BEHIND BARS. Marina Ocean

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Название BEHIND BARS
Автор произведения Marina Ocean
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783754186206



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weitere halbe Stunde trainiere ich, bis meine Muskeln endlich zu brennen und anschließend zu zittern beginnen. Ein untrügliches Zeichen, dass es jetzt genug ist. Ich bin nach den Strapazen in dieser Kammer heute wohl doch einfach noch nicht in Form und muss einsehen, dass mein Körper immer noch ziemlich geschwächt ist. Mit letzter Kraft vollende ich den begonnenen Satz beim Bankdrücken und richte mich dann auf, verschnaufe einen kurzen Moment. Geistesabwesend wische ich mir den Schweiß von der Stirn und hänge meinen Gedanken nach. Als ich auf die Uhr sehe, ist es kurz vor fünf. Der Schichtwechsel steht an. Nicht gut! Ich bin heute etwas früher als sonst zum Training gekommen, weshalb ich mich nun merklich verspanne. Denn in wenigen Augenblicken wird hier drin kein Wachposten mehr zugegen sein, zumindest für ein paar Minuten. Nur draußen sind noch zwei Männer postiert, die die Stellung halten. Das wissen natürlich auch alle anderen, denn beinahe jeder im Raum blickt inzwischen nervös zur Uhr hinüber.

      In wenigen Minuten wird etwas passieren, jeden Tag liegt diese angespannte Stimmung von Neuem in der Luft. Ob es diesmal eine Schlägerei sein wird oder nur ein Drogenverkauf, weiß vorher niemand. Oft passiert sogar beides. Das ist auch der Grund, weswegen ich es in der Regel vermeide, mich zu dieser Uhrzeit im Gym aufzuhalten.

      Dass die es aber auch nicht kapieren! Sind die hier in der Anstalt tatsächlich so dumm oder wollen sie aus den Vorfällen nicht lernen? Den Mist nicht sehen, der jeden Tag wieder passiert? Dafür sind sie beim Filzen der Zellen umso gründlicher!

      Lauernd scanne ich meine Umgebung und inspiziere sämtliche Störquellen, die für eine Auseinandersetzung in Betracht kommen. Allein fünf Personen zähle ich, die ständig Ärger machen, also bewege ich mich in die entgegengesetzte Ecke. So weit weg von ihnen wie nur möglich, denn ich habe keine Lust, gleich mitten im Gerangel zu stehen. Erstens befinden sich noch genügend Wunden an meinem Körper und zweitens habe ich auf den nächsten Eintrag in meiner Akte keinen Bock.

      Zwei Minuten vor fünf geht es los. Der Wachmann verlässt das Gym und ich mache es mir auf einem Hocker bei den Kurzhanteln bequem. Auch wenn ich jetzt zur Abwechslung lieber zur Beinpresse hinübergegangen wäre, halte ich es für sinnvoller, mich erst einmal hier zu betätigen. Erstens gehe ich den Anstiftern damit aus dem Weg und zweitens hätte ich, für den Fall der Fälle, auch gleich noch eine Waffe in der Hand. Aus diesem Grund und weil meine Muskeln gerade mehr als überstrapaziert sind, entscheide ich mich lediglich für fünfundzwanzig Kilo, statt wie üblich für fünfzig. Sicher ist sicher.

      Meine Anspannung wächst, als ich einen Bizeps-Curl nach dem nächsten durchführe.

      »Seit wann gibt es denn hier Mädchen-Gewichte? Hast du gesehen, Viktor, der Typ bringt‘s nicht.«

      Klar, dass ich mir nun den ein oder anderen blöden Spruch anhören muss, weil ich nur kleine Scheiben stemme, doch das ist mir egal. Denn die drei Jungs, die sich derzeit über mich lustig machen, sind neu. Dumme Kinder, die noch lange nicht raushaben, wie der Hase hier läuft.

      »Schon mal fünfundzwanzig Kilo gegen den Kopf bekommen, Mann? Kann auch verdammt wehtun und ich wette, wenn ich treffe, stehst du nicht mehr auf!«, entgegne ich lässig und sehe den Halbstarken dabei noch nicht einmal an. Mein Blick geht starr in den großen Spiegel vor mir. Genau mustere ich meine Bewegung, um sie so sauber wie möglich auszuführen und habe dabei ebenfalls den ganzen Raum hinter mir im Blick. Die Tatsache, dass der Typ nun nichts mehr sagt und mich lediglich perplex anschaut, während sein Kumpel ihm lachend auf die Schulter klopft, lässt mich allerdings wissen, dass ich den Schlagabtausch gewonnen habe.

      Plötzlich geht es los. Im Augenwinkel erkenne ich, dass ein paar kleine Utensilien und anschließend Tütchen mit Schnee den Besitzer wechseln. Alles passiert natürlich vor massigen Körpern, die den Deal vor den Deckenkameras abschirmen. Genau beobachte ich das Geschehen, lasse mir dabei jedoch nicht anmerken, dass ich im Spiegel alles im Blick habe.

      Kurze Zeit später kommt es bei einem Geschäft zur Schlägerei. Da waren sich wohl zwei Parteien uneinig …

      Ohne Vorwarnung fliegen die Fäuste und das Gerangel geht los. Die zwei Muskelprotze krachen aufeinander und stolpern dann gemeinsam in meine Richtung. Dabei reißen sie den vorlauten Depp von eben von den Füßen und ich kann mir ein Grinsen nicht verkneifen, als er erst unsanft auf seinem Hintern landet und anschließend mit dem Kopf gegen die Hantelbank knallt, auf der ich eben noch trainiert habe.

      Ich springe auf, mache der Rangelei Platz und registriere dann, wie mehrere Beamte den Raum stürmen und auf die beiden Streithähne losgehen. Fast jeden Tag das Gleiche, die lernen es aber auch nie!

      Schnell ist die Situation wieder unter Kontrolle, vermutlich deshalb, weil sich kein weiterer Häftling einmischt. Als die beiden Männer, die sich eben noch geprügelt haben, abgeführt werden, lege ich meine Hantel wieder an ihren Platz und laufe an dem vorlauten Kerl vorbei, der sich nun eine blutende Platzwunde an seinem Schädel hält.

      »Vollidiot«, murmele ich ihm zu, weiß jedoch genau, dass er es gehört hat. Anschließend verlasse ich den Raum und gehe duschen. Die Lust auf die Beinpresse ist mir irgendwie vergangen. Daher lasse ich es für heute gut sein. Morgen ist schließlich auch noch ein Tag.

      ***

      Nach dem Essen, das heute erstaunlich friedlich verlief, werden wir wieder in unsere Zellen gesperrt. Der nächste Tag, den ich hier überstanden habe, geht zu Ende. Erst in meinen vier Wänden komme ich zur Ruhe, denn dort muss ich zumindest nicht ständig auf der Hut sein.

      Einen weiteren Strich male ich in mein Notizbuch und mache dabei wieder ein Zehnerpäckchen voll. Die komplette Anspannung des Tages fällt von mir ab und vollkommen erledigt lasse ich mich aufs Bett sinken. Heute bin ich wirklich k.o.! Gut, dass ich das mit der Beinpresse gelassen habe.

      Ob es die Verletzungen sind, die meinen Körper so aus der Bahn werfen oder ich eventuell sogar krank werde, weiß ich nicht. Vielleicht sind es auch noch die Nachwirkungen der Tortur in der Folterkammer, wer weiß das schon. Auf jeden Fall geht es mir plötzlich beschissen. Daher rolle ich mich auf meinem Bett zusammen, schlage die Decke über mich und schlafe bereits wenig später ein.

       Blaue Augen tauchen vor meinem inneren Auge auf, dazu ein hübsches Gesicht, das ich so gut kenne. Ich vergöttere jede Nuance davon, jeden Leberfleck, der perfekt an jede einzelne Stelle passt. Blonde, leichte Wellen umrahmen all das und ich atme den verführerisch blumigen Duft ein, den ich so sehr liebe. Ihr Shampoo hat einen Geruch, der mir wohl immer im Gedächtnis bleiben wird. Er bedeutet für mich, dass ich mich fallen lassen kann. Ihr kann ich vertrauen, zu jeder Zeit, das weiß ich. Sie würde mich niemals enttäuschen, denn sie ist meine große Liebe und sie wird es vermutlich auch immer bleiben.

       Ihre zarten Finger streifen meine Wange, was einen wohligen Schauer durch mich hindurchjagt, ihr Blick versinkt in meinem und ihre Lippen öffnen sich leicht, während ich ihre Hüften packe und sie nahe an mich ziehe. Ich will sie küssen, mich mit ihr verlieren. Doch auf einmal beginnen ihre Lider zu flattern, sie sackt in sich zusammen und hängt daraufhin schlaff in meinen Armen. Panik steigt in mir auf. Ich rufe ihren Namen und wenige Sekunden später ist da so viel Blut. Alles um mich herum wird plötzlich dunkel, jegliches Licht ist auf einmal verschwunden. Mein Herz schlägt mir bis zum Hals und die pure Verzweiflung ergreift von mir Besitz. Nicht schon wieder! Ich schreie. »Bleib bei mir, bitte. Ich flehe dich an! …«

      Atemlos schlage ich die Augen auf und rolle mich auf den Rücken. Meine Brust hebt und senkt sich schmerzhaft schnell. Die Gedanken fluten mich und ich bekomme kaum noch Luft. Alles dreht sich. Die Flutlichter dringen zwischen den Gitterstäben hindurch und in meinen Haftraum hinein, verursachen harte Schatten auf Schrank und Bett. Sie lassen mich wissen, dass ihre Erscheinung in längst vergangene Zeiten gehört und sie nicht mehr neben mir liegt. Wie könnte sie auch? Ich muss lernen zu akzeptieren, dass ich hier drin bin und sie dort draußen. Aber ich kann nicht!

      Wieder einmal habe ich von ihr geträumt, wieder einmal leide ich Höllenqualen, weil sie nicht bei mir sein kann. Oder ich bei ihr. Wie man’s nimmt. Mein Herz zieht sich qualvoll in meiner Brust zusammen, nur um kurz darauf in wildem Schmerz zu explodieren. Die Gewissheit kriecht wie Gift durch meine Adern