Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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am Krankenhaus in Charlottenburg.

      Lasker-Schüler, die sich ebenfalls meldet, schreibt nichts darüber, was sie von der Zeitschrift hält. Nachwirkungen der Scheidung beeinträchtigen noch immer ihren Alltag: „ich lieg im Bett – Unterleibsentzündung – hatte 40 Grad Fieber in der Nacht. Ich singe immer.“ Aufgrund ihrer finanziellen Misere kommt sie ohne Umschweife zur Sache: „Dehmel ist entzückt über mein Gedicht im Neuen Pathos. Ich fordere 300 Mark von Ihnen!“ Aber sie denkt nicht nur an sich: „Und ich will mir Saturn bezahlen lassen dann teil ich mit Ihnen.“169 Wie angekündigt, hat Meister die April-Ausgabe seiner Zeitschrift ausschließlich der Dichterin gewidmet. Abgedruckt ist ihr Gedicht mit den oft zitierten Zeilen: „Paul Zech schreibt mit der Axt seine Verse. / Man kann sie in die Hand nehmen, / So hart sind die“. Das Heft enthält ferner ein Fotoportrait sowie eine Zeichnung von der Dichterin.170

      Hasenclever ist für seinen Beitrag im „Neuen Pathos“ ein Belegexemplar zugegangen. Er dankt und kündigt an, auch an der zweiten Nummer mitwirken zu wollen. Außerdem fragt er, ob es möglich sei, dieser Ausgabe einen Prospekt für sein Buch „Der Jüngling“ beizulegen, das dieser Tage erscheint. Als Ausgleich wolle er „Das schwarze Revier“ in einer rheinischen Zeitung besprechen. Bedauernd stellt er fest: „Es ist schade, dass Sie auf Ihrer Reise Berlin–Prag nicht über Leipzig gekommen sind; hoffentlich wird Gelegenheit sein, uns bald einmal alle kennen zu lernen.“171 Auch Pinthus möchte Beiträge liefern, gefährdet aber die erwünschte Zusammenarbeit, indem er dem Herausgeber mitteilt: „meine letzten Gedichte habe ich übrigens an Herrn Lissauer geschickt, vielleicht sehen Sie sich diese Verse einmal an, von denen ja Lissauer sehr viel hält.“172

      Zweig kleidet seine Anerkennung für die Zeitschrift in die Worte: „ich habe hier in Wien das erste Heft des Neuen Pathos vorgefunden, das ich außerordentlich in Druck, Ausstattung finde. Hoffentlich findet es das Interesse, das es verdient. Ich bin gern bereit, Ihnen in jeder Weise dabei behilflich zu sein.“173 Zweigs Freund, der Lyriker Arthur Silbergleit will sich gleichfalls für das Periodikum und die Werke des Kollegen einsetzen: „Ich […] hoffe zuversichtlich, die Besprechungen liefern zu können. Ihren Rilke-Essai erhielt ich bisher nicht (dies der Ordnung halber!) Ich hätte Sie sehr gern heute im Café Josty aufgesucht, doch empfing ich selbst Besuch zu dieser Zeit.“174 Die beiden Autoren werden Freunde. Verse von ihnen erscheinen nicht zufällig in derselben Ausgabe der Zeitschrift „Über Land und Meer“: Zechs „Einsame Dämmerstunde“175 und Silbergleits „Stimmen“.176

      Neben Anerkennung erfährt Zech auch harsche Kritik. In Pfemferts „Aktion“ erscheint von Paul Boldt ein Gedicht „Lektüre“, das persönliche Angriffe auf ihn enthält: „Ach, ich will Galle haben! Ich will mich entrüsten! / Schmeißt doch die Dichterschädel ein! / Zech, Bab, Lissauer – macht doch ein Pogrom! Schleift doch die Messer für die fetten Gurgeln! / Gott schenke sie doch den Chirurgeln! Mit einem Kehlkopfkarzinom.“177 Die Polemik des Verfassers wendet sich gegen patriotische Töne in den Werken der drei Kollegen, wobei er zwar Anlass zur Entrüstung hat, was das Schaffen von Julius Bab und Ernst Lissauer, nicht aber in gleichem Maß, was das von Zech anbelangt.

      In der „Bücherei Maiandros“ zeichnet René Schickele mit Worten eine Karikatur seines Kollegen: „Der so begabte Paul Zech scheint in voller Deroute und im Begriff, sich zur Vollziehung eines Selbstmords auszustrecken. Sein Kopf liegt auf dem hervorragendsten Teile Ernst Lissauers, das Ohr dicht an der bürgerlich soliden Verdauungsmusik, die es da mit altpreußischen Märschen gemischt zu hören gibt.“ Der Verfasser lästert weiter: „Den Rest seines irdischen Leibes hat er dem reizenden Stefan Zweig anvertraut. Sein Geist geht bereits im ‚Daheim‘ um. Und das Ganze heißt ‚Das neue Pathos‘. Es scheint gut zu stehen um die beste Sache. Es gibt schon Überläufer.“178 Schickele, der seit 1909 in Straßburg sowie Paris gewohnt und gearbeitet hat, lebt seit einem Jahr mit seiner Familie im mecklenburgischen Fürstenberg.

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      Paul Zech im Jahre 1913

      Unbeeindruckt von den Angriffen auf sein Blatt macht sich Zech an die nächste Ausgabe. In einem Brief an Dehmel steht, er habe dafür „einen idealen Drucker gefunden […], der vom zweiten Heft an die Zeitschrift im Handdruck herstellt und [zwar] mit einer neuen kräftigen Fraktur.“179 Dieser Mann heißt Eduard Wilhelm Tieffenbach. Gemeinsam mit seiner Ehefrau Erna betreibt er die „Officina Serpentis“. Ihre Werkstatt befindet sich im Untergeschoß der Steglitzer Martinstraße 10, in einem der Stockwerke darüber wohnt das Ehepaar. Bei den Tieffenbachs lernt Zech den Schriftgestalter Emil Rudolf Weiß und dessen Frau, die Bildhauerin Renée Sintenis, kennen. Deren Tierplastiken bleiben ihm lebenslang im Gedächtnis. Noch Jahrzehnte später erinnert er sich an „Kälber mit unwahrscheinlichen Beinen und entsetzlich großen Angstaugen“.180

      Dehmels Rat befolgend hat Zech seine Vorbehalte gegen das Schaffen Josef Wincklers aufgegeben. Mit dem Kollegen steht er nun brieflich in Verbindung: „Ich danke Ihnen herzlichst für Ihre anerkennenden Worte und die Übersendung der Beiträge.“ Der gebürtige Westpreuße bezeichnet gegenüber dem Kollegen die Region an Rhein, Ruhr und Wupper als seine Heimat, in der er vor Jahrzehnten den Lebensunterhalt als Arbeiter verdient hat. Winckler nimmt das erfreut zur Kenntnis: „Dass Sie im rheinisch-westfälischen Industriegebiet auch praktisch tätig waren, halte ich zum Verständnis unserer Bestrebungen für sehr glücklich.“181

      Entgegen Zechs Ankündigung ist seine Lyriksammlung „Die Brücke“ bisher nicht erschienen, aber aus Leipzig kommt von Kurt Pinthus überraschend das Angebot: „Sie haben vielleicht von der Idee unserer Kinobücher gehört. Wenn Sie uns ein Stück einsenden wollen, so würden wir uns sehr freuen.“182 Zech möchte unbedingt mitmachen, zumal er, wie Wegener erfährt, ein geeignetes Manuskript in der Schublade hat, „Der große Streik“.183 Dem Text liegen Ereignisse des Dreibundstreiks zugrunde, die auch das Thema seines Gedichtes „Streikbrecher“ sind. Zwischen beiden Texten gibt es wörtliche Übereinstimmungen.184 An Adolf Knoblochs Stück „Tiefen“ hat Zech den versöhnlichen Schluss beanstandet, der keinen Bezug zur Wirklichkeit besitzt. Nun bietet er selbst in seinem Filmskript eine ähnliche Lösung an, obwohl er den vergeblichen Kampf der Kumpel um soziale Gerechtigkeit im Ruhrgebiet kennt, der nur ein Jahr zurückliegt. Davon unabhängig gehört er mit seinem Beitrag zu den Autoren des legendären „Kinobuchs“ aus der Frühzeit der Filmgeschichte.

      Während Zech als Herausgeber des „Neuen Pathos“ neben Kritik auch viel Lob erfährt, muss er als Schriftsteller mit einer Niederlage fertig werden. Wolfskehl hat Verwey eine eigene Übersetzung des Gedichts „An Kandinsky“ geschickt und von ihm die Antwort erhalten: „Könnte die Übertragung in Deutschland gedruckt werden, sodass der schlechte Eindruck von Zech weggenommen würde, dann sollte mich das gewiss freuen.“185 Tatsächlich bevorzugt Walden die Übertragung von Wolfskehl für seine Kandinsky-Monographie, die im Mai erscheint.186

      Lasker-Schüler bittet Zech um Auskunft: „Sie sagten mir doch 800 Balladenbücher sind von mir bei Meyer fort. Er schrieb mir – denken Sie nur 200. Ich bitte Sie dieses Mal kein Diplomat zu sein. Wir müssen das ruhig besprechen.“ Die Dichterin ist dringend auf Einkünfte angewiesen: „Mir geht‘s materiell schlecht.“ Künftig will sie nichts mehr bei Meyer veröffentlichen, der mittlerweile unter dem Pseudonym „Munkepunke“ bekannt ist: „Ich habe satt für die Leute zu arbeiten. Gott sei Dank bin ich eingekehrt zu Wolff-Rowohlt.“187 Auch Zech plant seit längerem, den Verleger zu wechseln, weil er sich von seinem jetzigen vernachlässigt und unter Wert verkauft fühlt. Er hofft, als Autor ebenfalls von Kurt Wolff unter Vertrag genommen zu werden, zumal Werfel im ehemaligen Unternehmen Rowohlts als Volontär arbeitet. Die Angelegenheit bespricht er im „Josty“ mit Lasker-Schüler zu mitternächtlicher Stunde.

      Am nächsten Morgen erhält Zech Post von Benn: „Ausschließlich aus persönlicher Verehrung für Sie versuche ich, Ihnen ein anderes Gedicht zur Verfügung zu stellen, ohne große Hoffnung jedoch, Ihnen damit zu gefallen.“ Es handelt sich um zwei Strophen mit dem Titel „Drohung“: „aber wisse: / ich lebe Tiertage. Ich bin eine Wasserstunde.