Goldmond. Tamara Glück

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Название Goldmond
Автор произведения Tamara Glück
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783990014714



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er sprach, erschienen in der Luft Hologramme, die um den Esstisch herumschwebten und passende Bilder präsentierten.

      Mein Vater lachte und sah sich eines der Hologramme an, das das Gesicht eines gutaussehenden Mannes zeigte.

      »Ich glaube ja nicht, dass diese Gerüchte wahr sind. Kein hochrangiger Politiker würde jemals … Wie dem auch sei, selbst wenn, könnte man ihm ja rein theoretisch kein Verbrechen anlasten. Trotzdem, Leander …« Er wandte seinen Blick von dem Hologramm ab und drehte sich zu mir. »Tu mir das bitte nicht an und halte dich von den Redbloods fern.« Er zwinkerte und ich lachte.

      Als ich gerade mit dem Frühstück fertig wurde, kam meine Mutter herein. Sie schlief gerne lange und war vermutlich nur aufgestanden, um mir viel Glück zu wünschen. Sie war ganz anders als mein Vater: Ihre braunen Augen waren stets warm und freundlich. Außerdem schien sie fast so oft zu lächeln wie Merlin, obwohl es bei ihr viel natürlicher wirkte. Ihre braunen, hüftlangen Haare glänzten und wehten hinter ihr her, als sie auf uns zukam, da sie noch keine Zeit gehabt hatte, sie kunstvoll flechten zu lassen.

      Sie ließ die Tür offen. Hinter ihr kam Sally, ihre treue Roboterfrau, leise ins Zimmer und schloss sie sanft.

      »Mary, du bist ja schon wach!«, bemerkte mein Vater.

      »Ja, Cassander, ich wollte doch Leander vor der Prüfung viel Glück wünschen!«, sagte meine Mutter und lief leichtfüßig auf mich zu. Im Gegensatz zu meinem Vater umarmte sie mich oft, denn sie war generell jemand, der die Leute schnell ins Herz schloss. Ich hatte manchmal das Gefühl, dass das ihre Rollen waren: Mein Vater war immer wie ein Vorbild für mich gewesen, ihn fragte ich um Rat, aber meine Mutter war immer meine erste Anlaufstelle, wenn es mir nicht gut ging, besonders, wenn ich als Kind geweint hatte. Sie war ruhig und wie eine persönliche Sonne für mich. Ich liebte sie, tief und innig, egal wie kindisch das klingen mochte. Ich war schließlich schon fast 17 Jahre alt. Aber bei meiner Mutter hatte ich nie das Gefühl, dass ich aufpassen musste, wie ich mich benahm. Sie liebte mich und sie zeigte das so offen, dass ich mich in dieser Gewissheit geborgen fühlte.

      Sanft zog sie mich aus ihrer Umarmung. »Ich bin so stolz auf dich«, sagte sie und lächelte traurig. Ich konnte in ihren Augenwinkeln Tränen entdecken. Sie nahm mein Gesicht in ihre Hände.

      »Ich werde dich immer lieben, egal, was du tust. Aber ich bin ganz sicher, dass du das heute wunderbar machen wirst. Du bist so schlau, du schaffst das bestimmt. Und vergiss nie: Wenn du nicht perfekt wärst, so wie du bist, dann hätte Gott dich nicht so geschaffen!« Sie schlug die Augen nieder und Tränen rannen unter ihren perfekten Wimpern hervor. Sie gab mir, ohne die Augen zu öffnen, einen Kuss auf jede Wange. Dann ließ sie mich los. Sie öffnete langsam die Augen und flüsterte: »Viel Glück!«

      »Mary!«, sagte mein Vater bestimmt. »Er geht ja heute noch nicht weg, oder? Erst einmal müssen wir noch ein College für ihn finden!« Er sah meine Mutter streng an.

      Das war ebenfalls typisch: Mein Vater war immer ruhig und gelassen und zeigte selten Gefühle. Meine Mutter zeigte sie stets, aber auch, wenn mein Vater das behauptete, glaubte ich nicht, dass es sie schwach machte. Sie war so offen, dass man einfach nicht anders konnte, als ihr zu vertrauen.

      Mary warf ihrem Mann einen Blick zu, in dem wie immer Liebe lag, aber auch etwas Drängendes.

      »Er wird bald 17. Lange wird er nicht mehr bleiben. Und irgendwann wird er die Frau seines Lebens finden. Und dann …«, sie lächelte, »wird er nicht mehr kommen müssen.« Es lag etwas Neckendes in ihrem Ton, aber ihr Gesicht war immer noch nass von den Tränen.

      LEANDER

      Als ich an diesem Morgen zur Schule kam, sah ich schon von weitem meinen besten Freund, Norman. Wir kannten uns seit der ersten Klasse. Ich winkte ihm und er winkte zurück. Auch er wirkte aufgeregt.

      »Fahr nach Hause. Ich sage dir Bescheid, wenn du mich abholen sollst, Merlin.« Merlin hatte mich wie jeden Morgen mit dem fliegenden Auto, dem EFV, wie es richtig hieß, dem »Electronic Flying Vehicle«, zur Schule gebracht und sollte jetzt zuhause aufräumen und auf mich warten. Ich würde ihn anfunken, wenn er mich abholen konnte.

      Bevor Merlin irgendetwas sagen konnte, ging ich zu Norman hinüber. »Guten Morgen!«

      »Guten Morgen«, murmelte er nervös.

      »Hey, verunsichere dich nicht. Es ist alles okay. Du wirst die Prüfung bestimmt fehlerlos bestehen!«

      Norman schüttelte unsicher den Kopf und ging ins Schulgebäude. Ich seufzte. Wie sollte ich ihn beruhigen, wenn ich doch selbst so nervös war? Ich seufzte ein weiteres Mal und folgte ihm nach drinnen.

      Alle waren aufgeregt. Ich setzte mich an meinen Platz neben Norman und fuhr meinen Computer hoch. Norman war gerade dabei, das Französisch-Testprogramm zu starten. Er drehte sich zu mir um und trommelte mit den Fingern auf den Tisch.

      »Bist du auch so nervös?«

      »Ja, sehr. Mehr als du vielleicht.«

      Wieder schüttelte er den Kopf. »Es beruhigt mich, wenn du auch nervös bist.«

      Ich legte meine Hand sanft auf seine klopfenden Finger. Es war unüblich für Adelige, so etwas zu tun. Normalerweise waren wir stets gelassen und machten alles langsam und mit Bedacht. Schließlich wurden wir, wenn wir einmal erwachsen waren, nicht mehr älter. Es eilte also nicht.

      Norman sah zerknirscht aus und zog seine Hand weg. Ich seufzte noch einmal und beschäftigte mich mit meinem Computer.

      Kurz darauf kam der Prüfer herein. Er trug einen Anzug und bewegte sich ein bisschen wie in Zeitlupe. Er musste sehr alt sein, auch wenn er aussah wie zwanzig. Er drehte den Lehrercomputer auf und begann die Namen der Klassenmitglieder vorzulesen, um die Anwesenheit zu überprüfen. Norman kam vor mir dran, doch da wir nur 15 Schüler und Schülerinnen waren, dauerte es nicht lange.

      »Edwards, Norman Harry?«

      Norman räusperte sich. »Anwesend«, sagte er, seine Stimme klang kräftiger.

      Schließlich war auch ich dran:

      »Merrywith, Leander Soleil?«

      Ich holte tief Luft: »Anwesend.«

      Schließlich startete die Prüfung. Ich fand die Aufgaben gar nicht so schlimm und ich spürte, wie meine Nervosität sank, doch als nach drei Stunden bald die Zeit ablief, wurde ich wieder nervös. Schnell las ich mir meine Arbeit ein letztes Mal durch. Ich fand noch ein paar Fehler und war gerade beim vorletzten Abschnitt angekommen, als der Prüfer laut »Schluss!« rief und sich das Programm selbstständig herunterfuhr. Ich starrte auf meinen Bildschirm. Mein Bildschirmschoner zeigte wie immer eine Diashow. Gerade sah ich ein Schloss, das eine Universität beherbergte. Es war zwar eine längere Zugfahrt entfernt, genoss allerdings einen sehr guten Ruf und ich würde deshalb aller Wahrscheinlichkeit nach dort studieren.

      Neben mir seufzte Norman. Er hatte normalerweise mehr Selbstvertrauen, doch Sprachen lagen ihm nicht so. Nach seiner anfänglichen Nervosität schien er sich jetzt etwas beruhigt zu haben. Seine Hände waren zwar immer noch zu Fäusten geballt, aber ansonsten sah er komplett entspannt aus. Sein Gesicht war ein Pokerface.

      »Oh Gott! Leander, was heißt ‚kosten‘ auf Französisch?«

      Ich versuchte nicht, ihn davon abzuhalten, mir Fragen zu stellen, in der Hoffnung, dass es mich ablenken würde. Außerdem machte es Norman glücklich.

      Überall im Raum waren bereits leise Gespräche im Gange und so seufzte ich und antwortete dann: »Meinst du, im Sinne von Preis? ‚Coûter‘.«

      »Gut, dann habe ich das richtig. Und …« Er brach ab. Er wusste, dass ich es nicht mochte, wenn wir Arbeiten im Nachhinein durchgingen. Vor allem, da die Computer in zehn Minuten die Prüfungsergebnisse ausgewertet haben würden und es daher keinen Sinn hatte, zu diskutieren.

      »Danke«, sagte ich leise und setzte dann hinzu: »Was machst du heute noch?«

      »Meine Eltern werden vermutlich mit mir essen gehen und ich werde noch für die Mathematikprüfung