Radikal gelebte Meisterschaft. Arjuna Ardagh

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Название Radikal gelebte Meisterschaft
Автор произведения Arjuna Ardagh
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783931560904



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Explosion ist der Zusammenstoß zweier subatomarer Teilchen. Es ist ein Zusammenstoß, der sich auf submikroskopischer Ebene ereignet. Ein unendlich kleines Ereignis – zu klein, um im Mikroskop sichtbar zu sein – kann eine Stadt in die Luft sprengen. In dieser winzigen Begegnung ist unendliche Energie, genug, um eine Bombe zu erschaffen. Wir wollen keine Städte in die Luft sprengen, sondern Explosionen ursprünglicher, authentischer Kreativität auslösen. Auf der untersten materiellen Ebene entsteht am meisten Energie. Genau das geschieht, wenn wir uns von 12:00 Uhr nach 3:00 Uhr bewegen.

      6:00 Uhr: Produktivität und Handeln

      6:00 Uhr ist der Gegensatz zu 12:00 Uhr. Um 12:00 Uhr sind Stille und Ruhe, um 6:00 Uhr ist Aktivität. Um 12:00 Uhr gibt es kein Gefühl eines getrennten „Ich“, es gibt dort kein Gefühl von irgendjemandem. Um 6:00 Uhr wird gehandelt – es gibt Verantwortungsgefühl. Um 12:00 Uhr gibt es keine Zeit, um 6:00 Uhr gibt es Termine, Zeitpläne und Druck. Um 12:00 Uhr gibt es keine Grenzen, um 6:00 Uhr gibt es Limits. Um 12:00 Uhr herrscht Einheit, um 6:00 Uhr besteht die Möglichkeit der Zusammenarbeit, was Verhandlungen, Abmachungen und Verträge erfordert und daher potenziell Trennung und Konflikt mit sich bringt. Um 6:00 Uhr nimmt alles vollständig Form an. Um 12:00 Uhr gibt es kein Du. Um 6:00 Uhr gibt es Mann oder Frau mit menschlichen Körpern.

      Jetzt beginnen wir, den Kreislauf zu verstehen: Um 12:00 Uhr herrscht Stille, dann ist da eine winzig kleine Schwingung, eine kaum hörbare Melodie, die immer deutlicher wird, bis sie um 3:00 Uhr vollständig fließt – du spielst die Melodie, sie ist vollkommen realisiert. Um 6:00 Uhr nimmst du die CD auf. Du buchst das Studio, besorgst das Geld, engagierst die Studiomusiker, machst einen Vertrag mit einem Musiklabel, hast einen Produzenten, arbeitest mit Zeit- und Terminvorgaben, stellst etwas auf die Beine. 6:00 Uhr bedeutet Absprachen, Verantwortung, Versprechen undKostenrahmen einhalten. Um 6:00 Uhr werden Dinge erledigt. Du buchst Flugtickets, gibst Geld aus, handelst unter bestimmten Rahmenbedingungen. Um 6:00 Uhr geht es nur um Grenzen und Limits.

      Um 6:00 Uhr wird dir klar, warum du lebst: Dein Streben nach Sinn und Zweck wird erfüllt. In den Momenten, in denen du all die unangenehmen Überraschungen bewältigst, die das Leben dir unvermeidlich beschert, und du es schaffst, alle Räder am Laufen zu halten und zugleich auszutarieren, wirst du zumindest für Momente ein Erfolgserlebnis haben. Dein kleines vergängliches Leben erscheint lebenswert.

      Wenn du aber in einer Welt der Limits und Grenzen bleibst, wo du rechtzeitig kommen, gehen und Arbeit erledigen musst, was passiert dann? Du kannst um 6:00 Uhr nicht handeln ohne ein gut entwickeltes Bewusstsein der eigenen Person, ohne ein klar definiertes „Ich“. Wenn du zu lange bleibst, sind verschiedene Level von Stress vorprogrammiert. Wenn du Tag für Tag, Woche für Woche in dieser Welt verbringst, wirst du irgendwann ein Burn-out haben.

      9:00 Uhr: Loslassen und Auflösen

      9:00 Uhr ist ein wichtiger Teil des Prozesses und sollte nicht vernachlässigt werden – die „Auflösung“. Um 9:00 Uhr geht es um die Rückkehr von erzwungener Form zu Formlosigkeit. Es ist eine Art Identitätstod. Du kannst nicht direkt von 6:00 Uhr zu 12:00 Uhr übergehen. Bei 9:00 Uhr geht es um Auflösung von Grenzen. 12:00 Uhr bis 6:00 Uhr war eine Bewegung von Formlosigkeit zu Form. Von 6:00 Uhr bis 12:00 Uhr ist eine Rückkehr von Form zu Formlosigkeit. Nachdem du engagiert gehandelt hast, hältst du inne und spürst die Wirkung all dieser Grenzen. Wenn du die ganze Woche hart arbeitest, viel von dir verlangst und dann an einem Samstag- oder Sonntagmorgen eine Pause machst, um zu entspannen, was fühlst du dann? Wie geht es dir? Du sagst dir vielleicht: „Ich habe hart gearbeitet, ich werde sogar lange aufbleiben, um alles zu erledigen, und dann ein schönes, entspanntes Wochenende mit meinem Partner oder meiner Partnerin verbringen.“ Und das tust du: Du arbeitest bis 2:00 Uhr morgens, erledigst alles und gehst dann schlafen, in der Erwartung, einen wunderschönen romantischen Tag zu verbringen. Aber was passiert? Du fühlst dich beschissen und womöglich gibt es statt des Geplanten einen fürchterlichen Streit.

      Eine ähnliche Erfahrung machen viele, wenn sie in Urlaub fahren. Sie wählen einen schönen Ort, treffen alle notwendigen Reisevorbereitungen. Der Flug ist für Sonnabend gebucht. Es kostet viel Anstrengung, alles zu erledigen und zu regeln, damit es der schönste Urlaub wird. Du wachst den ersten Morgen im Paradies auf, gehst hinaus an den Strand, um vorm Frühstück zu schwimmen, und dann findet bestimmt jemand irgendeinen Grund zu streiten. Da hast du es: Streit im Paradies. Deshalb trinken viele im Urlaub eine Menge Alkohol, um den angestauten Stress zu kompensieren, der freigesetzt wird, sobald sie eine Pause machen und entspannen.

      Der Teil des Kreislaufs, wenn du 6:00 Uhr verlässt, ist naturgemäß schmerzlich und unangenehm. Burn-out fühlt sich schrecklich an, wenn du dir so viel abverlangt hast, dass du erschöpft bist. Selbst wenn es dir gelingt, nachts zu schlafen, wachst du morgens energielos auf. Alles scheint zu viel. Es ist vielleicht die schlimmste Hölle, in der sich ein Mensch befinden kann. Aber schließlich, wenn du den Stress hinter dir lässt, dich in die Auflösung begibst und dich erholst, verwandelt sich das Gefühl der Erschöpfung in ein Nachlassen, eine tiefe Erleichterung. Jetzt entdeckst du, was 9:00 Uhr dir schenkt: ein Gefühl der Unschuld, Vertrauen und Entspannung. Hier findet alle Einsicht statt. Es ist der Teil des Kreislaufs, wo wir uns einer Kraft ergeben, die stärker ist als unser kleiner, beschränkter Geist.

      Im 5. Kapitel werden wir entdecken, woran es liegt, wenn wir in einzelnen Phasen des Kreislaufs stecken bleiben und unsere naturgegebene Brillanz und Meisterschaft lahmlegen.

      Zuvor möchte ich jedoch von der bedeutsamsten Begegnung meines Lebens erzählen, die zur Entwicklung dieses Modells entscheidend beigetragen hat.

      Begegnung mit Leonard Cohen

      Eine der größten Segnungen meines Lebens war die Zeit, die ich mit Leonard Cohen verbringen durfte. In vielerlei Hinsicht handelt dieses Buch von ihm. Er war und ist das Musterbeispiel für radikale Brillanz in allen Phasen. Auf seine Art lebte er jede einzelne Phase des Kreislaufs in seinem Leben vollkommen aus.

      Ursprünglich wollte ich Leonard für mein Buch Die lautlose Revolution interviewen. Es enthielt ein Kapitel über „Transluzente Kreativität“ und sein 2002 erschienenes Album Ten New Songs war ein perfektes Beispiel für das, was ich sagen wollte. Manchmal stößt man auf ein Album, auf dem ein eingängiger Song ist, kauft die CD und alles ist bestens – aber den einen Song spielt man immer wieder ab. Bei Ten New Songs ist jeder einzelne Song der eine. Ich glaube nicht, dass in der Menschheitsgeschichte jemals eine bessere CD produziert worden ist.

      Ich kontaktierte also seine Managerin und bat um einen Termin für ein Interview. Wir gingen im Terminkalender Monat für Monat vorwärts und rückwärts durch: Entweder war Leonard in einem Retreat oder er war beschäftigt oder er schrieb oder es war Hanukkah. Immer ein anderer Grund. Dann antwortete sie gar nicht mehr. Ich wollte unbedingt ein Interview mit Leonard bekommen, war aber schließlich nahe am Aufgeben. Plötzlich änderte sich alles. Ich bekam eine E-Mail von einer Frau namens Kateri. Sie sagte mir, dass die Managerin Leonard nicht mehr vertrat, sie seine neue Assistentin wäre und dass sie mir sehr gerne behilflich wäre, ein Interview zu arrangieren. Wow! Das waren großartige Neuigkeiten. Wir gingen ebenfalls zusammen gründlich den Kalender durch, um einen günstigen Zeitpunkt zu vereinbaren, zu dem ich nach Los Angeles fliegen könnte. Diesmal war es ganz anders. Kateri beantwortete meine E-Mail um zwei Uhr morgens, dann früh an einem Sonntag. Sie reagierte manchmal so schnell, dass unsere E-Mails echten Gesprächen ähnelten. Um ehrlich zu sein, obwohl ich verheiratet bin und sie Leonards Assistentin, muss ich zugeben, dass der Ton unseres Mailverkehrs an einen Flirt erinnerte. Jetzt hab ich es ausgesprochen. Ich bin nicht stolz darauf, aber es ist wahr. Schließlich vereinbarten wir einen Termin und ich machte mich auf den Weg, um Leonard zu treffen. Ich flog nach Los Angeles, mietete ein Auto und fuhr zur angegebenen Adresse. Es war ein heruntergekommener Stadtteil, keiner, in dem die Reichen und Berühmten verkehren. Das fragliche Haus war ein kleines Zweifamilienhaus, eine Wohnung oben, eine unten.

      Leonard begrüßte mich an der Tür mit dem typisch „schrägen“ Grinsen, das immer sein besonderes Markenzeichen war. Er bot mir reichliche Erfrischungen