Название | Radikal gelebte Meisterschaft |
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Автор произведения | Arjuna Ardagh |
Жанр | Сделай Сам |
Серия | |
Издательство | Сделай Сам |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783931560904 |
Die Erkenntnis vom Wesen des Bewusstseins selbst, vom Wesen der Bewusstheit, des Gewahrseins, wurde in den mystischen Traditionen aller Kulturen an verschiedenen geografischen Orten und zu verschiedenen Zeiten erlangt. Jede religiöse Tradition hat ihren Ursprung in dieser Erfahrung der „Erweckung“ und des „Erwachens“.
Erwachen ist kein Weg zur Erleuchtung
Es gibt zwei unterschiedliche Vorstellungen von „sich auf einem Weg befinden“, die einen riesigen Unterschied ausmachen: entweder eine Rei se zu einem zukünftigen Zustand des Erwachtseins – oder die Aufmerksamkeit darauf zu richten, was jetzt in diesem Moment schon erwacht und damit bewusst ist. Betrachtungsweisen, die aus der Vorstellung abgeleitet sind, auf einem Weg mit einem zukünftigen Ziel zu sein, unterscheiden sich grundsätzlich von jenen, die auf einer unmittelbaren Neugier an der Erfahrung des gegenwärtigen Moments beruhen.
Es handelt sich um zwei völlig verschiedene Sichtweisen, die leicht miteinander verwechselt werden. Ein Moment des Erwachens ist nur möglich, wenn wir die Annahme eines zukünftigen Zustands der „Erleuchtung“ aufgeben. Ansonsten ist unsere Aufmerksamkeit gefangen in der Erwartung eines zukünftigen Zustands oder der Vorstellung eines anderen angestrebten Zustands und nur ein Rest von Aufmerksamkeit bleibt neugierig auf das, was gegenwärtig wirklich ist.
Die Erkenntnis unseres „wahren Wesens“ kann als ein Zustand der Meditation gedacht werden. Die Bedeutung von Meditation wurzelt im Sanskritwort dhyana, was übersetzt „kein Geist/kein Verstand“ heißt und sich auf einen Zustand des Bewusstseins bezieht, in dem gesteigerte Wachsamkeit herrscht und Gedanken, die kommen und gehen, keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es bedeutet, die Aufmerksamkeit von geistiger Aktivität auf die Stille zu lenken. Es ist, als würde man die Aufmerksamkeit von den Wellen auf der Oberfläche des Ozeans auf das Nass des Ozeans selbst richten.
Das Wichtige an diesem reinen Bewusstsein ist, dass es keinerlei unterscheidende Eigenschaften hat, die in Zeit und Raum gemessen werden können. Es ist weder männlich noch weiblich, es hat kein Alter, weder ein Geräusch noch eine Vibration ist damit verbunden, es hat kein Glaubens system, keine Überzeugung und keine Präferenz. Es ist einfach bewusst.
Reines Gewahrsein zu erreichen ist weder angenehm noch schmerzlich. Manchmal widersprechen Menschen dieser Aussage und berichten, dass sie in der Meditation „glückselige Zustände“ erfahren hätten. Wir werden später noch sehen, warum das so sein kann. Im reinen Gewahrsein zu ruhen ist für die mentalen und emotionalen Vorgänge, die normalerweise unser Leben bestimmen, völlig belanglos. Diese sind auf Vergnügen (mehr Stoff, mehr Macht, mehr Sicherheit, mehr Intimität, mehr sexuelle oder emotionale Stimulation, mehr von fast allem, was die Ausschüttung von Dopamin und Serotonin im Gehirn anregt) und Vermeidung von Schmerz ausgerichtet (weniger Unsicherheit, weniger Schwäche, weniger Einsamkeit, weniger ungewollte physische und emotionale Erfahrung, die eine Vielzahl von Neuropeptiden im Gehirn anregen, die mit Schmerz verbunden sind).
Im Kreislauf ist 12:00 Uhr die Phase mit folgenden Merkmalen: flach, still, ruhig, leer, kein Ich-Gefühl, mühelos, keine Grenzen, unendlicher Raum, zeitlos (siehe die Skizze auf der nächsten Seite). Jedoch: Die genaue Beschreibung eines guten irischen Whiskeys kann niemals einen Tropfen auf der Zunge – den wirklichen Geschmack – ersetzen.
3:00 Uhr: kreativer Flow
Aus dem Nichts, aus unendlichem Raum und Stille sprießen ursprüngliche Impulse, die nicht das Ergebnis vorhergehender Gedanken und Entscheidungen sind. Subjektiv erscheint es, als würde man geduldig warten und zulassen, dass Impulse von selbst entstehen. Diese feinen Vibrationen beginnen eine Sekunde nach 12:00 Uhr und nehmen allmählich an Intensität und Schwung zu, während sie den ersten Teil des Kreislaufs durchlaufen. Der Höhepunkt kreativer Schwingungen ist um 3:00 Uhr erreicht.
Während 12:00 Uhr flach, still, geschlechtslos, ruhig und leer ist, herrscht um 3:00 Uhr nahezu grenzenlose Energie. Astrophysiker beschreiben den Urknall als ein Ereignis, bei dem aus dem Nichts unendliche Energie entsteht. Das ganze Universum wurde ursprünglich aus einer Explosion initiiert, die sich nicht in Zeit, Raum und Materie ereignete. Die unzähligen Sonnen, die wir als Sterne am Himmel sehen, sind nur kleine Funken der ursprünglichen Explosion. Das ursprüngliche Ereignis geschah aus dem Nichts und im Nichts, ohne Rohmaterial. So funktioniert auch Kreativität. Jedes Mal, wenn deine Aufmerksamkeit sich Leere nähert, wenn sie formlos wird, besteht die Möglichkeit, dass sich wieder ein Urknall im Bewusstsein ereignet und eine weitere brillante Galaxie hervorbringt.
3:00 Uhr ist die Phase maximaler Energie und auch die angenehmste des Kreislaufs. Es ist der Palast der Energie, der Freude, der Farbe, des Lachens und der unendlichen Vorstellungskraft.
Obwohl fast unendliche Energie herrscht, wird diese Phase als mühelos erfahren. Es gibt nichts, was „du“ tun musst, außer zu entspannen und sozusagen aus dem Weg zu gehen. Nichts scheint unmöglich. Alles entsteht von selbst. William Blake gilt als einer der produktivsten und genialsten Dichter englischer Sprache. Was uns von seinem Werk bleibt, macht jedoch nur ein Zehntel dessen aus, was er geschrieben hat, denn bevor er starb, verbrannte er 90 Prozent. Man sagt, Blakes Frau Catherine beobachtete, wie er nachts schrieb: Sie fand ihren Mann über den Tisch gebeugt, die Hand bewegte sich hektisch und schrieb automatisch. Das Buch von Urizen entstand auf diese Weise. Ich habe meine Abschlussarbeit in Cambridge darüber geschrieben: Es sind in Alliteration, Versmaß und Reim perfekt komponierte Gedichte, die nie redigiert wurden. Sie flossen ihm aus der Feder, er musste sich einfach nur hingeben und es zulassen. Wer aber schrieb sie dann? Genau das ist der Punkt.
Wenn Menschen von dieser Phase sprechen, betrachten sie es zu Recht nicht als persönliches Verdienst. „Ich habe nichts getan, ich habe nur den Weg frei gemacht und zugesehen, was geschieht.“ Wenn du geduldig wartest, fließt es durch dich hindurch. Eine meiner wichtigsten Lehrerinnen in dieser Hinsicht ist meine Frau Chameli. Sie reist um die Welt und lehrt Frauen die Grundlagen weiblicher spiritueller Praxis. Sie ist Wegbereiterin auf diesem Gebiet, hat in mehreren Filmen mitgewirkt, einen Tedx-Vortrag gehalten und wird von ihren Kolleginnen als Pionierin angesehen. Als jemand, der mit ihr zusammenlebt, weiß ich jedoch, dass ihre größte, am stärksten ausgeprägte Fähigkeit ist auszuruhen und nichts zu tun. Mehr als jeder, den ich kenne, versteht sie es, zu entspannen, ruhig zu sein und zu warten, die Dinge nicht zu pushen. Manchmal sagt sie: „Ich weiß, dass etwas Neues kommt, ich spüre es, ich gehe damit schwanger. Ich weiß nicht, was es ist, aber ich weiß, es wird sich zur richtigen Zeit zeigen.“ Viele Menschen würden unter solchen Umstän den ungeduldig oder kopflos werden und versuchen, das Ganze voranzutreiben. Sie wartet. Schließlich, manchmal nach Monaten, ist die Zeit reif und sie schreibt mühelos einen kurzen Artikel und postet etwas bei Facebook, woraus plötzlich ein völlig neuer Tsunami ihrer Arbeit wie von selbst entsteht. Chameli weiß, wie man entspannt, sich der Bewegung hingibt und den Prozess nicht stört. Es beginnt als Kitzeln und die Kunst ist, nicht zu schnell zu kratzen, sondern zu warten und zuzulassen, dass es von allein wächst, bis es sich bewegt und deutlich genug ist, um zu sichtbarem und hörbarem Ausdruck zu kommen.
Im kaschmirischen Shivaismus wird das „Spanda“ genannt, was im Englischen oft mit „tremoring“ übersetzt wird: die erste feine Vibration. Zuerst ist Nichts – Ruhe – Leere, und dann die allererste Vibration. Sie entsteht wie der Urknall aus diesem Nichts. Jener Moment des ursprünglichen Impulses ist in alten tantrischen Texten wie der Spandakarika oft beschrieben und bestätigt worden. Unsere Aufgabe ist es, ihn aus eigener Erfahrung zu verifizieren.
Diese kleinste Vibration ist unendlich ekstatisch und köstlich. Sie hat so viel Energie, wie du dir nur vorstellen kannst. Unendliche Energie.