erst einmal selbst ein Bild, bevor ich alle Fakten recherchiere«, flunkere ich, weil mir die Informationen bisher ja noch nicht vorliegen. »Dann lesen Sie es nach. Steht alles in dieser Akte da.« Fahrig deutet er auf meinen Schreibtisch, dann steht er auf, klopft an die Tür und wartet darauf, dass diese geöffnet wird. Der Beamte, der ihn auch hergebracht hat, tritt ein und blickt zwischen ihm und mir hin und her.

      »Ariella«, spricht Neumann meinen Vornamen aus und nickt, dann lässt er sich von dem Beamten abführen und ich bleibe sprachlos zurück.

      Auch wenn es nicht viel war, was er preisgegeben hat, habe ich trotzdem das Gefühl, dass wir heute ein ganzes Stück weitergekommen sind. Und dass er mich zum Schluss mit Vornamen angesprochen hat, bestätigt meine Annahme nur noch. Er hat ihn sich tatsächlich gemerkt! Trotzdem fehlen mir die Worte, denn er scheint gefährlicher zu sein, als ich das zuerst angenommen hatte. Vielleicht ist es genau das, was mich jetzt so verwirrt. Bis auf seine Aggression wirkt er ganz normal. Man kann den Leuten nun einmal nicht in den Kopf schauen und vor denen, die am unscheinbarsten wirken, sollte man sich bekanntlich am meisten in Acht nehmen!

      Kapitel 7

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       Raph

      Was ich von dieser Frau halten soll, weiß ich beim besten Willen nicht. Es ist nicht schwer zu erkennen, dass sie versucht, einen Draht zu mir zu finden. Klar, als Psychologin ist das ihr verdammter Job! Aber da ist sie bei mir an der falschen Adresse. Ich werde sie nicht in meinen Kopf schauen lassen. Meine Gedanken gehören mir, mir allein!

      Eigentlich könnte sie sich die Mühe auch sparen und das habe ich ihr wohl auch deutlich zu verstehen gegeben. Trotzdem lässt sie sich irgendwie nicht abweisen. Sie hat sich an mir festgebissen, da haben auch meine Anfeindungen nichts gebracht. Vielleicht muss ich dahingehend noch deutlicher werden, damit sie sich von mir abwendet und mich endlich in Ruhe lässt. Normalerweise widerstrebt es mir, irgendwelche Frauen mit Kraftausdrücken zu titulieren, aber wenn es nicht anders geht?!

      Sehr wohl habe ich gesehen, dass meine Worte etwas mit ihr gemacht haben. Ich verletze sie und das ist auch gut so. Es ist genau das, was ich bezwecke, trotzdem lässt sie sich nicht abschütteln. Mal sehen, wie deutlich ich da noch werden muss. Denn wenn ich es schon nicht schaffe, diese Therapie zu verhindern, dann kann ich eventuell erreichen, dass sie es von sich aus aufgeben.

      Was mich jedoch stutzig werden lässt, war ihre Reaktion beim Fotografieren meiner Verletzungen. Sie hatte sich richtig erschreckt, als sie mich versehentlich berührt hat. Warum ist das so? Hat sie solche Angst vor mir? Auch ihr Blick, als ich mein T-Shirt ausgezogen habe, ist mir nicht entgangen. War sie wirklich so schockiert über die blauen Flecken und offenen Schürfwunden? Vielleicht habe ich da möglicherweise noch etwas anderes in ihren Augen gesehen. Bilde ich mir das nur ein, oder habe ich tatsächlich eine Wirkung auf sie, die sie nicht kalt zu lassen scheint? Ich sollte das auf jeden Fall einmal beobachten, denn eventuell hilft mir das, mir dieses Mäuschen vom Hals zu halten.

      Der Wärter führt mich zurück zu meinem Arbeitsplatz. Nicht mehr lange und ich habe Feierabend. Immerhin werden mir diese verkackten Sitzungen auf meine Arbeitszeit angerechnet. Wäre ja auch noch schöner, wenn sie mich einerseits dazu zwingen, obwohl ich das gar nicht will und ich die Zeit andererseits dann nacharbeiten müsste.

      Missmutig lasse ich mich durchsuchen. Danach führen sie mich in die Wäscherei, wo ich mich der Dreckwäsche zuwende und damit beginne, sie wieder einmal nach Farben zu sortieren. Tag ein, Tag aus, derselbe Mist. Anschließend befülle ich mehrere Maschinen. Diesmal jedoch nur noch mit Kurzwäsche. Der Rest muss bis morgen warten, denn ich habe nicht vor, heute Überstunden zu machen. Ganz im Gegenteil. Was freue ich mich gleich aufs Training. Mein Aggressionsabbau ist an diesem Tag wirklich dringender nötig als sonst!

      ***

      Seit etwa fünfzehn Minuten drücke ich nun schon die Hantelbank und fühle mich trotzdem noch nicht ausgepowert. Auch wenn meine Haut an den offenen Stellen schmerzt und ich meinen Oberkörper kaum bewegen kann, ignoriere ich diese Empfindungen und schone mich nicht. Zur Vorsorge habe ich doch etwas von der Salbe aufgetragen, die mir das Therapiepüppchen gegeben hat und mir dann von einem der Wärter einen notdürftigen Verband anlegen lassen. Nicht weil ich möchte, dass die Wunden schneller abheilen, sondern, weil das Fett in der Creme meine Haut elastischer macht. Ich kann beim Training schlicht und einfach keine blutenden Handgelenke gebrauchen, nur, weil die Haut an den Stellen wieder einmal aufreißt. Ist mir kurz vor Feierabend bereits