Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

Читать онлайн.
Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



Скачать книгу

      Auf der Suche nach einer Festanstellung für Zech hat die Dichterin den Kollegen Gustav Landauer angesprochen. Der ist zu einem Treffen bereit. Sie weiß auch von den Bemühungen ihres „Tristan“ in gleicher Angelegenheit: „Hans Degele wird sich umtun[,] hat viele gute Freunde an Zeitungen will mit Ihnen darum sprechen. Also auf Wiedersehn morgen ein Uhr. Donnerstag.“ Wie selbstlos sie sich für andere einsetzt, obwohl sie persönlich leidet, zeigt der Schluss ihrer Nachricht: „Hatte heute sehr schwierigen Tag. Ihr Prinz von Theben.“ Unter der Zeichnung eines Kometen steht: „mir geht‘s sehr schlecht immer innere unmotivierte Angst“.37 Die ist begründet, denn Walden hat die Scheidung von ihr beantragt. Das Gespräch mit Landauer am nächsten Tag bringt ihrem Freund nichts. Er bleibt weiter ohne feste Anstellung.

      Hilfe bei der Stellensuche bekommt Zech auch von Zweig. Der schickt ihm ein Empfehlungsschreiben für Paul Fechter, den Leiter des Feuilletons der „Vossischen Zeitung“. Bedauernd räumt er ein, beim „Insel Verlag“ nichts für ihn tun zu können. Seinerseits äußert er zwei Bitten: Zech solle erstens prüfen, ob das Barmer Theater sein neues Stück „Das Haus am Meer“ aufführen würde, und zweitens Alfons Petzold, einem jungen österreichischen Kollegen, der „aus den untersten proletarischen Berufen stammt und Ziegelarbeiter, Hausknecht und derlei mehr gewesen ist“, bei seinem Fortkommen helfen.38

      Zech sagt beides zu. Dabei fällt ihm ein: „Gott, ich habe ja eine ähnlich harte Schule durchmachen müssen […]. Aber ich blicke auf diese harte Frohnzeit [!] mit mehr Liebe zurück, als auf andere, angenehmere Episoden meines Lebens. Und so werde ich auch wohl für Petsold [!] sicher Sympathie finden.“ Anschließend berichtet er von beruflichen Erfolgen: „Das Berliner Tageblatt hat sich sehr anständig benommen. Ich bekam ein festes Buchreferat, das heißt, ich bin der langen Reihe von Referenten angegliedert.“ Weiter teilt er mit: „Am Montag lese ich hier vor und ich hoffe mit Glück.“ Weniger erfolgreich ist er bei der Suche nach einer bezahlbaren Unterkunft für sich und seine Familie. Nach wie vor logiert er als Untermieter bei Georg Koch: „Bis ersten November bleibe ich bestimmt noch in dieser Wohnung.“39

      Beim „Zweiten Verlagsabend von A. R. Meyer“ in der Buchhandlung „Reuß & Pollack“ tritt Lasker-Schüler nicht auf, obwohl der Verleger sich das gewünscht hat. An ihrer Stelle liest Meyer selbst aus eigenen Werken. Zu Beginn der Veranstaltung stellt Anselm Ruest die Mitwirkenden vor, unter ihnen Else Hadwiger, Meyers Frau Resi Langer und Heinrich Lautensack. Zech rezitiert unveröffentlichte Gedichte. Im Publikum sitzt Ernst Blass. Der verfasst für Franz Pfemferts literarische Zeitschrift „Die Aktion“ einen gereimten Bericht über die Veranstaltung: „Lautensack am Meyer-Abend / Wirkte einfach, frisch und labend. […], / Dass sein Geist nicht aufgeweckt, / Ward ersetzt durch Dialekt. / […] Blieb der Beifall auch sehr schwach, / Lebhaft klatschte der Verlach.“ Ähnlich äußert er sich über den Auftritt des Verlegers und schließt: „O, ich möchte von Paul Zech‘en, / den ich schätze, hier nicht sprechen. / Nur Frau Resi Langer sei / Schnell erwähnt noch, eins zwei drei: / Las mit vielem schönen Fleiße / Schur und Ruest und Herrmann (-Neisse).“40

      Mit seinem ersten öffentlichen Auftritt in Berlin ist Zech zufrieden. Stolz lässt er Wegener wissen, er habe „über Erwarten gute Presse gefunden“.41 Einen weiteren Erfolg meldet er dem Münchner Schriftsteller Heinrich Franz Bachmair: „Von der Vossischen Zeitung habe ich den Auftrag bekommen über Else Lasker-Schülers neuen Roman zu schreiben.“ Da der Kollege zugleich Verleger ist und das Werk der Freundin herausbringen will, fordert er ihn auf: „Senden Sie mir sobald wie möglich die Aushängebogen, damit ich noch vor dem Erscheinen im Buchhandel das Referat einsenden kann.“ Zusätzlich bietet er weitere Dienste an: „Interessieren wird es Sie ferner, dass ich vom Berliner Tageblatt das Referat über Lyrikbücher bekommen habe. Ich werde wohl in der Lage sein, die Versbücher Ihres Verlages zu rezensieren“.42

      Zech informiert auch Wegener über die neue Aufgabe: „Für den Anfang wenigstens etwas. Zudem bin ich noch Lektor bei Oesterheld.“ Dieser Verlag beschäftigt ihn ebenfalls nur als freien Mitarbeiter. Beide Tätigkeiten sind schlecht bezahlt: „zum Leben ist das alles noch zuwenig“. Ihm bleibt nur eines übrig: „Ich muss noch gehörig Feuilletons schinden“. Ferner erfährt der Adressat: „Anfangs November erscheint bei A. R. Meyer mein ‚Schwarzes Revier‘ als Doppelflugblatt. […] Der zweite, eigentliche Gedichtband ‚Die Brücke‘ erscheint April bei Rowohlt.“ Von einer Rückkehr ins Wuppertal ist keine Rede mehr. Vielmehr heißt es im Brief: „Langsam, sehr langsam fasse ich in Berlin Fuß“, und „ich laß den Mut nicht sinken.“

      Dennoch will Zech wissen, was sich im Wuppertal tut. Er fragt: „Haben Sie das neue Buch von Boeddinghaus gesehen?“ Bei diesem Herrn handelt es sich um einen Elberfelder Textilfabrikanten, der Mitte des Jahres als „Paul Jörg“ eine Lyrik-Sammlung mit dem Titel „Gekrönte Stunden“ herausgebracht hat. Dank reichem Buchschmuck von Fahrenkrog ist die Ausgabe zu einer protzigen Schwarte geraten. Der Künstler hat Zech beauftragt, die Neuerscheinung im „Volkserzieher“ zu besprechen, doch das erfährt Wegener nicht. Vielmehr wird dieser auf ein Thema angesprochen, das ihn selbst betrifft: „Im literarischen Zentralblatt [las ich] Ihre Kritik über Lissauers ‚Strom‘. Bei mir wird dieser unverschämte Jude nicht so glimpflich fortkommen. Ich sah ihn kürzlich im Lessingtheater. Er wiegt gut seine drei Zentner und ist der arroganteste Pimpf, den Berlin beherbergt.“43

      Diese Drohung macht Zech wahr. In der Zeitschrift „Bücherei Maiandros“ zieht er über die erste Veröffentlichung Ernst Lissauers, „Der Acker“, her: „Geschminkte Pose und Association aus labyrinthischer Selbstbespiegelung. Ein programmatisches Gestammel. Bedeutungslos im Formalen und bemerkenswert in mancherlei Gedankenblitzen.“ Nicht anders fällt sein Urteil über dessen zweites Werk, „Der Strom“, aus: „angespanntester Willen zum Weltgedicht. Aber auch nur Willen. Nicht mehr. […] Schludern, Herr Lissauer, ist noch lange nicht Gebären.“ Einige Aussagen in diesem Beitrag ermöglichen Rückschlüsse auf die Ansichten des Rezensenten über gesellschaftliche Themen, wie beispielsweise die „richtige“ Geisteshaltung: „Zu rügen ist […] das bewußt Nationale in Versen [Lissauers], die an und für sich zu schwach sind, um solche falsche Monumentalität zu tragen. Es ist immer verdächtig, Gesinnungen, die selbstverständlich sind, in pathetischer Anpreisung zu kolportieren.“

      Nationale Gesinnung betrachtet Zech demnach als Bürgerpflicht für jeden Deutschen. Aufschlussreich erweist sich auch die nachfolgende Aussage zum Judentum: „Else Lasker-Schüler und Lissauer sind Stammverwandte. Aber Else Lasker-Schüler hat den Mut zu bekennen: ‚Der Fels ist morsch, dem ich entspringe und meine Gotteslieder singe.‘ Lissauer hingegen verleugnet das Brüchige des Rassefelsens und hüllt sich in bierselige, deutsche Philisterschwammigkeit. Er wird zum flagellantischen Renegaten.“ Zech geht so weit, Münchhausen gegen eine seiner Ansicht nach unberechtigte Kritik zu verteidigen: „die balladischen Stücke des Bandes [‚Der Strom‘] sind im Grunde konservativer, als der von Lissauer bekämpfte Konservatismus des Börries Freiherr von Münchhausen.“44

      Wegener hat nichts gegen den gescholtenen Berliner Kollegen einzuwenden. Er unterscheidet zwischen Person und Werk: „Dass Lissauer als Mensch so widerwärtig ist, war mir unbekannt. Aus seinem ‚Strom‘ habe ich nichts davon gemerkt.“ Das Werk von Boeddinghaus, nach dem Zech gefragt hat, befindet sich nicht in seinem Besitz: „Können Sie mir nicht eins verschaffen?“ Am Ende seines Briefs gibt er ein Gerücht weiter: „Ringermann will gehört haben (von Ihrer Frau?), dass Sie gar nicht mehr zurückkommen.“45

      In der Antwort an Wegener lässt Zech die Frage nach der Dauer seines Aufenthalts in Berlin offen und verrät über einen Besuch in Elberfeld lediglich: „Ich denke Mitte November da zu sein.“ Wichtig ist ihm dieser Tage, dass sein „lyrisches Flugblatt“ „Das schwarze Revier“ bald erscheint. Er erhofft sich davon ein ähnliches Aufsehen, wie es Gottfried Benns „Morgue“ zuteil geworden ist: „Meyer lässt 25 Exemplare auf Japan abziehen […]. Nach Meinung des Verlegers dürften sie bald vergriffen sein. Ludwig Kainer schneidet einen Originalholzschnitt dazu“. Beim Erscheinen trägt die Ausgabe auf der Titelseite jedoch eine Xylographie von Ludwig