Kaffee - Fahrt. Jürgen Ruhr

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Название Kaffee - Fahrt
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752927597



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bis siebzehn Uhr.“

      Ich stöhnte. Ging es hier nicht um dieses dämliche Zertifikat, auf das Bernd so viel Wert legte, würde ich sofort die Brocken hinschmeißen. Doch ich biss die Zähne zusammen und wartete auf das, was nun kommen würde.

      „Ich gehe davon aus, dass ihre Hunde die grundlegenden Befehle kennen, trotzdem möchte ich ihnen diese noch einmal ins Gedächtnis rufen.“

      Ich beobachtete, wie der Husky den Rentner an der Leine hinter dem Rücken der dicken Sophie über das Feld zog und wieder seine Duftmarken setzte. Eigentlich musste dem Hund doch schon längst das Wasser für so zahlreiche Aktionen ausgegangen sein und nur noch heiße Luft kommen. Der Rentner zerrte an der Leine, brachte aber nicht die Kraft auf, den Husky zu bewegen.

      Die dicke Sophie blickte in die Runde und fuhr mit ihrer gewohnt monotonen Sprechweise fort: „Kann mir jemand sagen, mit welchem Befehl sie ihren Hund anweisen, sich hinzusetzen?“

      Die drei Frauen sprachen alle gleichzeitig und durcheinander. „Sitz!“, gab eine von sich. „Hinsetzen“, die nächste. „Platz“, kam eine weitere Antwort und ich musste grinsen.

      „Ja, Herr Lärpers?“, fauchte die Gelbhaarige mich an. „Das scheint sie ja sehr zu belustigen. Ich bekomme allmählich den Eindruck, dass sie diesen Kurs nicht ernst genug nehmen. Was gibt es denn so Lustiges, dass die ständig grinsen müssen?“

      Ich dachte daran, dass ich mir längst schon abgewöhnt hatte, Bingo Befehle zuzurufen - es sei denn, es war nicht anders möglich - und mit dem Malinois eher nonverbal kommunizierte. Eine kleine Bewegung meiner Hand genügte und der Hund reagierte sofort entsprechend.

      „Nun, Herr Grinselärpers, was sagen sie denn zu ihrem Hund, wenn er sich hinsetzen soll?“

      Plötzlich war es totenstill, selbst die Malteser hielten in ihrer Rauferei inne. Alle Augen richteten sich plötzlich auf mich, nur der Rentner wanderte weiter hinter seinem Hund her und umkreiste uns dabei.

      „Herr Lärpers reicht, Frau Fengeler.“ Ich fing an mich zu ärgern. Diese Frau ging mir mächtig auf den Geist und erneut dachte ich daran, den ganzen Krempel hier hinzuschmeißen. „Nichts.“

      „Was nichts?“, grunzte sie und sah mich irritiert an. „Wie meinen sie das, Herr ... Lärpers?“

      „Nichts, ich sage nichts“, gab ich von mir und bemerkte, wie die drei Frauen sich gegenseitig angrinsten. Selbst der Jugendliche hatte aufgehört, auf seinem Smartphone herum zu tippen.

      „Dann wird es aber Zeit, dass sie ihren Hund richtig erziehen, Herr Lärpers. Ich denke einmal, dass sie in einem Grundlagenkurs besser aufgehoben wären. Wir wollen hier Mantrailing betreiben und da ist es wichtig, dass die Hunde schon gewisse Grundvoraussetzungen mitbringen. Wenn sie aber nicht einmal die einfachsten Befehle kennen ...“

      Sie ließ offen, was sie damit meinte, überlegte einen Moment und wandte sich an die drei Frauen. „Genau, meine Damen. ‚Sitz‘. Der klassische Befehl, wenn ihr Hund sich hinsetzen soll. Disziplin und Pünktlichkeit sind die Grundpfeiler des Mantrailing.“

      Ich wartete darauf, dass sie wieder über die Öffnungszeiten ihrer Hundeschule dozieren würde, doch die dicke Sophie schwieg und betrachtete wohlwollend die kleinen Malteserhunde, die wie wild um ihre Frauchen herumsprangen.

      Ich spürte, dass ich noch etwas sagen musste. „Natürlich kennt Bingo ‚Sitz‘.“

      Sophie Fengeler sah mich skeptisch an. „Das sagen sie jetzt nur, um nicht aus dem Kurs zu fliegen“, meinte sie schließlich. „Dann lassen sie ihren Hund doch einmal sitzen!“

      Bingo, der bereits neben mir saß und das Geschehen mit wachen Augen beobachtete, gab ein leises Knurren von sich. Ich dachte daran, dass lediglich ein kleiner Wink von mir genügte und der Malinois würde sich mit Freuden auf die dicke Gelbhaarige stürzen und sie zerfleischen. Ein Grinsen schlich sich in mein Gesicht.

      „Wieso grinsen sie denn schon wieder so penetrant? Was ist nun, beherrscht ihr Hund den Befehl?“

      „Aber Bingo sitzt doch schon“, gab ich zu bedenken. „Warum sollte ich ihm befehlen, sich hinzusetzen, wenn er doch schon sitzt? Das macht doch keinen Sinn.“

      Sophie Fengeler stöhnte vernehmlich. „Dann lassen sie ihn doch aufstehen und wieder hinsetzen!“

      Ich schüttelte den Kopf. „Frau Fengeler wir sind hier doch nicht im Zirkus. Es wäre vielleicht sinnvoller, wenn sie endlich zum Thema kommen könnten.“

      In diesem Moment sauste wieder der Rentner an der Leine hinter ihr vorbei und plötzlich hatte ich die Nase voll. Wieso hackte die Gelbhaarige ständig auf mir herum, während keiner der Hunde hier auch nur ein Minimum an Erziehung und Disziplin zeigte? Die einzige Ausnahme bildete da der Mops des Stoppelhaarigen, der im Gras lag und selig schlummerte.

      Ich beugte mich zu Bingo herab, löste seine Leine und meinte leise zu ihm: „Sorg doch bitte für ein wenig Ordnung. Fang mit dem Husky an!“

      Bingo schien mich verstanden zu haben, oder ihm war das Theater selbst schon zuwider, jedenfalls hatte ich noch nicht ganz ausgesprochen, als er an der dicken Sophie vorbeistürmte und Sekunden später den Rentner überholte. Erneut herrschte plötzlich Totenstille, lediglich der spitze Aufschrei der Dicken war zu hören. Bingo sprang dem Husky, der gerade erneut sein Bein hob, in die Seite und brachte den schweren Hund zu Fall.

      „Oh mein Gott, der Hund tötet meinen Husky“, schrie der Rentner entsetzt auf und die drei Frauen kreischten.

      Bingo stand über dem Husky und knurrte bösartig, dann ließ er ihn aufstehen und trieb Hund samt Herrchen zu unserer Gruppe. Nachdem der Rentner und sein Tier neben mir standen, ließ Bingo noch einmal ein Knurren hören und der Husky setzte sich gehorsam auf seinen Hintern.

      Der Malinois brauchte nichts weiter zu tun und ich sah ihm an, dass er am liebsten die Malteser auch noch aufgemischt hätte, doch die betrachteten ihn ängstlich und einer nach dem anderen setzte sich neben sein Frauchen in das Gras. Bingo trat neben mich und ließ sich mit einem zufriedenen Grunzen nieder, behielt aber den Husky und die Malteser im Auge.

      „Es geht mir um das Zertifikat, Frau Fengeler“, erklärte ich nach dieser Aktion, die die Dicke mit aufgerissenen Augen verfolgt hatte. „Mein Chef besteht darauf, dass ich ihm diese Urkunde vorlege und bis sie sich in meinem Besitz befindet, werde ich an ihrem Kurs teilnehmen müssen. Ob sie nun wollen, oder nicht. Und jetzt fangen sie endlich an, damit wir es bald hinter uns haben!“

      Sophie Fengeler rang nach Luft und Worten, dann keuchte sie: „Sie dürfen ihren Hund nicht von der Leine lassen, der ist ja gemeingefährlich.“ Sie sah den Rentner an: „Hat er ihren Liebling gebissen? Geht es dem Husky gut?“

      Der Rentner war immer noch von der Wanderung aus der Puste, nickte aber. „Alles in Ordnung ...“, keuchte er und wischte sich den Schweiß von der Stirn.

      Ich warf einen unauffälligen Blick auf meine Armbanduhr und stellte fest, dass der Kurs in wenigen Minuten enden würde. Erleichtert atmete ich auf.

      Die dicke Frau mit dem unvorteilhaften Kurzhaarschnitt nickte und warf ebenfalls einen Blick auf ihre Uhr. „Oh, wie die Zeit verfliegt“, meinte sie daraufhin und in ihrer Stimme klang Erleichterung mit. „Ich danke ihnen für die Teilnahme und freue mich darauf, sie morgen wiederzusehen. Bitte seien sie pünktlich!“ Dann fixierte sie mich: „Herr Lärpers, darf ich sie noch kurz in mein Büro bitten?“

      Ich nickte und konnte mir vorstellen, was nun auf mich zukam. Nach dieser Aktion hier wäre ein Rausschmiss nur logisch. Während die anderen Kursteilnehmer zu ihren Autos gingen und um Bingo und mich einen großen Bogen machten, folgte ich mit dem Malinois an meiner Seite der Dicken zu dem Bauernhaus. Als ich einen Blick zurück auf die Wiese warf, sah ich den Jugendlichen mit seinem Smartphone dort immer noch stehen.

      Ich hielt mitten im Schritt an. „Einen Moment bitte“, bat ich die Gelbhaarige ebenfalls stehen zu bleiben. Dann nickte ich Bingo zu und wies mit dem Kopf auf den jungen Mann, der die Welt um sich herum vergessen zu haben schien.

      Bingo