Kaffee - Fahrt. Jürgen Ruhr

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Название Kaffee - Fahrt
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752927597



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nach uns um. „Sie müssen sich stärken, bevor wir mit der Arbeit beginnen.“ Sie kehrte mit einem Tablett voller Teller zurück, auf denen sich Brötchen, Rührei, Wurst und Käse, sowie mehrere Schälchen mit Marmelade befanden. „Würden sie mir einen Kaffee mitbringen?“, fragte sie dann und stellte das Tablett an ihren Platz. „Schwarz und den Zucker bitte extra.“ Ich hatte nicht den Eindruck, als sollte ich von den riesigen Mengen etwas abbekommen.

      Mettbrötchen fand ich auf dem reichhaltigen Buffet nicht, dafür aber einige mit gekochtem Schinken und welche mit Käse. Auch ihren Kaffee vergaß ich nicht. „Sie wollen ihr Sicherheitskonzept erweitern?“, versuchte ich endlich zum Thema zu kommen und warf einen unauffälligen Blick auf meine Uhr. Ob Claire Rouyer wusste, dass ich heute noch einen Termin in der Hundeschule hatte? Vermutlich nicht.

      Die Schwarze nickte und kaute zufrieden. „Ja“, nuschelte sie dann und stopfte Rührei in den Mund in ihrem Pfannkuchengesicht.

      „Sie wollen ihre Wachmannschaft um Hunde ergänzen? Dachten sie an Malinois oder Deutsche Schäferhunde, Doggen, Schnauzer oder an was?“

      „Ja“, gab sie erneut von sich, wohl weil ihr bei dem vollen Mund nicht möglich war, etwas anderes zu sagen. Ich wartete gespannt auf ihre Antwort, doch Claire Rouyer aß seelenruhig weiter.

      „Haben sie denn schon ein Konzept?“, versuchte ich erneut, ein Gespräch in Gang zu bringen. Die Brötchen waren frisch und schmeckten ausgezeichnet, doch eigentlich war ich ja wegen anderer Aufgaben hier.

      Diesmal überraschte die Sicherheitschefin mich, indem sie mehr als ein Wort herausbrachte. „Nein“, meinte sie und hielt eine Brötchenhälfte vor ihren Mund, bereit hineinzubeißen. „Dafür sind sie ja da.“

      Ich nickte verstehend. „Wie viele Leute haben sie denn hier?“

      Claire Rouyer hielt ihren schwarzen Daumen hoch, an dem etwas Marmelade klebte. Mir war nicht sofort klar, ob sie damit anzeigen wollte, dass ihr das Frühstück schmeckte, oder ob sich die Geste auf die Menge ihrer Mitarbeiter bezog.

      „Einen?“, fragte ich deshalb nach und sie nickte. „Und wie wollen sie den Hund einsetzen?“, forschte ich weiter. „Drogen, Waffen, Schmuggelware?“

      Sie nickte erneut. „Ja.“

      Ich seufzte. Wenn die Dicke aß, war mit ihr nicht vernünftig zu reden. Ich würde vermutlich bis nach diesem ‚Arbeitsfrühstück‘ warten müssen, um mehr zu erfahren.

      Doch irgendwann kam endlich auch der Moment, an dem sie zufrieden grunzte, sich zurücklehnte und verhalten rülpste. Dann sah sie auf ihre Armbanduhr. „Es tut mir leid, Herr ... Lärpers, aber ich muss wieder an die Arbeit. Essen sie noch in Ruhe auf, wir treffen uns dann hier wieder um zwölf Uhr dreißig zum Mittagessen. Bis dahin wird mein Mitarbeiter, den sie ja schon kennengelernt haben, ihnen alles erklären. Wenn sie nur so gut wären und später das benutzte Geschirr dort hinten auf den Sammelwagen zu stellen?“

      Bevor ich noch etwas erwidern konnte, rauschte sie auch schon davon.

      Der Sicherheitsmann stand an der gleichen Stelle, wie bei meiner Ankunft. Gelangweilt schweifte sein Blick durch die Ankunfts- und Abflughalle, dann bemerkte er Bingo und mich. Sofort nahm sein Gesicht einen ängstlichen Ausdruck an. Wie sollte der Mann mit einem Hund zusammenarbeiten, wenn er vor den Tieren solche Angst hatte?

      „Nichts für ungut“, lächelte ich ihn an und hielt ihm meine Hand hin, die er auch zögerlich ergriff und stellte mich erneut vor, falls er meinen Namen inzwischen vergessen haben sollte. „Jonathan Lärpers. Ich bin als Berater in Bezug auf den Einsatz eines Spürhundes hier. Frau Rouyer meinte, sie könnten mir den Betrieb hier zeigen und mir ihre Aufgaben erklären.“

      „Da gibt es nicht viel zu erklären“, gab er leise von sich. „Allerdings sind wir permanent unterbesetzt, deswegen wird ja über den Einsatz eines Wachhundes nachgedacht.“ Er blickte skeptisch auf Bingo, der sich in gebührendem Abstand zu ihm auf den Boden setzte und den Mann nicht aus den Augen ließ. „Müsste der nicht einen Maulkorb tragen?“

      „Das hat mich ihre Chefin auch schon gefragt“, bemerkte ich freundlich. „Bingo ist harmlos, so lange sie ihn oder mich nicht bedrohen. Sie haben also nichts zu befürchten. Ich nehme an, bisher hatten sie noch nicht viel mit Hunden zu tun?“

      Er schüttelte den Kopf. „Das Thema wurde in der Ausbildung kurz angesprochen, doch eigentlich stand der Einsatz eines Tieres nie wirklich zur Debatte.“ Er seufzte leise. „Mir wäre ein Kollege lieber ...“

      Ich verstand ihn und machte mir in Gedanken Notizen. Es war sowieso nicht verständlich, warum hier nur ein Wachmann Dienst tat. Zwar herrschte nicht sonderlich viel Betrieb, doch wenn der Mann zur Toilette musste, befand sich hier niemand mehr, der für die Sicherheit sorgte. Mir war klar, dass auch ein Hund wenig Abhilfe schaffen dürfte.

      Plötzlich schoss seine Hand vor und Bingo erhob sich knurrend. Aber der Mann hielt sie mir lediglich hin. „Ich bin der Wolfgang. Wolfgang Nottkens, meine Freunde nennen mich Wolfi.“

      Ich ergriff die Hand und schüttelte sie. Bingo ließ sich mit einem leisen Knurren wieder nieder. „Jonathan Lärpers. Oder kurz ‚Jon‘. Wie lange arbeitest du schon hier?“

      „Zwei Wochen. Ich war früher Busfahrer, doch unsere Firma ging Pleite. Und als ich keine Stelle bekommen habe, hat mir das Arbeitsamt den Job hier besorgt. Eine Woche Ausbildung und dann ‚Learning by doing‘, wenn du weißt, was ich meine.“

      ‚Wolfi‘ wurde zusehends gesprächiger und erzählte mir nach und nach Details über den Flughafen und seine Arbeit hier. Als er kurz schwieg, deutete ich auf seine Pistolentasche. „Hast du denn einen Waffenschein für das Ding da?“

      Er öffnete die Tasche und zeigte mir, dass sie inzwischen leer war. „Nein. Das war eine Idee von Frau Rouyer. Sie meinte, ich bräuchte keinen Schein, weil die Pistole ohnehin nicht geladen sei. Aber jetzt habe ich die Waffe erst einmal in meinen Spind geschlossen. Du hast mir eine ganz schöne Angst eingejagt.“

      „In deinen Spind?“, fragte ich. Das war mit Sicherheit kaum der richtige Ort für eine scharfe Waffe. „Du solltest sie Claire zur Aufbewahrung geben. Das Ding gehört in einen sicheren Safe.“

      Wolfgang Nottkens nickte. „Hättest du etwas dagegen, wenn ich das sofort mache? Ich meine ... würde es dir etwas ausmachen, hier solange die Stellung zu halten? Ich muss sowieso mal auf die Toilette ...“

      „Kein Problem“, lächelte ich. „Geh ruhig, ich pass hier solange auf.“

      „Das kann aber ein wenig dauern“, gab Wolfi zögernd von sich. „Ich muss nämlich mal zur Toilette, wenn du weißt, was ich meine ...“

      Ich nickte gönnerisch und Wolfgang Nottkens stürmte erleichtert davon. Hier musste definitiv ein zweiter Wachmann her. Vielleicht ließ sich das mit Claire Rouyer später beim ‚Arbeitsmittagessen‘ besprechen.

      Ich blickte durch die Glastür auf den Platz hinter dem Gebäude, wo gerade ein kleines Flugzeug auf seine Parkposition fuhr. Es gab hier also wirklich einigen Flugverkehr und ich schlenderte zu der Angestellten hinter dem Schalter.

      Sie tippte auf einer Computertastatur herum, blickte aber auf, als ich vor dem Tresen stand. „Herr Lärpers“, lächelte sie freundlich. „Was kann ich für sie tun?“

      Ich zeigte auf das Flugzeug, das jetzt die Motoren herunterfuhr. Es handelte sich um ein zweimotoriges Propellerflugzeug, das ich unschwer als Beechcraft 200 King Air identifizierte. „Herrscht hier eigentlich viel Flugverkehr?“, fragte ich die Dame und fügte zur Erklärung hinzu: „Ich wurde engagiert, um in Bezug auf das Sicherheitskonzept beratend tätig zu sein.“

      Die Dame schien ihre Hausaufgaben gemacht zu haben, denn sie nickte wissend. „Ja, ich habe mich über sie erkundigt.“ Sie lächelte entschuldigend. „Verzeihen sie mir, doch ich war neugierig.“

      „Das ist schon in Ordnung.“ In Wirklichkeit war ich sogar froh darüber, dass die Angestellte so viel Engagement und Eigenverantwortung zeigte. „Machen sie das immer so?“