Kaffee - Fahrt. Jürgen Ruhr

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Название Kaffee - Fahrt
Автор произведения Jürgen Ruhr
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783752927597



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„Nun, wie steht’s mit dem Mittagessen?“, fragte ich. In etwas über einer Stunde würde ich schon mit Bingo auf dem Hundelehrgang sein müssen und die Zeit wurde langsam knapp.

      „Sie wollen nach all dem hier noch etwas essen? Also, mir ist der Appetit vergangen. Aber gehen sie ruhig, das Essen geht auf mich. Vielleicht komme ich später nach, doch jetzt ...“ Sie zuckte mit den Achseln und führte das Glas mit zittrigen Händen zum Mund.

      „Es gibt aber noch einiges zu besprechen“, beharrte ich. „Ich hätte da ein paar Vorschläge, das Sicherheitskonzept betreffend. Allerdings habe ich um vierzehn Uhr noch einen Termin, so dass uns nicht viel Zeit bleibt ...“

      Claire Rouyer stöhnte. „Bitte, Herr Lärpers. Lassen sie uns das morgen in aller Ruhe besprechen. Ich muss mich jetzt erst einmal um einen Ersatzmann kümmern. Sie haben noch einen Termin? Schade, ich dachte, sie könnten heute Nachmittag einspringen.“

      Ich schüttelte den Kopf. „Leider nicht, den Termin muss ich wahrnehmen.“

      Die Sicherheitschefin nickte. „Na gut, dann sehen wir uns morgen früh in meinem Büro. Lassen sie sich das Essen schmecken, Herr Lärpers.“

      Das tat ich dann auch und bekam sogar etwas rohes Rindfleisch und eine Schüssel mit frischem, kaltem Wasser für Bingo.

      IV.

      Gut gelaunt machte ich mich auf den Weg zum Hundetraining. Heute endlich würden wir in die Praxisarbeit einsteigen und nicht stundenlang trockenen, uninteressanten Stoff büffeln. Ich sah mich schon mit Bingo über die Felder hinter dem Mann her hetzten, den wir fangen sollten. „Heute wird der Lehrgang richtig gut“, rief ich Bingo zu, der auf der Rückbank vor sich hindöste. „Heute werden wir die Praxis kennenlernen. Freust du dich schon?“ Bingo antwortete mir nicht, vermutlich hatte er mich nicht einmal verstanden, doch das war mir egal. Ich jedenfalls freute mich.

      Die Fahrzeuge vor der Scheune, in der der Lehrgang stattfand, sagten mir, dass alle Lehrgangsteilnehmer schon eingetroffen waren und ich wieder als letzter kam. Ein Blick auf die Uhr am Armaturenbrett beruhigte mich aber, ich war pünktlich und sogar noch fünf Minuten vor der Zeit.

      Aus der Scheune drang mir durch die offene Tür Gekläff und Stimmengewirr entgegen. Es klang so, als wäre da drinnen eine Hundeparty im Gange. Mit Disziplin hatte das allerdings wenig zu tun.

      „Ah der Herr Lärpers“, hörte ich die Dicke durch den Lärm hindurch rufen. „Da sind sie ja endlich. Immer auf die letzte Minute! Ich sage immer: Pünktlichkeit, Pünktlichkeit und noch einmal Pünktlichkeit!“

      Ich nickte und rief ihr zu, dass ich ja pünktlich erschienen sei und es noch nicht einmal zwei Uhr war. Doch irgendwie ging das in dem Lärm, den die Hunde machten, unter. Ich sah mich um. Der Jugendliche mit dem kurzen Haarschnitt tippte wieder auf seinem Smartphone herum. Neben ihm auf der schmalen Bank döste ein Mops vor sich hin und ich konnte beobachten, dass ihm das Atmen schwerfiel. Neben dem Rentner lag ein Husky auf dem Boden und beobachtete drei kleine weiße Hunde, die ich als Malteser identifizierte, die miteinander spielten und den Lärm hier verursachten. Ihre Frauchen standen beieinander und unterhielten sich lautstark, nahmen von ihren Hunden aber keine Notiz.

      „Bitte, meine Herrschaften, setzen sie sich.“ Die Dicke mit den gelben Haaren versuchte sich Gehör zu verschaffen, was ihr bei den drei Frauen nicht so richtig gelingen wollte. Dann holte sie aus und haute mit der flachen Hand auf das Pult.

      Der Jugendliche mit dem Smartphone zeigte keinerlei Reaktion und ich erkannte, dass er Ohrhörer trug. Die drei Frauen blickten erschrocken auf und es wurde still. Sogar die kleinen, weißen Hunde hörten für eine Sekunde mit dem Lärm auf. Der Mops fuhr erschrocken hoch und fiel von der Bank, neben der er sich aber direkt wieder zusammenrollte und weiterdöste. Bingo ließ ein leises Knurren hören und ich setzte mich auf die mir nächstliegende Bank. Auch die Frauen nahmen endlich Platz, ließen ihre Hunde aber weiter herumtollen.

      „Ich freue mich“, fing die Dicke mit erhobener Stimme an, um den Lärm der Hunde zu übertönen, „sie heute zum zweiten Kurstag bei unserem Mantrailing Lehrgang begrüßen zu dürfen. Mein Name ist Sophie Fengeler und ich bin die Leiterin der Hundeschule ‚Lucky Buddy‘. Die Hundeschule ‚Lucky Buddy‘ ist zertifiziert und führt Kurse in Verhaltens- Alltags- Leinen- und Mantrailing durch. Die Öffnungszeiten sind montags bis freitags von neun bis zwölf und von fünfzehn bis siebzehn Uhr.“ Nach diesen einführenden, aber unnötigen Worten, sah sie sich Beifall heischend in dem Raum um, fuhr dann aber fort: „Wir werden heute mit der Praxis beginnen und einige einfache, aber grundlegende, Befehle an den Hunden kennenlernen. Doch zunächst einmal wollen wir jetzt den Lehrgangsstoff vom gestrigen Tag repetieren.“

      Ich sah die dicke Frau entgeistert an, während sie mit monotoner Stimme über Duftmoleküle, DNA und all die Dinge sprach, bei denen ich ihr gestern schon nicht zugehört hatte. Nach gut eineinhalb Stunden hob sie lächelnd den Kopf. „So, damit haben wir die wichtigsten Grundlagen über das Mantrailing wiederholt. Ich danke ihnen für die gute Mitarbeit.“ Sie kam hinter ihrem Pult hervor und watschelte auf den Ausgang zu. „Bitte folgen sie mir zu unserem Übungsgelände, wo wir uns der Praxis widmen werden.“ Die dicke Sophie verschwand durch die Tür im Scheunentor und die drei Frauen folgten ihr, wobei sie sich lautstark unterhielten und ihre Malteser auf den Armen hielten. Jetzt erkannte ich, dass die Hunde bunte Schleifchen auf dem Kopf trugen. Der Rentner wurde von seinem Husky durch den Raum gezogen und hatte Mühe dem kräftigen Tier zu folgen. Nur der Jugendliche tippte weiter seelenruhig auf dem Handy herum und jetzt - da es in dem Raum etwas ruhiger geworden war - vernahm ich ein leises Schnarchen, das von dem Mops stammte.

      Ich grinste und tippte dem Jungen auf die Schulter. Erschrocken fuhr er hoch und sah mich fragend an. „Wir müssen nach draußen“, erklärte ich und nutzte meine Hände zur Zeichensprache. „Der Lehrgang findet jetzt draußen statt.“

      Der Kurzhaarige zog einen Stöpsel aus dem Ohr. „Wat hasse jesacht?“

      „Ich sagte, dass der Praxisteil draußen stattfindet“, wiederholte ich und der junge Mann nickte. Dann sah er sich suchend um, nahm die Leine seines Hundes und zog ihn zur Tür.

      Ich folgte den beiden kopfschüttelnd und nahm mir vor, den Jungen später zu fragen, warum er ausgerechnet mit einem Mops an diesem Lehrgang teilnahm. Aber das könnte ich ebenso gut auch die drei Frauen fragen. Und ob der Rentner den Husky zur Suche nach verschwundenen Personen würde motivieren können, erschien mir doch höchst zweifelhaft. Der Mann hätte sich besser einen Schlitten besorgen sollen. Oder - in unseren Breitengraden mit dem wenigen Schnee - vielleicht einen kleinen Wagen mit Rädern, den der Hund hinter sich herziehen konnte.

      Die Gruppe stand mitten auf einem grasbewachsenen Feld und Sophie Fengeler blickte mir mit hochrotem Kopf und grimmiger Miene entgegen. „Herr Lärpers!“, rief sie mir schon von weitem entgegen. „Ich muss sie erneut zur Pünktlichkeit aufrufen. Pünktlichkeit und Disziplin. Das habe ich ihnen doch schon erklärt! Wenn sie weiter den Unterricht stören, dann muss ich sie leider aus dem Kurs entfernen.“

      Bingo knurrte leise und zum Glück konnte nur ich es hören. Die Malteser balgten sich neben ihren Frauchen und liefen anschließend im Kreis um sie herum, wobei sie ständig bellten. Der Husky zog den Rentner hinter sich her und schnüffelte an jedem Grashalm, hob dann sein Bein und wanderte zum nächsten Grasbüschel. Der alte Mann folgte ihm ziemlich hilflos und sah sich immer wieder nach Sophie Fengeler um. Sie entfernten sich zusehends von der Gruppe, doch dann änderte der Hund abrupt die Richtung, fand eine Stelle, an der das Gras nicht ganz so hoch stand und verrichtete sein großes Geschäft.

      Der dicken Gelbhaarigen war das nicht entgangen und sie kreischte mit schriller Stimme: „Die doggy bag, sie müssen die doggy bag benutzen!“ Dann wandte sie sich an uns und fügte hinzu: „Das gilt übrigens für sie alle. Vergessen sie auf keinen Fall, die Hinterlassenschaften ihrer Hunde zu entsorgen! Und nun stellen sie sich bitte in einem Halbkreis zu mir auf“, befahl sie und sah mich an. „Nachdem Herr Lärpers sich endlich ebenfalls bequemt hat, zu uns zu stoßen, begrüße ich sie zum Praxisteil unseres Lehrganges. Mein Name ist Sophie Fengeler und ich bin die