Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

Читать онлайн.
Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



Скачать книгу

Anscheinend wertlos sind für ihn auch die Freundschaften mit jüdischen Kollegen und Künstlern, wie etwa mit Hiller, dessen Lyrikanthologie er heimlich schlechtmacht. (In Erich Mühsams Tagebuch ist zu lesen: „Paul Zech schreibt einen netten Brief, in dem er mein [negatives] Urteil über die Kondorleute bestätigt, zumal meine Vermutung, dass er nur aus Versehen hinein gekommen ist und legt ein lyrisches Flugblatt bei ‚Waldpastelle‘.“)24

      Anschließend lamentiert Zech weiter: „Man muss alle Nerven zusammenhalten, um nicht fortzugehen. Meyer ist schon angesteckt davon und ich werde mich hüten, noch ein zweites Buch dort zu verlegen.“ Alles läuft nicht so, wie er sich das gewünscht hat. Von Schattke getrennt und von Erspartem lebend, will er Ende des Sommers nur eines – weg aus Berlin und zurück ins Wuppertal: „Ich habe Sehnsucht nach Elberfeld und ich denke Ende des Monats wieder dort zu sein. Soll ich nun einmal hungern, kann es auch in Elberfeld sein. Da hab ichs billiger. […] Ein paar gute Verbindungen habe ich hier angeknüpft, die kann ich aber auch in Elberfeld pflegen.“ Er träumt von einer Idylle im Bergischen Land: „Was ich mir wünsche ist: ein kleines Haus irgendwo am Waldesrand.“

      Zech schlägt Wegener vor, Hillers Anthologie „Der Kondor“ zu besprechen, und nennt ihm als Abnehmer für einen solchen Text die Zeitschrift „Xenien“. Bei dieser Gelegenheit bittet er: „Sie könnten dann eventuell den ‚Schollenbruch‘, der gar nicht abgeht, miterwähnen.“ Schuld am ausbleibenden Erfolg ist seiner Ansicht nach nicht das Werk, sondern mangelnde Reklame dafür von Seiten des Verlags. Insgesamt laufen in Berlin die Dinge für ihn jedoch nicht so schlecht, wie er Wegener glauben machen will. Am Ende des Briefs heißt es: „Das ‚Berliner Tageblatt“ habe ich auch halb gewonnen. Im ‚Zeitgeist‘ kommt eine Arbeit über Else Lasker-Schüler. Der ‚Weltspiegel‘ brachte kürzlich eine Novelle“.25

      Lasker-Schüler schickt Zech die Nachricht: „Lieber Dichter, ich bin wieder da. Wohne: Grunewald-Berlin. Humboldtstr. 13 II. Vordervilla 2te Querstraße über der Brücke von Halensee bei Enderlein.“ Sie möchte sich mit ihm verabreden: „Besuchen Sie mich heute Abend 9 Uhr? sonst bitte schreiben Sie vorher.“26 Im nächsten Brief gibt die Dichterin ein Kompliment weiter: „Hans Ehrenbaum-Degele sagt: ich bin geradezu entzückt von Paul Zech. Mit ihm möchte ich mich befreunden! Sie werden keine Reue haben. Ich bitte Sie seien Sie Sonnabend wie verabredet im Café des Westens. Halb 9 Uhr.“ Auf Elberfelder Platt erinnert sie sich an ihre Geburtsstadt: „Ich grüße Sie herzlich on emm Namen aller Färwer on Knoppmaker. Ihr Prinz von Theben.“27 Wie wichtig Lasker-Schüler die Treffen mit Zech sind, zeigt auch eine Karte, die sie ihm tags darauf aus Hessen schickt, wo ihr Sohn die Odenwaldschule besucht: „Ich bin Freitag wieder zu Haus. […] Schreiben Sie mir wann ob Freitag oder Sonnabend wir uns alle im Café treffen wollen. […] War sehr anstrengend, bin sehr kaput. Ihr Prinz Jussuf.“28

      Mit seiner Antwort lässt sich Zech Zeit. Ihn beschäftigt ein Brief von Zweig, der ihm schreibt: „Ich habe mich sehr gefreut, […] von Ihnen einen außerordentlichen Essay über Mombert […] zu lesen, der alle guten Eigenschaften hat, Farbe, Maß und Gewalt. Auch sonst sah ich von Ihnen Verse und zwar sehr schöne.“ Dann heißt es: „Weniger erfreut bin ich über Ihren Zusammenhang mit den Kondor-Leuten, deren aufdringliches Wesen mir im tiefsten antipathisch ist und die den Lärm statt der Leistungen machen. Sie spüren ja wohl selbst, wie wenig dichterisch diese Lyrik ist.“ Nachdrücklich warnt Zweig vor der Berliner Bohème: „Sie selbst lieber Paul Zech, passen mir mit ihrer stillen, ruhigen und wahrhaft dichterischen Art in diesen Kaffeehauslärm schlecht hinein.“29

      Verleger Meyer hat Kenntnis davon erhalten, wie gut sich Zech mit Else Lasker-Schüler versteht. Das möchte er für seine Zwecke nutzen und bittet ihn, die Dichterin als Mitwirkende für seinen „Zweiten Autorenabend“ zu gewinnen. Der soll bei der Buchhandlung „Reuß & Pollack“ in der Potsdamer Straße stattfinden: „Sie brauchte nur fünf bis sieben der biblischen Gedichte zu lesen.“ Um dem Vermittler die Aufgabe schmackhaft zu machen, lädt Meyer ihn zu sich nach Hause in die Waghäuseler Straße in Wilmersdorf ein: „Kommen Sie bitte Donnerstagabend halb 7 zu uns zum Butterbrot.“ Mit „uns“ meint er sich und seine Gattin Resi Langer. Die Ansage, es solle Butterbrot geben, ist entweder ein Scherz des Gastgebers, der ein bescheidenes Mahl ankündigt, oder Meyer will demonstrieren, wie wenig er an den Büchern und „lyrischen Flugblättern“ verdient, die bei ihm erscheinen.

      Im Verlauf des Treffens möchte der Verleger auch herausfinden, ob der Gast ihm behilflich sein könnte, für eine seiner nächsten Veranstaltungen weitere Autoren zu gewinnen: „Stefan Zweig wäre fein.“ Abschließend warnt er vor Karl Kraus: „O, nur nicht in der ‚Fackel‘ inserieren. Ich tat es einmal und nicht wieder.“30 Da Meyer auf die Fürsprache Zechs bei Lasker-Schüler und Zweig hofft, ist er bemüht, ihn nicht zu verärgern. Deshalb lobt er seine Gedichte in einer ansonsten negativen Kritik von Hillers „Kondor“: „Zech, dessen ‚Waldpastelle‘, ‚Frühe Ernte‘, [recte: ‚Das frühe Geläut‘], ‚Schollenbruch‘ ich verlegte, und von dem ich anderes bald bringen werde, fällt ganz aus dem Rahmen radikaler Strophen, weil er im Grunde doch auf viel zu konservativen Füssen steht (im besten Sinne!).“31

      Noch bevor Zech in den Genuss des Meyerschen Butterbrotes kommt, nimmt er eine Einladung von Lasker-Schüler an, die zurück in Berlin ist: „Peter Baum, Hans Ehrenbaum-Degele, Georg Koch, Ernst Blaß […] wir sind alle bei Dalbelli[s] italienischer Weinstube Bülowstraße 14 morgen Freitag um punkt neun Uhr. Bitte kommen Prinz von Theben.“32 Das Lokal ist ein Künstler- und Literatentreff. Es gehört zu den bevorzugten Aufenthaltsorten der Dichterin. Ehrenbaum-Degele nennt sie „ihren reinen Liebesfreund“ oder „Tristan“. Er stammt aus wohlhabender Familie. Den Eltern gehört eine luxuriöse Villa im Grunewald. Zeitschriften wie „Der Sturm“, „Pan“ sowie die „Bücherei Maiandros“ veröffentlichen seine Gedichte und Prosatexte. Mit ihm schließt Zech Freundschaft. Beide verabreden spontan eine Landpartie, gemeinsam mit Lasker-Schüler. Zech schildert dem Jüngeren seine schlecht bezahlte Tätigkeit als Mitarbeiter von Zeitungen und Zeitschriften, mit der er den Lebensunterhalt für sich und seine Familie aufbringen muss. Beiläufig erwähnt er, es sei ihm bisher noch nicht gelungen, in Berlin eine feste Anstellung zu finden.

      Ein weiteres Treffen, zu dem Lasker-Schüler ihre Freunde eingeladen hat, findet einen Tag nach der geselligen Runde bei Dalbelli im „Café des Westens“ statt, das im Volksmund „Café Größenwahn“ heißt. Hier lernt Zech einen Mann kennen, den die Dichterin so beschreibt: „näher besehen, hübsch aber – ein Rind“.33 Es handelt sich um Leopold Hubermann, Bruder des Violinvirtuosen Bronislaw Hubermann, einen problematischen Menschen, der seine Ehefrau misshandelt und sie hungern lässt. Er gehört zur Berliner Bohème, bezeichnet sich als Schriftsteller und hat keinen Pfennig in der Tasche. Zech entwickelt Sympathie für ihn, weil er zwar aus reichem Hause stammt, aber in Armut lebt wie er selbst: „Bis zum Jahre 1913 war keine Zeile einer dichterischen Leistung Hubermanns […] bekannt, obwohl er häufig genug auf unseren gemeinsamen Heimgängen, zwischen drei und vier Uhr morgens im Zuge der Kaiserallee bis zur Wilhelmsaue, Verse […] deklamierte.“34

      Zu den Kulturschaffenden Berlins, die Zech durch Lasker-Schüler kennenlernt, gehört auch Karl Vogt. Er ist Darsteller am Königlichen Schauspielhaus, arbeitet als Regisseur an der „Neuen Freien Volksbühne“ und schreibt für Waldens „Sturm“. Die Dichterin portraitiert ihn mit Versen: „Karl Vogt / Der ist aus Gold – Wenn er auf die Bühne tritt, / leuchtet sie. / Seine Hand ist ein Szepter, wenn er Regie führt. […] / Er kann nur selbst den König spielen / Im Spiel. / Morgen wird er König sein / ich freu‘ mich.“35

      Bald nach den durchzechten Nächten bei Dalbelli und im „Café Größenwahn“ erhält Zech zwei weitere Einladungen. Die erste schickt ihm Ehrenbaum-Degele. Der sagt die geplante Landpartie ab und kündigt ein Treffen an, das erneut in einem Weinlokal stattfinden soll: „Vergessen Sie aber nicht, selbst Sonnabend zu Lutter und Wegner (Keller!) Ecke Französische und Charlottenstraße zu kommen und A. R. Meyer samt Frau Dr. Hadwiger mitzubringen.“ Der Brief weckt bei Zech Hoffnungen auf ein baldiges Ende seiner Geldnöte, denn darin heißt es: „Sollten Sie noch keine