Название | Goldmond |
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Автор произведения | Tamara Glück |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783990014714 |
»Ich denke, dass Norman den zweiten Zug nimmt, also werde ich den auch nehmen, er geht schließlich auch ins Felix Austria.«
»Natürlich. Dann ist das also geklärt, aber ich wollte dich noch fragen, ob du schon fertig gepackt hast …« Er wurde immer leiser und sah zur Tür. Ich drehte meinen Kopf und sah, dass meine Mutter ihren Kopf hereingesteckt hatte. Auf ihrer Stirn waren tiefe Sorgenfalten zu sehen.
»Was ist, Mary?«, fragte mein Vater und stand in einer flüssigen Bewegung auf, um ihr die Hand auf die Schulter zu legen.
»Es geht um Merlin. Er ist abgestürzt. Ich habe Sally schon gebeten, ihn zu reparieren, aber er schaltet sich immer wieder ab.« Sie seufzte. Die Falten auf ihrer Stirn wurden ausgeprägter.
»Ich werde es mir ansehen. Leander, hast du nun schon gepackt, oder noch nicht?«
»Merlin hat bereits alles, was ich nicht mehr benötige, eingepackt. Den Rest werde ich wohl ohne Merlin einpacken müssen … Aber ich denke, dass ich das schaffen werde.«
Mein Vater nickte und ging ins Wohnzimmer, um sich Merlin anzusehen. Ich folgte ihm, doch meine Mutter packte mich nach ein paar Schritten am Arm. »Sag ihm, dass er Henry um Hilfe bitten soll. Er kennt sich da gut aus.«
Ich nickte und eilte dann hinaus. Henry war der begabteste Roboter in unserer Familie, was Reparaturen anbelangte. Obwohl er ziemlich alt war, da mein Vater alte Sachen liebte, war er von guter Qualität. Mein Vater hatte sich geweigert, unser Haus komplett gedankensteuerbar zu machen und fand, dass ein Roboter ein Freund fürs Leben und nicht ein gedankengesteuerter Körper sein sollte. Freund fürs Leben. Ich seufzte.
Ich fand meinen Vater im Wohnzimmer. Er und Henry standen über Merlins starren Körper gebeugt und wirkten hochkonzentriert. Also hatte mein Vater die gleiche Idee gehabt wie meine Mutter. Seelenverwandte, dachte ich. Lächelnd schüttelte ich den Kopf und ging dann in mein Zimmer, um meine restlichen Sachen einzupacken.
Ich machte mir zwar ein bisschen Sorgen, dass Merlin bis zur Abreise nicht repariert sein würde, aber ich konnte ihn immer noch bitten, nachzukommen, oder im schlimmsten Fall selbst später fahren. Es würde niemanden stören. Ob in den Kursen 20 oder 21 Leute saßen, machte kaum einen Unterschied. Zum Glück gab es keinen einheitlichen Zeitpunkt, zu dem das Schuljahr anfing oder aufhörte. So konnte jeder – und jetzt auch ich – kommen, wann er wollte.
Ich seufzte und begann, meine Kleider in einen Koffer zu packen. Hoffentlich konnte Andy, Normans Roboter, mir helfen, den Koffer in den Zug zu heben. Er war ganz schön schwer.
***
Einige Zeit später kam Henry herein und bat mich, mit nach draußen zu kommen. Er und mein Vater hatten einen Virus entdeckt. Ich folgte Henry bis zu dem Wrack, zu dem Merlin geworden war und das hoffentlich bald wieder mein bester Freund sein würde.
»Du kennst ihn am besten, Leander. Ich wollte, dass du mir hilfst, ihn neu zu starten«, sagte mein Vater, ohne sich umzudrehen. Ich fragte mich, woher er wusste, dass ich schon da war. Supergehör vermutlich. »Wenn wir Glück haben, dann startet er einfach neu, ohne uns Fragen zu stellen, aber ich weiß nicht, wie viel der Virus beschädigt hat. Ich habe ihn deinstalliert, aber Merlin hat sich zum Schutz abgeschaltet …« Mein Vater redete weiter, doch ich war mir nicht mehr sicher, ob er nicht mit sich selbst redete.
Schließlich drückte mein Vater den Einschaltknopf am Rücken des Roboters und Merlin erwachte zum Leben. Seine blauen Augen öffneten sich und er blickte uns einem nach dem anderen ins Gesicht. »Systemneustart. Bitte geben Sie Ihr Passwort ein.« Mein Vater seufzte. »Leander?«
Ich kniete mich hin und gab auf der holografischen Tastatur mein Passwort ein. »Sie sind eingeloggt als Leander Soleil Merrywith. Ihre Daten werden geladen.« Merlin machte eine kurze Pause und mein Vater bemerkte: »Wirkt ganz gut. Immerhin ist das Personalgedächtnis noch intakt. Gut, dass er sich von selbst abgeschaltet hat, sonst hätten wir jetzt ein ernsthaftes Problem. Bleib aber bitte trotzdem noch da, Leander. Er wird dich identifizieren wollen. Du weißt schon, Iris-Scan und so weiter.« Ich nickte.
Die nächsten paar Stunden brachte ich damit zu, Merlin mein Gesicht scannen zu lassen, Merlins Fragen zu beantworten und Virenscans durchzuführen. Merlin schien einwandfrei zu funktionieren. Ich konnte nur hoffen, dass das auch so bleiben würde.
ELENA
Grace kommt in zwei Wochen!«, jubelte meine Mutter und wedelte mit dem Brief vor meiner Nase herum. Mein Vater hinter mir fing an zu lachen und schloss meine Mutter in die Arme. Ich lächelte und griff nach dem Brief.
Liebe Mama, lieber Papa, liebe Elena!
Luke und ich haben beschlossen, in zwei Wochen zu kommen. Luke geht es schon besser und voraussichtlich wird sich das gut ausgehen. Allerdings solltet ihr nicht vor Freitag mit uns rechnen, denn wir müssen noch eine Woche hierbleiben, bevor wir uns auf den Weg machen dürfen, sagt der Arzt, am besten eineinhalb.
Wir hoffen, dass es euch gut geht, und wünschen euch schöne eineinhalb Wochen!
Liebe Grüße,
Grace und Luke
Ich las den Brief zweimal, um ganz sicher zu gehen, dass ich mich nicht verlesen hatte, dann gab ich ihn meiner Mutter zurück und machte mich lachend auf den Weg, um Wasser zu holen.
Als ich durch die Straßen ging, dachte ich über meine Schwester nach. Ich hatte sie immer als Vorbild betrachtet. Sie war ausgeglichen, fröhlich, meistens höflich und erledigte ihre Arbeiten, ohne zu klagen. Wie machte sie das nur?
Ich lächelte. Vermutlich war sie einfach ein besserer Mensch als ich. Egal, was es war, ich musste sie einfach liebhaben. Sie brachte immer etwas Sonne ins Haus. Und das hatten wir alle dringend nötig.
Ich fing an zu hopsen, als der Brunnen in Sicht kam. Ich hängte meinen Kübel auf und wartete, bis die Maschine ihn vollgefüllt und wieder hinaufgezogen hatte. Dann machte ich mich auf den Rückweg durch die Straßen.
In Gedanken immer noch bei meiner Schwester, hörte ich plötzlich eine tiefe Stimme hinter mir grölen. »Denen werden wir es zeigen, verdammte Tyrannen. Wir sind auch Menschen. Rotes Blut zählt!«
Ich fror mitten in der Bewegung ein und blieb stehen. Ich hörte Gelächter und zustimmendes Gemurmel und mir fiel auf, dass es eine größere Gruppe sein musste. Bevor ich meine Beine wieder bewegen konnte, rempelte mich einer der Männer von hinten an. Das Wasser im Kübel schlackerte und spritzte auf meine löchrigen Sandalen. Die Männer lachten einstimmig und gingen rechts und links an mir vorbei.
»Ich will blaues Blut sehen«, zischte der eine und ich sah, wie ihm einer der anderen auf die Schulter klopfte.
»Wohin sollen wir nochmal?«, fragte ein anderer.
»Der Fuchs hat gesagt, dort lang.« Ein schwarzhaariger Mann zeigte in die Ferne. Ich sah dort nur Hütten, aber alle nickten, so als wäre das jetzt geklärt.
Erst als die Gruppe um eine Ecke verschwunden war, setzte ich meine zitternden Beine in Bewegung. Ich hatte das Gefühl, meine Gedanken und mein Magen drehten sich um die Wette. Ich konnte nicht sagen, was es war, das mich so krank machte. Vielleicht die raue, unverschleierte Brutalität, die fühlbare Mordlust in ihren Augen. Oder vielleicht die Tatsache, dass sie diese Augen auf mich gerichtet hatten. Ich fragte mich benommen, ob sie mich wohl als mögliches Mitglied ihrer Gruppe sahen. Schließlich waren wir alle Redbloods. Trotzdem fühlte ich mich ihnen nicht näher als den Adeligen.
Mir wurde klar, dass die Revolution, die sie laut meinem Vater anzetteln wollten, sie wohl alle das Leben kosten würde. Und nicht nur sie. Es würden auch Unschuldige für ihr Verhalten bezahlen müssen.
Als ich vor unserer Hütte angekommen war, fühlte sich mein Kopf an, als wäre ich vier und würde das Drehspiel mit meinem Vater spielen. Das, wo er mich an den Händen nahm und sich dann so schnell drehte, dass ich mich fühlte, als könnte ich fliegen.
Meine Mutter stand am Ofen und drehte sich nicht einmal um, als ich hereinkam.
»Stell