Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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von Walden gezeigte Delaunay-Ausstellung hat Erfolg. Als der Künstler und Apollinaire längst abgereist sind, trifft sich die Berliner Avantgarde in der „Sturm“-Galerie, um über die Bilder des Franzosen zu diskutieren. Anlässlich einer solchen Zusammenkunft schickt der Hausherr Dehmel eine Postkarte: „Verbindliche Grüße an Sie und Ihre Frau“. Zu denen, die mit unterschreiben, gehört auch Zech.110 Dieser unterstützt einen zweiten Spendenaufruf zugunsten von Lasker-Schüler, den Kraus in der „Fackel“ veröffentlicht. Außerdem beteiligt er sich an den Vorbereitungen für eine Berliner Benefizveranstaltung. Die Dichterin hält sich zurzeit in München auf und bittet ihn: „sprechen Sie ein paar Worte auf dem Podium vorher am 9. [Februar,] dass ich der Prinz von Theben bin und, dass es sich nicht um Bettelei aber um Tribut handelt. So retten Sie dem Prinzen seine Ehre.“111 In bergischer Mundart äußert sie noch den Wunsch: „Kömm ens morgen om 6 Uhr 42 om Anhalter-Bahnhof morgen Freitag eck komm weher on freue meck Deck tu sehnn. On größ Ding Weib on Dinne Blagen van meck.“112 („Komme bitte morgen um 18:42 Uhr zum Anhalter-Bahnhof. Morgen Freitag. Ich komme zurück und freue mich Dich zu sehen. Und grüß‘ Dein Weib und Deine Kinder von mir.“)

      Zech holt die Dichterin ab. Auch spricht er vor der Lesung einige Worte zu ihrem Schaffen. Tags darauf erscheint im „Berliner Tageblatt“ der erste Teil seiner Einführung in das Werk der Freundin. Feuilleton-Chef Block verweist vorab auf die Spendenaktion von Kraus. Den Artikel Zechs ergänzt er so: „Der ‚Zeitgeist‘ bringt hier ein von Liebe und Verständnis gezeichnetes Portrait der Dichterin. Möge es die gute Sache fördern.“113 Sein Wunsch geht nur zum Teil in Erfüllung. Zwar kommt einiges Geld zusammen, aber die Hilfsaktion löst auch bösartige antisemitische Reaktionen aus.

      Walden nimmt Zech weder die Huldigung an Kraus übel noch die Freundschaft mit seiner geschiedenen Frau. Er widmet ihm sogar eine ganze Ausgabe des „Sturm“.114 Das Portrait des Autors auf dem Titelblatt stammt von Meidner. Direkt daneben steht die Übertragung des Verwey‘schen Gedichts „Der Maler. An Kandinsky“ mit den irritierenden Verfassernamen: „Paul Zech und Reek“. Bei dieser Angabe handelt sich um ein Missverständnis innerhalb der Redaktion. Möglicherweise ist mit „Reek“ Zweig gemeint. Im Innenteil der Nummer finden sich drei Gedichte Zechs: „Der Agitator“, „Die Ahnungslosen“ und „Der Kohlebaron“, ergänzt von Meidners Titelzeichnung für „Das schwarze Revier“ sowie Rudolf Leonhards Besprechung dieses „lyrischen Flugblattes“.

      Das „Sturm“-Heft findet nicht nur Beifall. Die Übertragung der Verse „De Schilder“ löst auch Kritik aus. Wolfskehl fragt Verwey: „Haben Sie die sehr schlechte Übersetzung Ihres schönen Kandinsky-Gedichtes in dem Rüpelblatt ‚Sturm‘ gesehen? […] ich hätte gern eine dichterische Traduktion gemacht wenn mir die ‚Sturm‘-Version nicht den Spaß verdorben hätte.“115 Mit einiger Verspätung erhält er Antwort: „Eben wegen des ‚Sturm-Versuchs‘ würde es mich freuen, wenn noch jetzt eine gute Übersetzung erschiene. Die Verdeutschung [Zechs] ist scheußlich. Sie hat keine einzige gute Zeile; gibt auch den Sinn nirgends wieder.“ Über das Zustandekommen dieser Fassung lässt Verwey wissen: „Sie erschien ohne meine Einwilligung, wurde mir einfach nach der Erscheinung zugesandt. Nach meiner Gewohnheit habe ich nicht geantwortet, bin auch auf sonstige Annäherung der Redaktion nicht eingegangen.“116

      Zech schreibt an Dehmel: „Auf Veranlassung meiner Kameradin Else Lasker Schüler sandte ich Ihnen mein lyrisches Flugblatt ‚Das schwarze Revier‘. Ich bin sehr begierig zu wissen, welchen Eindruck diese Verse auf Sie gemacht haben und wie Sie darüber denken.“ Seine Verbundenheit mit der Dichterin wird durch das Wort „Kameradin“ und den Hinweis deutlich: „wir beide sind aus Elberfeld“. Ebenso wenig wie Letzteres stimmt eine weitere Behauptung. An zwei deutschen Orten, wo er unter Tage gearbeitet haben will, ist er nur als Besucher gewesen: „Ich muss bemerken, dass es sich hier um Studien aus den Bergwerken Mons, Charleroi, Bochum, Essen undsoweiter handelt.“117

      Dehmel erfüllt Zechs Bitte: „hier das gewünschte Gedicht für die neue Zeitschrift mit dem ältlichen Titel“. In Klammer fügt er hinzu: „warum so oberlehrerhaft?“, spart aber an anderer Stelle nicht mit Lob: „Ihr ‚Schwarzes Revier‘ ist ein wirklich wertvolles, nicht bloß kostbares Stück Arbeit. Solche sachliche Scharwerkerei bringt uns weiter als alle schöngeistige Flitterdichtung.“ Vorbehalte hat er dennoch: „Mitunter ist […] Ihre Sprache noch etwas prunksüchtig gespreizt“. Er meldet auch Zweifel an, ob die Form des Sonetts für die neuen Inhalte geeignet sei: „Man baut doch auch keine moderne Lokomotive im Stil einer Renaissance-Karosse.“ Außerdem macht er den Kollegen auf Josef Winckler aufmerksam und empfiehlt ihm die Lektüre von dessen „Eisernen Sonetten“.118

      Mit einem Dankschreiben reagiert Zech auf die Überlassung des erbetenen Gedichts zum honorarfreien Abdruck und die wohlwollende Beurteilung des „Schwarzen Reviers“. Die formalen Einwände des Kollegen lässt er nicht gelten: „Gewiß, die aufgelöste Sonettform ist nur eine Krücke. Aber ich muss bekennen, dass die Schwere und Abseitigkeit der Materie mich zu einer Konzession veranlassten. Aber dies wird die Zeit wegfegen.“ Nur halbherzig verteidigt er dagegen den Titel „Das neue Pathos“: „[Er] passt uns allen nicht recht. Da aber gerade für neue Zeitschriften oft die entlegensten und zufälligsten Namen herhalten müssen, verstanden wir uns nach langer Wahl und Qual zu diesem zwar programmatischen, aber immerhin sehr nahe liegenden Namen.“119

      Auf Zweigs Mahnung hin, Lissauer dürfe in der ersten Nummer des „Neuen Pathos“ nicht übergangen werden, hat Zech den Kollegen zur Mitarbeit aufgefordert und ihm ausdrücklich mitgeteilt, dieser Wunsch stelle keine Bestechung dar. Genau darum handelt es sich aber. Das weiß der Empfänger und antwortet süffisant: „Ich würde nie vorausgesetzt haben, dass Sie einen literarischen Bestechungsversuch machen wollen: das liegt ganz außerhalb des Horizontes, der von dem überhaupt möglichen Niveau überblickt wird.“ Lissauer lädt Zech zu sich nach Hause ein: „Es würde mich freuen, Sie persönlich kennen zu lernen. Im Café spricht man nicht ungestört.“ Er will nun auch eine Rezension von Zechs Werken veröffentlichen: „vielleicht bringen Sie mir auch einiges mit, falls Sie die Neigung haben.“ Aus Wien weiß er, weshalb sich Zech an ihn gewandt hat: „Mein Freund Stefan Zweig hat mir auch von Ihnen gesprochen.“ Das Treffen kommt zustande. Für den Gast ist der Fußweg von Wilmersdorf zur Eisenacher Straße in Schöneberg, wo Lissauer wohnt, ein Gang nach Canossa.

      Bei Walden erkundigt sich Zech, wie gegen die Verfasser von zwei Artikeln vorzugehen sei, in denen Lasker-Schüler und ihr Werk verunglimpft werden.120 Gleichzeitig versucht er, ihr auch auf andere Weise zu helfen. Dem Kollegen Rudolf Hartig, der ihn um Unterstützung für die Herausgabe einer Anthologie zeitgenössischer Lyrik gebeten hat, gibt er den Rat: „Lasker-Schüler war bis gestern in München, schreiben Sie bitte noch einmal […] und berufen Sie sich auf mich. Ferner bitten Sie auch Hans Ehrenbaum-Degele […]. Haben Sie an Franz Werfel gedacht? Den werden Sie kaum umgehen können.“ Dem Brief fügt er eine autobiographische Notiz bei, die stimmige Angaben zu seinem Lebenslauf und Schaffen enthält, darunter den Hinweis auf die Tätigkeit bei den „Farbenfabriken“ in Elberfeld sowie die Erstausgabe des „Schwarzen Reviers“ im Jahre 1913.121

      Aus Wien kommt ausschließlich Anerkennung. Zweig schreibt: „wunderschön ist Ihr Essay über die Lasker-Schüler, innerlich reich und bewegt, voll Glanz und Stil.“ In einer österreichischen Zeitschrift will er „Das schwarze Revier“ besprechen und regt an, ein Exemplar davon an den Kollegen Alfons Petzold zu schicken, weil der die Möglichkeit habe, darüber in einer sozialistischen Zeitung zu schreiben.122 Zech bedankt sich für das Lob und bezeichnet in gespielter Bescheidenheit den Artikel über die Freundin als „Schülerarbeit“. Außerdem teilt er mit: „Das neue Pathos schwillt langsam an. Montag sind die Prospekte fertig.“ Mittlerweile liegen ihm zu viele Texte und Bilder vor. Trotzdem behauptet er: „Lissauer, mit dem ich zufällig bekannt wurde, gibt auch etwas für das Pathos.“123 Von Zufall kann keine Rede sein. Diesen Kollegen kann er nach wie vor nicht ausstehen. Er will Zweig gefällig sein. Aus ähnlichen Erwägungen ist ein Exemplar des „Schwarzen Reviers“ per Post an Petzold gegangen.

      Verärgert über Zechs jüngsten Artikel im „Berliner Tageblatt“ häuft Münchhausen