Die Leben des Paul Zech. Alfred Hübner

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Название Die Leben des Paul Zech
Автор произведения Alfred Hübner
Жанр Биографии и Мемуары
Серия
Издательство Биографии и Мемуары
Год выпуска 0
isbn 9783945424926



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ich Sie gelegentlich im Café begrüßen dürfte. Vielleicht am Samstagnachmittag um sieben Uhr, dann sind die Literaten noch nicht da.“ Seine Frau darf vom Wiederaufleben der Beziehung nichts erfahren: „ich kann Ihnen dann auch sagen, wie wir eine isolierte Korrespondenz in Szene setzen können.“

      Ein Satz in diesem Brief belegt das Gespür des Schreibers für literarische Qualität: „Dass Ihnen Toni Schwabes ‚Tristan und Isolde‘ etwas geschenkt hat, freut mich“. Nach der Jahrhundertwende ist von Thomas Mann die Frage gestellt worden: „Wer kennt ‚Die Hochzeit der Esther Franzius‘ von Toni Schwabe?“116 Zech gehört zur kleinen Anzahl derer, die darauf mit „Ich!“ hätten antworten können. Er ist auf die Schriftstellerin durch Verse von ihr aufmerksam geworden, die A. R. Meyer als „Lyrisches Flugblatt“ herausgebracht hat.117 Schwabe besitzt nicht nur den Mut, ihre lesbische Veranlagung öffentlich zu machen, sondern tritt für gleichgeschlechtliche Liebe unter Frauen ein. Zech empfiehlt Schattke den Text auch deshalb, weil dessen Verfasserin mit deutlichen Worten erotische Phantasien beschreibt. Die Freundin fragt nach Schwabes Adresse, um mit ihr Verbindung aufzunehmen. Das verhindert Zech, indem er fabuliert: „Die Adresse der Dame kann ich Ihnen jedoch nicht sagen, da Toni Schwabe als Gattin eines Gesandten sich irgendwo im Ausland aufhält.“118 In Wirklichkeit lebt und arbeitet sie als Autorin und Verlegerin in Jena.

      Ende November findet im Berliner „Architektenhaus“ die Premiere einer Reihe von „Vorleseabenden“ aus Neuerscheinungen des Verlags A. R. Meyer statt. Im Verlauf der Veranstaltung werden Zechs Gedichte erstmals öffentlich in der Hauptstadt vorgetragen. Ihr Verfasser ist nicht anwesend. Zwei Autoren bringen ihre Werke persönlich zu Gehör. Heinrich Lautensack rezitiert aus seiner „Pfarrhauskomödie“, liest dabei aber die Szenenanweisungen mit, was unfreiwillig komisch wirkt und beim Publikum zu Ermüdungserscheinungen führt. August Vetter trägt Verse aus seinem lyrischen Flugblatt „Das offene Buch“ vor, spricht aber zu leise. Das Publikum droht vollends einzuschlafen. Das ändert sich, als Resi Langer, Meyers Gattin, auftritt und mit Charme den Abend rettet. Zu den Autoren ihres Repertoires gehört auch Zech. Dieser bedankt sich im Nachhinein bei der Künstlerin, indem er ihr das Gedicht „Zum Abend“ widmet.119

      Im „Sturm“ finden sich erneut drei Gedichte Zechs, was Waldens Wertschätzung für den Autor zeigt.120 Bestätigt wird ihm das durch Lasker-Schüler: „Herwarth hat Sie sehr gern. Und ich glaub es beruht auf Gegenseitigkeit.“ Weiter teilt sie ihm mit: „Wir freuen uns wenn Sie ganz in Berlin wohnen, Paul Zech. […] Wann ziehen Sie hierher?“121 Das weiß dieser selbst nicht. Ihn beschäftigt ein anderes Problem, das sein Schaffen betrifft. Mit den Gedichten aus jüngster Zeit ist ihm zwar der Anschluss an die Moderne gelungen, aber als freier Autor muss er möglichst viele Texte zu Geld machen. Das geht leichter mit seiner älteren Lyrik. Obwohl er außer im „Sturm“ auch Beiträge in progressiven Zeitschriften wie „Licht und Schatten“, „Arena“ und „Die Schaubühne“ veröffentlicht, kann er mit deren Honoraren den Lebensunterhalt für sich und seine Familie nicht bestreiten. Weiterhin muss er mit den Lokalblättern zusammenarbeiten, um Einnahmen zu erzielen.

      Aus finanziellen Erwägungen nimmt Zech wieder Verbindung mit Münchhausen auf, legt ihm ältere Gedichte vor und erläutert, wie sein nächstes Buch aussehen soll: „Ich habe nun den schönen Winter zur Verfügung um aus dem vorhandenen Material das wertvollste herauszusuchen, damit eine kleine Sammlung zustande kommt. […] Die Quantität tuts ja nicht. Aber ich werde mich hüten, Gleichgültiges mit aufzunehmen.“122 Für diese Publikation stellt er Verse zusammen, die er gegenüber Heym als „Versuche“ bezeichnet hat. Einige davon sind schon von Münchhausen begutachtet worden. Dazu bemerkt der „Schüler“: „Wendungen, die Sie gerügt haben, und ich fühle es, wie berechtigt das war, habe ich umgearbeitet. Wo es nicht anging, ließ ich das ganze Gedicht fallen.“ Münchhausen antwortet ihm: „[…] einliegend die Verse zurück, auf die ich wie immer ein paar Notizen, – kurz, grob aber ehrlich! – schrieb, ich freue mich sehr auf Ihr Buch und denke, dass es hübsch werden kann. Allerdings: in zwei Jahren würde es vielleicht ein wirklich erstklassiges Buch werden!“123 Damit ist bei seinem Adepten die Schmerzgrenze erreicht. Das Urteil des Barons, er halte die Gedichte in ihrer jetzigen Form für zweitklassig sowie die kritischen Randbemerkungen machen ihn zornig. In Windischleuba fragt er nicht mehr um Rat.

      Außer dem Erscheinen eines zweiten Lyrikbandes hat Zech Stefan Zweig auch sein Kommen angekündigt. Der Kollege antwortet: „Ich freu mich nun auf Ihr Gedichtbuch und Ihren Besuch in Wien: beides wird mir gute Gelegenheit bieten, Ihnen zu zeigen, wie sehr ich schlechter Briefschreiber Ihnen gut bin. Dass es doch bald wäre, ich bin schon ungeduldig, es Ihnen beweisen zu können.“124 Was er nicht weiß: Zech fehlt das Geld für eine solche Reise. Der Autor kann sich nicht einmal eine Fahrkarte nach Berlin leisten, um dort mit Lasker-Schüler über den geplanten Umzug in die Hauptstadt zu sprechen. Zudem muss er Tag für Tag viele Stunden an der Schreibmaschine sitzen, damit Honorar eingeht.

      Einen Tag vor Heiligabend will Zech Wegener nochmals im „Café Holländer“ treffen: „Ich muss Ihnen mancherlei sagen und können Sie mir dann auch nicht die beiden Rilkebücher mitbringen?“125 Eine Abwendung vom Werk dieses Dichters, wie er sie Münchhausen angekündigt hat, ist nicht erfolgt. In seinem Schaffen findet er sich dieser Tage bestätigt: An Weihnachten steht in der Beilage des „Prager Tagblatts“ das erste seiner „Waldpastelle“.126

      Zech wirft Emmy Schattke scherzhaft vor: „Sie haben anscheinend vergessen, dass in Elberfeld jemand wohnt, der sich nach ein paar Zeilen seiner Freundin sehnt, zumal ihm gerade jetzt, unter dem Druck maßloser Enttäuschungen, ein liebes Wort willkommen wäre.“ Damit kommt er auf eine ihrer Spitzen gegen seine Person zurück: „Sehen Sie, dass der von Ihnen bei mir vermutete Größenwahn eine Utopie ist?“ Aber er übt auch Selbstkritik: „Vor einigen Wochen war ich ein paar Tage in Ihrer Nähe. In Hörde und Dortmund habe ich Studien gemacht für ein ungeborenes Drama. Ein paar schäbige Gedichte sind daraus geworden. Vielleicht langts auch noch zu einer Novelle.“ Der Pessimismus ist nicht angebracht, denn die Studien führen zu seinem ersten Drama, „Der Kuckucksknecht“, das er im Verlauf des Jahres niederschreibt.127

      Dieser Tage steht Zech im Bann der Lektüre von Goethes „Faust“. Über die Besuche in Hörde und Dortmund formuliert er, auf seine Beziehung zu Schattke anspielend: „Aber das dreimal glühende Licht, das ich suche, sah ich fern durch einen düsteren Schleier ganz vage funkeln. Ich hätte gern Ihnen einen Besuch abgestattet, aber wußte ich, woran ich war[?]“ Am Wochenende soll im „Café Holländer“ ein Treffen stattfinden, von dem aber, wie immer, seine Frau nichts erfahren darf. Alternativ will er Schattke am Sonntag in Essen besuchen. Eine Antwort erwartet er „Hauptpostlagernd Elberfeld P.Z. 81“. Mit der Freundin möchte er über sein nächstes Buch sprechen, das nun endgültig „Schollenbruch“ heißt und in Kürze erscheinen wird. In ihrem Bekanntenkreis soll sie Abnehmer dafür suchen. Dann deutet er an: „Vielleicht kommt auch noch etwas anderes dazu, je nachdem Sie in Stimmung sind, denn die muss man schon bei Ihnen respektieren.“128

      Wie das Rendezvous verlaufen sein könnte, ergibt sich andeutungsweise aus Zechs nächstem Brief, den er Schattke anlässlich ihres 26. Geburtstages schreibt. Zunächst bedauert er: „Schade dass ich Ihnen nicht persönlich die Hand drücken darf und Ihnen dabei alle meine Gefühle der Hochachtung und intimster Freundschaft beweisen kann.“ Danach heißt es: „Und nun drücke ich Ihnen vielmals die Hand, die ich einmal flüchtig küssen durfte und bin ganz der Ihre“. Zechs mehr oder minder geheime Wünsche sind also bisher nicht in Erfüllung gegangen. Dennoch argwöhnt Helene weiter, die Freundschaft zwischen Paul und „dieser Lehrerin“ könnte mehr als platonisch sein. Sie verübelt ihrem Mann auch die Armut, in der die Familie steckt. Schattke erfährt: „Mein Leben schleppt sich nun so zwischen Sorgen und Lichtblicken hin. Sorgen finanzieller Art und Erfolge auf künstlerischem Gebiet. Das bringt ja nur leider nichts ein!“ Der Freundin gelingt es, für „Schollenbruch“ Käufer zu finden, der Autor selbst hat damit wenig Erfolg: „Von 60 Karten, die ich an die Mitglieder des Persönlichkeitsbundes gehen ließ, ist nicht eine Bestellung eingelaufen. So sind Bundesbrüder!“ Als Anlage schickt