Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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errichtete Einkaufszentrum vom CentrO, vor allen Dingen von der gesamten Neuen Mitte als Konzeption deutlich unterscheiden. Wie ist es ihnen gelungen, den Investor Herrn Healey von den Oberhausener Vorstellungen zu überzeugen, nämlich ein breit aufgestelltes, differenziertes Dienstleistungszentrum zu entwickeln?

      Das war an sich gar nicht so schwer. Schwieriger waren die amerikanischen Architekten, die Herr Healey mitbrachte, – RTKL, ein amerikanisches Architekturbüro. RTKL hatte viele Shopping-Malls in Amerika gebaut und war auch in Sheffield maßgeblich beteiligt. Die RTKL-Architekten hatten das Ziel, wie es in Amerika üblich ist, dass die Shopping-Malls in sich geschlossene Systeme sind, mit nur vier Eingängen für alle Himmelsrichtungen. Wir wollten aber das Ganze eher mediterran öffnen, in die Stadt integrieren. Darauf sollten die baulichen Strukturen aufbauen. Uns gelang es, die ganze Mall nach außen zu öffnen, also keinen geschlossenen Baukörper zu bilden. Deshalb findet man da sogar zu den Parkplätzen Schaufenster. Das haben wir mühevoll durchgesetzt bei den Architekten. Herr Healey war für diese Fragen sehr offen, hat dafür sogar mehr Geld in die Hand genommen, als funktional notwendig gewesen wäre, wie übrigens für die Begrünung auch. Das haben wir alles gemeinsam in einem mühevollen Prozess erarbeitet. Dafür war besonders wichtig, deutsche Architekten einzubeziehen. In einem Wettbewerb unter Beteiligung internationaler Büros haben wir schließlich RKW aus Düsseldorf ausgewählt. RKW hat es dann übernommen, die Übersetzung der Stadtplanungsideen von Herrn Kuhn und der Stadt in eine architektonische Gesamtlösung zu überführen.

      Am Anfang erzählte Herr Healey mir, hatte er vor, schon in Sheffield um die Meadow-Hall herum mehr zu bauen, mehr Entertainment zu etablieren, weil er schon die Grundidee hatte, das Einkaufen neu zu positionieren.

      Wir haben damals im Planungsprozess wirklich versucht, weltweite Entwicklungen aufzunehmen. Wo sind Dinge, die wir auf keinen Fall wollen und wo gibt es Ansätze, aus denen wir etwas lernen können? Wir hatten auch eine intensive Diskussion mit der IBA und ihrem Direktor Karl Ganser, der gerade an der touristischen Stadtentwicklung in Deutschland an exponierter Stelle mitgewirkt hat. Dadurch wurde der Plan immer besser und die Akzeptanz nahm zu. Wir kamen immer mehr dazu, neue Wege zu gehen zu einem neuen Zentrum, wo man Einkaufen mit Tourismus verknüpft, so wie es das in Deutschland noch an keiner Stelle bisher gab und auch bis heute nicht gibt. Dabei wollten wir das Ruhrgebiet nicht amerikanisieren, sondern wir wollten schon die europäischen Stadtentwicklungs- und Stadtbilder übertragen wissen. Und der nächste Schritt war, dass wir das Wohnen in die Neue Mitte hineinziehen wollten. Das ist aus vielerlei Gründen nicht gelungen. Einerseits lagen die Ursachen in den Eigentumsverhältnissen begründet, weil die Grundstücke nicht in unserer Hand waren. Andererseits gab es baurechtliche Einschränkungen. Die Abstandserlasse setzten gewisse Grenzen, weil rundherum immer noch Industrie und Gewerbe vertreten war. Das hat sich erst später, als das Stahlwerk Oberhausen im Dezember 1997 stillgelegt wurde, relativiert.

      Aus der Perspektive der Landesplanung und der Landesregierung Nordrhein-Westfalen gehörte die Darstellung eines hohen ÖPNV-Anteils an den Verkehren zur Neuen Mitte zu den wichtigen Vorgaben. Das erforderte die Planung eines neuen ÖPNV-Konzeptes für Oberhausen, was wiederum zur Wiedereinführung der Straßenbahn von 1994 bis 1996 führte. War die neue zentrale ÖPNV-Trasse für Sie schlicht eine Notwendigkeit zur Realisierung der Neuen Mitte oder doch mehr die Chance zu einer grundsätzlichen Neuausrichtung des öffentlichen Nahverkehrs in Oberhausen?

       Abb. 4: Innenaufnahme aus dem Centro-Mitteldom, 1996

      Der entscheidende Punkt war wirklich, schon unter Klimaschutzgesichtspunkten – obwohl das damals nicht wie heute das politische Thema Nummer eins war – zu überprüfen: Welche Transportmöglichkeiten gibt es, um die erwarteten Käuferströme leistungsfähig zu bedienen? Was sind die effektivsten Methoden, was sind auch die umweltfreundlichsten? Das spielte damals schon eine große Rolle. Ich möchte auf Folgendes zurückkommen: Das Projekt Neue Mitte sollte eine neue Mitte für Oberhausen werden. Und von daher sollte sie auch erschließungstechnisch eine neue Mitte werden. D. h. wir wollten von da aus auch die Stadtquartiere anbinden. Wir haben die Straßenbahn von Mülheim über die Innenstadt von Oberhausen am Hauptbahnhof vorbei, dann in die Neue Mitte und von dort bis in die Innenstadt von Sterkrade weiter geführt. Es gab aber auch Planungen, sie sogar bis nach Schmachtendorf zu führen. Wir haben die Trassenplanung dafür gemacht. Auch in Richtung Essen wollten wir Oberhausen anbinden. Das alles war durchgeplant, war durchgerechnet. Es hat eine lange Diskussion darüber gegeben, ob wir unsere Ziele mit der Straßenbahn erreichen können. Denn eine U-Bahn, das war uns klar, wäre viel zu teuer gewesen. Duisburg baute damals eine U-Bahn-Verbindung für 120 Millionen D-Mark pro Kilometer. Das war jenseits jeder Realisierungschance. Wir haben andererseits diskutiert, ob man das Verkehrsvolumen mit dem Bus-Verkehr bewältigen kann. Da hat es schon heftige Diskussionen gegeben. Der damalige STOAG-Vorstand wollte unbedingt Busse. Ich war sehr früh für die Straßenbahn als Verkehrsmittel, weil wir viele nicht mehr genutzte Werksbahntrassen hatten und es bot sich einfach an, diese als neue Straßenbahntrassen zu nutzen. Das haben wir dann ab dem Hauptbahnhof realisieren können. Deshalb war das Ganze relativ preisgünstig. Es hat sich im Alltag schließlich auch bewährt. Man konnte einen relativ hohen ÖPNV-Anteil im ▶ Modal Split aller Verkehrsmittel erreichen, also den von etwa zwölf Prozent auf 25 bis 30 Prozent stark erhöhen ÖPNV–Anteil an allen Verkehrsmitteln. Ein weiteres Ziel war, hohe Grünflächenanteile zu erreichen. Die Landesgartenschau 1999 in Osterfeld war ein Teilprojekt der Neuen Mitte. Ehemals verbotene, mit ▶ Altlasten verseuchte Flächen, sollten der Freizeitgestaltung zugeführt werden. Im Nachhinein betrachtet lässt sich feststellen, wir haben uns damals durchaus auf der Höhe der Stadtentwicklungsdiskussion in Deutschland bewegt.

       Dann spielt ja neben dem CentrO über viele Jahre hinweg bis heute der Gasometer eine ganz herausragende Rolle für das touristische Erscheinungsbild der Stadt, auch sicherlich für die Identifikation der Oberhausener mit ihrer Stadt. Der Gasometer am Rhein-Herne-Kanal ist heute einer der spannendsten Ausstellungsräume, die es in Deutschland gibt. In den 1990er Jahren gab es eine spannungsreiche und emotionsgeladene Entscheidungsphase über den Abriss oder den Erhalt des Gasometers. Öffentlichkeit und Politik waren durchaus gespalten. Wie war Ihre persönliche Haltung in dieser Entscheidungssituation?

      Die Ruhrkohle hatte 1992 den Abriss des Gasometers bei der zuständigen Bauordnungsbehörde beantragt und die hatte den Abriss genehmigt. Und dann lag die Genehmigung für den Abriss auf meinem Schreibtisch. Ich habe sie festgehalten und die Diskussion abgewartet. Die Diskussion wurde sehr stark von einigen Oberhausener Aktivisten, Roland Günter, Hartwig Kompa und Walter Kurowski seien hier genannt, vorangetrieben. Aber auf der anderen Seite ebenso von Professor Karl Ganser, dem Direktor der Internationalen Bau Ausstellung Emscher Park. Die ersten Nutzungsideen kamen auf und Projektvorschläge wurden auf den Tisch gelegt. Eine Idee war, den Gasometer zum Hochregallager umzubauen. Dann wollte jemand mit alten Lufthansa-Flugzeugstühlen ein Planetarium einbauen. Es gab also die verrücktesten Ideen bis zum Indoor-Golfplatz. Aber all diese Projektideen haben mich nicht überzeugt und ich war dann wirklich der Meinung, wir können es uns finanziell nicht erlauben, das Ding zu unterhalten. Deshalb war ich eher geneigt, die Abrissgenehmigung an die Ruhrkohle weiter zu geben.

      Doch dann kam Herr Ganser und stellte mir das Projekt „Feuer und Flamme“ vor. Das war eine Ausstellung über die Industriegeschichte des Ruhrgebietes. Er hat mir dazu die Umbaupläne gezeigt. Ich bin dann mit ihm im Gasometer gewesen, wir sind unten in den Gasschlauch hinein gekrochen, da hing die Scheibe noch ganz tief. Er hat mich schließlich überzeugt, dass es Sinn macht, aus dem Gasometer eine Ausstellungshalle zu machen. Nun kommt aber Eddie Healey wieder ins Spiel. Es ging damals wie heute bei allen Projekten um Fördermittel. Die waren damals zwar leichter zu bekommen als heute, aber nicht so der Eigenanteil. Mir war eines klar: Wenn ich in den Rat der Stadt mit dem Vorschlag gehe, dass die Stadt 640.000 D-Mark als Eigenanteil auf den Tisch legen sollte, würde ich scheitern. Denn die Haushaltssituation war damals ähnlich wie heute, so dass man keine zusätzlichen Ausgaben tätigen wollte und konnte. Und dann bin ich zu Herrn Healey gegangen und habe gesagt: „Mr. Healey, für Ihr Projekt da unten am Fuß des Gasometers brauchen wir ein industriekulturelles Erbe wie den Gasometer. Sind Sie bereit, die 640.000