Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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schreibt: „Es gehört zu den vielen Widersprüchen, die Paul Zech kennzeichnen, dass er sich, obwohl er inzwischen die Sonette ‚Zwischen Ruß und Rauch‘ geschrieben […] hat, 1912 nochmals an den ‚Kölner Blumenspielen‘ beteiligt.“ Das scheinbar Unvereinbare erklärt der Stadtarchivar so: „Möglicherweise findet der Widerspruch in diesem Fall schlicht und einfach in der finanziellen Notlage des Schriftstellers seine Erklärung.“139 Tatsächlich werden bei diesem Wettbewerb wieder wertvolle Sachpreise vergeben. Zech schickt zwei Gedichtzyklen ein. Für „Einkehr“ erhält er in der Sparte „Religiöse Lyrik“ den „Johannes-Fastenrath-Preis“ und eine goldene Nelkennadel, für „Viola Mystica“ den „Außerordentlichen Preis der Prinzessin Maria von Bayern“ und eine silberne Blumenschale. Anlässlich der Preisverleihung Anfang Mai im „Gürzenich“ überbringt Kölns Erster Beigeordneter Konrad Adenauer den Festgästen Grüße von Oberbürgermeister Max Wallraf. Zech nimmt weder Nadel noch Schale persönlich in Empfang. Sein Gedicht „An E.[mmy]“ wird nun unter dem Titel „Aufblick“ durch den Abdruck im „14. Jahrbuch der Kölner Blumenspiele“ einer größeren Leserschaft bekannt.

      Fahrenkrog genügt auch der „Bund für Persönlichkeitskultur“ nicht mehr für seine missionarischen Ziele. An Schwaner schreibt er: „Ich werde wohl hier eine gleiche Deutschreligiöse Gemeinde gründen […]. Mitunter möchte ich den Ranzen packen und als Reiseprediger gehn. Wer weiß was noch kommt. Unser Bund kommt demnächst zusammen und wird unter anderem auch die Organfrage behandeln.“140 Damit ist der Streit zwischen Kramer und Schwaner gemeint. In „Mehr Licht!“ sowie im „Volkserzieher“ befehden sich beide. Fahrenkrog gelingt es nicht, den Schriftleiter der Vereinszeitung mundtot zu machen. Als Dramatiker kann er dagegen einen Erfolg verbuchen: „Übrigens scheint‘s das Harzer Bergtheater mit meinem ‚Baldur‘ sehr ernst zu nehmen. Der Regisseur ist begeistert. Kostüme nach meinen Angaben nun. Schlussszene kann grandios werden […]. Am 20. Juli ist Uraufführung. Ich hoffe Dich dabei.“141

      Als Zech von Fahrenkrog ebenfalls aufgefordert wird, die Premiere zu besuchen, fühlt er sich hin- und hergerissen. Mit seinem Idol möchte er weiterhin Freundschaft pflegen, zugleich aber das Wohlwollen Kramers nicht verlieren, um auch künftig Beiträge in „Mehr Licht!“ veröffentlichen zu können. Der Redakteur hat ihm durch den Abdruck eines Artikels über Strindberg zu Honorar verholfen.142 Die Aussicht, zusätzliches Geld verdienen zu können, gibt den Ausschlag für seinen Entschluss, die Einladung anzunehmen. Er schreibt an Eduard Zarncke, den Herausgeber der „Literarischen Wochenschrift“: „Für das Mannheimer Tageblatt und den hiesigen General-Anzeiger besuche ich das Harzer Bergtheater in Thale, daselbst finden drei Uraufführungen statt. Unter anderem ‚Die Bergschmiede‘ von Karl Hauptmann.“ Zech erkundigt sich: „Wäre Ihnen ein Bericht über diese drei Uraufführungen erwünscht und welches Zeilenhonorar würden Sie noch dafür auswerfen?“ Wie der Vermerk: „Abgelehnt“ auf der Anfrage erkennen lässt, will Zarncke nichts von dieser Offerte wissen.143

      Zweig schreibt für die Wiener „Neue Freie Presse“ eine Besprechung von „Schollenbruch“. Darin heißt es zutreffend: „Manche der Gedichte Paul Zechs werden erst in den weit verbreiteten Anthologien zu ihrem Recht kommen“.144 Das geschieht schon bald. Richard Weißbach bringt die erste Sammlung expressionistischer Lyrik heraus, zusammengestellt von Kurt Hiller. Ihr Titel: „Der Kondor“. Wenig später folgt eine „Anthologie der jüngsten Belletristik“, expressionistische Prosa, herausgegeben von Hermann Meister, dem zweiundzwanzigjährigen Inhaber des „Saturn“-Verlags, der auch eine Zeitschrift gleichen Namens herausgibt. Beide Verleger sind in Heidelberg ansässig, das geographisch zur Provinz gehört, aber um 1912 ein geistig-kulturelles Zentrum Deutschlands bildet. Der „Kondor“ enthält sechs Gedichte von Zech, ein Zeichen seiner wachsenden Bekanntheit, da er im Gegensatz zu vielen anderen darin vertretenen Autoren weitab von Berlin lebt.

      Hillers Anthologie findet bei ihrem Erscheinen nicht nur Zustimmung, sondern wird von der Presse und in Kollegenkreisen abgelehnt. Der Schriftsteller Georg Britting wettert: „Aha, Oberdichter, die Modernsten der Modernen, literarische Futuristen!“ Besonders lächerlich erscheinen ihm die Gedichte von Lasker-Schüler und Ludwig Rubiner: „Höher geht‘s nimmer. Dieser Volks-Kraftausdruck könnte auch dem ganzen Buch vorgesetzt sein.“145 Herwarth Walden urteilt: „Nun ist der Kondor schon deshalb eine schlechte Anthologie, weil er Gedichte von Personen enthält, die nicht einmal Dichter sind, und Gedichte von Dichtern, die keine Künstler sind.“146 Erich Mühsam notiert in sein Tagebuch: „Ich sollte schon vor Erscheinen für das Buch Reklame machen, was ich damals ablehnte, zum Teil, weil man mich nicht zur Mitarbeit aufgefordert hatte. Jetzt bin ich ganz froh, nicht darin vertreten zu sein. Das Buch ist miserabel.“147 Später bessert er nach: „Ein paar junge Dichter sind auch im ‚Kondor‘ vertreten, bei denen sich der ernsthafte Wille zu eignem Ausdruck findet. Da ist vor allem Franz Werfel […]. Er und Paul Zech scheinen unter den Allerjüngsten die meiste Anwartschaft zu haben, […] gute Dichtung aufzurichten.“148 Rückblickend schreibt Hiller: „Zech galt damals im Kreis meiner engeren literarischen Freunde als zu ‚konventio-nell‘, zu ‚konservativ‘; eine Meinung, die ich nicht teilte.“149

      Ab Frühjahr 1912 erscheint in jeder Ausgabe des „Saturn“ entweder ein Beitrag von oder über Zech. Den Anfang macht ein Gedicht „Gefangene Mädchen“, in dem der Verfasser seinen erotischen Phantasien freien Lauf lässt: „wie sie den hag‘ren Leib entgegenbreiten / der goldnen Helle und wie sie den Wind / […] zur Spielerei verleiten! // […] dann überkommt sie wohl das sündhafte Verlangen, / all ihre Jugend einem hinzuschenken, / oh einmal nur zu lösen Gürtelband und Spangen“.150

      Ein Artikel Zechs über das Werk von Lasker-Schüler endet mit der Feststellung: „Irgend ein sicherer Maßstab für diese lyrische Kunst wird sich kaum finden lassen. Der einzige Weg zu ihrem Verständnis heißt: Seele, viel Seele haben.“151 Die Gewürdigte meldet sich beim Verfasser: „Lieber Dichter. Wie wundervoll Ihre Kritik ist – der letzte Satz – der ist es ja eben. / Wie soll ich Ihnen danken! […] Wann ziehen Sie hierher? Ich habe Ihnen viel zu erzählen.“152

      Der „General-Anzeiger für Elberfeld und Barmen“ veröffentlicht eine Rezension von „Schollenbruch“. Verfasser ist Anselm Ruest, 1878 als Ernst Samuel im westpreußischen Culm geboren, jetzt wohnhaft in Berlin. Ihm hat A. R. Meyer den Auftrag gegeben, in der auflagenstärksten Zeitung des Wuppertals Werbung für die Gedichte seines Landsmannes Zech zu treiben, was den Verkauf des Büchleins außerhalb der Hauptstadt fördern soll. Ruest interpretiert sie als „Mittlerversuch, das ältere Lenau – Storm – Mörike-Erbe mit der feierlichen Getragenheit Georges und Rilkes, der sinnlichen Üppigkeit Dauthendeys und der überquellenden Wildheit Dehmels zu verschmelzen und zu versöhnen“.153

      Zech bespricht im „General-Anzeiger“ „Anton Reiser“ von Karl Philipp Moritz, Rousseaus „Bekenntnisse“ sowie Ellen Keys Biographie der Rahel Varnhagen und zeigt sich auf diese Weise vertraut mit wichtigen Werken europäischer Schriftsteller. Neueste Entwicklungen im deutschen Literaturbetrieb kennt er ebenfalls: „Von bibliophilen Grundsätzen getragen sind die Drugulindrucke des jungen tatkräftigen Verlegers Ernst Rowohlt in Leipzig. Es erscheint erstaunlich, dass solche vollendet ausgestatteten Werke in so billiger Preisnotierung möglich sind.“ Werbung in eigener Sache betreibt er, indem er auf „die Bücherei der exquisiten Zeitschrift Saturn (Saturnverlag, Hermann Meister, Heidelberg)“ verweist.154

      In „Mehr Licht!“ verteidigt Kramer die christliche Religion gegen Anfeindungen von Schwaner und Konsorten: „Mag an dem Kirchentum früher und auch jetzt manches auszusetzen sein, das Christentum Jesu und dessen hoher ethischer Gehalt werden dadurch nicht um Haaresbreite herabgesetzt.“155 In der folgenden Ausgabe meldet sich Fahrenkrog zu Wort und erläutert weitschweifig die Religion der heidnischen Vereinigungen. Sein Beitrag endet mit dem Bekenntnis: „Wir können nicht mehr der christlichen Kirche angehören – wir sind zu uns selber gekommen. Wir: Schwaner, Rehse, Weißleder, […] und Fahrenkrog.“156

      Kramer reagiert auf diesen Artikel mit einem Beitrag eines gewissen Alwin Menz zum Thema: „Paul Zech, ein neuer Vollblutlyriker“. Darin heißt es: „Rührend ist das religiöse