Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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war früher Bergmann in Holland und Westfalen.“ Das beruht ebenso auf einer falschen Auskunft, die er bekommen hat, wie die Behauptung: „All diese Autoren wohnen in Berlin und versammeln sich im Café Josty um Herwarth Walden“.93 Nicht Walden ist Mittelpunkt der Gruppe, sondern dessen geschiedene Gattin.

      Auf mehrere Briefe und Karten von Greshoff reagiert der Empfänger nicht sofort. Deshalb entschuldigt er sich: „Ich war einer Ausstellung wegen in Budapest. Gestern bin ich hier wieder eingetroffen und traf zum Glück noch M[onsieur] Robert Delaunay und Guillaume Apollinair [!] hier an. Delaunay hat bei Walden ausgestellt.“94 Da ihm aus Holland Verweys Hommage „De Schilder. Aan Kandinsky“ („Der Maler. An Kandinsky“) zugestellt worden ist, teilt er Greshoff mit: „das Gedicht von Albert Verwey an Kandinsky wird in der nächsten Sturmnummer veröffentlicht“. Zur Mitarbeit an der Zeitschrift des Kollegen aufgefordert, erklärt er: „Für den ‚Witte Mier‘ will ich sehr gern einen Artikel schreiben“. Der Beitrag erscheint unter dem Titel „Berlinische Brief: Over de jongste duitsche Lyriek“. Beginnend bei Liliencron geht Zech auf das Schaffen von mehr als zwanzig Zeitgenossen ein. Unter dem Beitrag findet sich von Greshoff eine freundliche Vorabbesprechung der ersten Nummer des „Neuen Pathos“.95

      Die „Druckerei für Bibliophilen“ (!) liefert im Januar „Das schwarze Revier“ aus.96 Erich Mühsam lobt es: „Zech ist im ‚Kondor‘ nur mit einigen nicht sehr belangvollen aber sauberen Landschaftspoesien vertreten. In […] ‚Das schwarze Revier‘ stellt er sich erst als tüchtiger selbständiger Kerl vor, der besonders die soziale Not der Zeit poetisch-kräftig erfasst hat.“97 Angesichts des Erfolges, den das „lyrische Flugblatt“ erzielt, verbreitet der Verfasser die Legende, vor allen anderen Kollegen den Bergbau als Thema in die deutsche Literatur eingeführt zu haben. Ein Exemplar schickt Zech mit persönlicher Widmung an Apollinaire.98

      Aus Sindelsdorf meldet sich Franz Marc bei Zech: „Ich schicke Ihnen mit gleicher Post eine Rolle, enthaltend zwei Zeichnungen von mir und vier Zeichnungen von Heinrich Campendonk. Suchen Sie sich bitte von den Blättern aus, was und wieviel sich für Ihre Zeitschrift eignet.“99 Der Empfänger reicht die Arbeiten an Meidner weiter, weil dieser für die Sparte Bildende Kunst in der Zeitschrift zuständig ist. Gegenwärtig portraitiert der Künstler zeitgenössische Schriftsteller, darunter Zech. In seinen Erinnerungen heißt es dazu: „[Er] machte den Eindruck eines slawischen Typs mit Sattelnase; er war immer, auch an trüben Tagen, in gleicher Weise aufgekratzt.“100

      Meidner bestätigt Marc: „Zech und ich haben Ihre und Herrn Campendonks Zeichnungen erhalten und je eine […] ausgewählt.“ Dennoch erscheinen beide Werke später nicht im „Neuen Pathos“. Dafür kann Geldmangel die Ursache sein, wie sich aus den folgenden Sätzen ergibt: „Es wäre uns natürlich lieber wenn wir […] Zeichnungen von Ihnen erhalten könnten die sich durch Strichätzung vervielfältigen lassen. Von jenen getönten Blättern müssen wir Autotypien herstellen lassen und das ist natürlich sehr teuer.“ Möglicherweise fordern aber die Künstler selbst ihre Werke zurück, weil Meidner den Vorbehalt äußert: „Herrn Campendonks Zeichnungen sind von hohem Geschmack, aber ihre Frömmigkeit, Einfalt und Strenge passt nicht gut zur Haltung des ‚neuen Pathos‘. Wir Maler möchten ein wenig Aufruhr und Trompetengeschmetter in die Seiten dieser Zeitschrift bringen.“ An der Hilfsaktion für Else Lasker-Schüler, die das Ehepaar Marc gestartet hat, will sich Meidner nicht beteiligen. Gründe dafür nennt er nicht, sondern konstatiert lediglich: „Berlin ist ein zynisches Pflaster; sie lassen einen hier achselzuckend krepieren.“101

      Auf eine Anfrage von Wegener hin macht Zech nur vage Andeutungen, was ihn zum Artikel über die „Gekrönten Stunden“ von Paul Jörg veranlasst hat: „Dass mein literarischer Stunk in Sachen Boeddinghaus vielen meiner Freunde sehr rätselhaft vorkam, ist begreiflich und ich mag mich dagegen auch nicht wehren, da ich es noch nicht an der Zeit halte, diesen schönsten Witz meines Lebens aufzublähen.“ Erläuterung findet jedoch, welche Zugeständnisse ihm beim Schreiben abverlangt werden: „Zeitungskritiken sind für mich nur ein proletarisches Nachder-Decke Strecken. In den seltensten Fällen kann man reden wie einem der Schnabel gewachsen ist. […] Nur was ich in meinen Büchern gebe ist mein reines Blut.“ Er hofft, in zwei bis drei Jahren überwiegend von deren Honoraren leben zu können, obwohl es zurzeit nicht danach aussieht: „Ein Novellenbuch und ein Versband liegen fertig ohne für einen Verleger in Frage zu kommen.“102

      Im Februar-Heft des „Saturn“ erscheint von Leopold Hubermann der Beitrag „Bohème“. Darin diagnostiziert er die nächtlichen Zusammenkünfte der Berliner Künstler und Schriftsteller in ihren Stammcafés: „Die Bohèmes sind Psychologen, ein Herdenwesen hat nicht Eigenseele, das heißt [sie] gehen auf Seelenraub; sie kundschaften drum begierig einander ihre Geheimnisse aus – wehe dem, der sie preisgibt, er hat sein Geheimnis, seine Seele verloren.“103

      Zech gehört nun fest zur Literaten-Szene Berlins. Das zeigt ein anonymer Beitrag zu Fasching in Nummer drei der „Bücherei Maiandros“. Dessen Verfasser zieht zeitgenössische Autoren durch den Kakao: „Einstein ist kein Stein. Jede Zeit hat den Kondor, den sie verdient. Wer andern Gruben gräbt, zecht selbst darin. Das Pfemfern ist des Hillers Lust. […] Das Gebet des alten Lissauers vor der Schlacht. […] Morgenstern hat Boldt im Munde.“ Es folgt die Variante: „Morguenstunde hat Benn im Munde“.104 Das Beiblatt des Buches enthält Zechs Essay „Karl Kraus in Berlin“. Darin geht der Autor auf die zahllosen Fehden innerhalb der Berliner Szene ein: „Wann endlich wird einmal einer den Gotha für die nicht mehr auszukennenden Verästelungen innerhalb der großen Literaturfamilie, der vielen zwieträchtigen, einträchtigen und stupiden Lager herausbringen?“105 Der Beitrag erscheint im Verlag von A. R. Meyer und nicht im „Sturm“, weil die Zusammenarbeit von Walden und Kraus vor einem Jahr zu Ende gegangen ist.

      Aus München bekommt Zech Post von Wassiliy Kandinsky. Den hat er um ein Exemplar des Almanachs „Der blaue Reiter“ sowie um eine Handzeichnung für das „Neue Pathos“ gebeten. Der Künstler zeigt sich großzügig: „Ich habe Piper den Auftrag gegeben, Ihnen ein Belegexemplar zu schicken. Da das Buch in 300 Exemplaren erschienen ist, so ist die Anzahl der Belegexemplare sehr beschränkt: 10 Stück!“ Dem zweiten Wunsch will er auch entsprechen: „Für Ihre Zeitschrift sende ich Ihnen dieser Tage eine schwarz-weiße Zeichnung. Wenn ich mal wieder später zum Holzschneiden komme, stelle ich Ihnen gerne auch einen Stock zur Verfügung. Dafür müßte ich aber Ihr Format kennen.“ Zechs Vorschlag, das Gedicht „De Schilder. Aan Kandinsky“ von Albert Verwey auf Deutsch bei Walden zu veröffentlichen, stimmt er zu: „Wolfskehl übersetzte mir den Inhalt des Gedichtes, welches wirklich sehr schön ist. Es freut mich sehr zu hören, dass Sie eine Übersetzung in den ‚Sturm‘ bringen wollen.“106 Wie wenig der Schriftsteller und Übersetzer Karl Wolfskehl den Kollegen Paul Zech schätzt, ahnt der Künstler nicht.

      Von Kandinsky ist schon am Vortag an Verwey die Mitteilung ergangen: „ich möchte mich ganz herzlich bedanken für das schöne starke ausdrucksvolle Gedicht […]. Mir fehlt leider die Möglichkeit die Form des Gedichtes zu genießen […]. Ich habe aber gehört, dass Paul Zech das Gedicht ins Deutsche übertragen will“.107 Die Mitteilung löst bei Verwey Befremden aus und Kandinsky schickt in der Folge keine Arbeit nach Berlin. Dem „Neuen Pathos“ entgeht deshalb ein Werk aus dem Künstlerkreis des „Blauen Reiters“.

      Zu Jahresanfang hat Zech Verhaeren auf die im „Panther“ publizierte Neufassung seines ursprünglich in der Barmer ‚Allgemeinen Zeitung‘ erschienenen Beitrags aufmerksam gemacht und ihm drei der Nachdichtungen von „Les heures“ mit der Bitte zugesandt, sie veröffentlichen zu dürfen. Das Schreiben ist vom Empfänger mit der Frage nach Wien weitergeleitet worden: „Très cher Zweig, / Je reçois la lettre suivante de M. Zech. Il y joint trois de mes poèmes traduits par lui. Que faut-il que je lui réponde et qui est ce traducteur?”108 („Lieber Zweig, ich habe folgenden Brief von Herrn Zech erhalten. Er hat drei Gedichte von mir beigefügt, die von ihm übersetzt worden sind. Was soll ich ihm antworten und um wen handelt es sich bei diesem Übersetzer?“) Zweigs Antwort ist verloren gegangen. Zech bekommt keine Antwort aus Belgien und wendet sich ein zweites Mal an Verhaeren: „Heute kann ich Ihnen wiederum einen kleinen Aufsatz über die Stunden beifügen.