Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

Читать онлайн.
Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



Скачать книгу

die Investition auch kommen würde, dass auch das Land NRW bereit war, die Baureifmachung des Geländes zu finanzieren. Trotzdem: Als wir im Oktober 1991 an die Öffentlichkeit gingen, war zunächst die Skepsis sehr groß. Das Stigma, dass Politik und Verwaltung Projekte ankündigten und sich dann die Realisierung zerschlägt, war noch tief verwurzelt. Die Bevölkerung verhielt sich folgerichtig dem Projekt gegenüber zunächst sehr, sehr zurückhaltend. Die Aufmerksamkeit in den Medien war riesengroß. Dem folgte eine kritische Diskussion. Es wurde öffentlich infrage gestellt, ob das Projekt realisierbar sei oder wieder durch Klagen verhindert werden würde. Ebenso wurden die Auswirkungen auf die Stadtteile innerhalb von Oberhausen und auf die Nachbarstädte diskutiert. Allerdings ließ das, nachdem die Realisierungsphase begann, mehr und mehr nach. Step by Step konnte man das an der Stimmung in der Bevölkerung messen. Weil sich dann seit 1993 die Kräne drehten, wurde erkennbar, dass man nicht über Visionen, sondern über ein reales Investment – in Beton gegossen – sprach.

       Im Nachgang entsteht durchaus der Eindruck, dass die Erfahrung des World Tourist Centers vom Ende der 1980er Jahre durchaus das Stimmungsbild und die Wahrnehmung von Strukturwandelchancen der Oberhausener Bevölkerung stark beeinflusst hat. Was waren aus ihrer Sicht die entscheidenden Bedingungen für die erfolgreiche Realisierung des CentrO, die zugleich auch den Unterschied zur Situation um das World Tourist Center ausmachten?

      Ich scheue wirklich davor zurück, den Vergleich mit dem World Tourist Center zu ziehen, denn damals war ich noch nicht in Oberhausen. Was wir beim Projekt Neue Mitte Oberhausen (NMO) anders gemacht haben, beginnt schon mit dem Namen. Wir haben wirklich versucht, das Projekt mit einer Dachmarke zu versehen, alleine, um die Kommunikation auf „die richtige Bahn“ zu bringen. Außerdem: Die Partner, die wir als Investoren hatten, verfügten über Erfahrung mit dem Strukturwandel. Die Healeys haben in Sheffield ein vergleichbares Projekt realisiert, in der trostlosesten Landschaft aus Industrieruinen, die man sich nur vorstellen kann.

      Aber: Der entscheidende Faktor, neben dem überzeugenden, ganzheitlichen Konzept war die Phase der Aktivierung und der Kommunikation. Ich alleine habe in Oberhausen und Umgebung damals um die 250 Veranstaltungen in einem Jahr durchgeführt – nur zum Thema Neue Mitte. Und neben mir haben dieses viele andere Akteure ebenso gemacht. Vom Einzelhandelsverband Essen-Borbeck über die katholische Jugend bis zu den Gewerkschaften, alle wurden direkt umfassend informiert. Wir haben im Grunde durch direkte Kommunikation versucht, das Projekt zu erklären. Und daneben gab es kontinuierlich die Kommunikation über Newsletter und Medienberichte. Wir haben die Landtagsabgeordneten und die Oberbürgermeister der Region sowie die Bezirksplanungsräte regelmäßig mit schriftlichen Informationen versorgt. Und auch für die breite Bevölkerung wurde immer wieder in periodischen Publikationen berichtet: Jetzt ist der Bebauungsplan zur Rechtskraft gelangt, jetzt fangen die Abbrucharbeiten an, jetzt wird der Grundstein gelegt usw. Wir haben intensiv kommuniziert. Und das war aus meiner Sicht ein wesentlicher Grund dafür, warum sich keine großen Widerstände aufbauten. Widerstände, die es dann zwar immer noch mal gegeben hat, kamen vor allen Dingen aus den Nachbarstädten. Obwohl wir versucht haben, die Nachbarn in Arbeitskreisen mit einzubeziehen und ihnen die Möglichkeit zu geben, den Planungsprozess mitzugestalten. Letztlich sind die formal vorgetragenen Widerstände vor dem OVG in Münster gescheitert. Die Stadt hat in allen Belangen ein rechtssicheres Planungsverfahren durchgeführt.

       Wenn man sich die Situation Oberhausens im Vergleich mit den Nachbarstädten um das Jahr 1990 betrachtet, dann kann man sagen, Oberhausen war auf der Landkarte des Einzelhandels und der Freizeitwirtschaft zum damaligen Zeitpunkt eher ein weißer Fleck. Vor dem Hintergrund stellt sich sicherlich noch einmal die Frage, welche Stellung die Region und das regionalpolitische Management zugunsten des Projektes eingenommen haben?

      Es stimmt, dass es ohne die regionale Akzeptanz sehr schwer gewesen wäre, die Neue Mitte Oberhausen umzusetzen. Die regionale Akzeptanz ist durch die Kommunikation sicherlich gefördert worden, aber vor allem auch durch das Projekt selber, weil das touristische Gesamtkonzept der NMO allgemein als regional nützlich anerkannt wurde. Auch schon in den frühen Anfängen spielte dabei die Akzeptanz innerhalb des IBA-Prozesses eine große Rolle. Insbesondere der Erhaltung des Gasometers als IBA-Projekt in der Neuen Mitte Oberhausen kam dabei eine enorme Bedeutung zu. Oder auch der Umbau des Werksgasthauses zum Technologiezentrum, als weiteres IBA-Projekt mitten in der Neuen Mitte. Das waren Ankerpunkte, die regional im IBA-Prozess von Herrn Ganser, dem Direktor der Internationalen Bauausstellung Emscherpark, positiv begleitet wurden und dann zur Akzeptanz auch des konsumorientierten Teils des Gesamtprojektes beitrugen.

      Bezogen auf die Situation im Einzelhandel kann man sagen, dass sich die Marktstraße um 1992 längst im Abschwung befand. Als Versorgungszentrum hatte sie über den Stadtteil Alt-Oberhausen hinaus keine Bedeutung mehr. Das war eine Entwicklung, die sich schon in den 1970er/​1980er Jahren abgezeichnet hatte. Wir haben nachgewiesen, dass Kaufkraftströme längst an Oberhausen vorbei gingen. Der Kaufkraftabfluss in die Nachbarstädte, aber auch nach Düsseldorf, war enorm. Wir konnten sagen: Wir binden Kaufkraft wieder in Oberhausen. Dabei bestand der Ansatz von Beginn an nicht darin, nur Kaufkraft aus Oberhausen zu binden, sondern immer stand der touristische Ansatz im Vordergrund der Projektidee. Das hat dann dazu geführt, dass vom CentrO als ein Baustein in der Neuen Mitte kaum Zentrenschädlichkeit für die Nachbarkommunen ausging, weil der Einzugsbereich durch den touristischen Ansatz so breit angelegt war.

       Abb. 2: Modell des geplanten CentrO, 1993

       Aus heutiger Perspektive haben sicherlich viele Menschen in Oberhausen den Eindruck, dass einzelne Personen von großer Bedeutung für die Realisierung des Projektes waren. S. haben der damalige Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond oder der nordrhein-westfälische Finanzminister Heinz Schleußer und eben Sie persönlich ganz entscheidend für die Realisierung des Projektes gewirkt. Wie kann man sich das vorstellen? Wie hat die praktische Zusammenarbeit zwischen diesen wichtigen Oberhausener Akteuren ausgesehen?

      Grundsätzlich hängen alle Entwicklungen von Ländern, von Städten, von Regionen immer von den handelnden Personen ab. Und wenn Personen nicht miteinander harmonieren, wenn die verschiedenen Entscheidungsträger in einem solchen Entwicklungsprojekt nicht auf einer gewissen gemeinsamen Vertrauensbasis agieren, dann ist das meist das Ende für solche komplexen Projekte. Misstrauen raubt Zeit, raubt Kreativität und behindert letztendlich den Fortschritt. Man muss sagen, das war damals schon ein einmaliges Zeitfenster, das wir da erwischt hatten. Mit Johannes Rau als Ministerpräsident in Düsseldorf hatten wir einen Fürsprecher für den Strukturwandel im Ruhrgebiet und auch für dieses Projekt. Er wusste genau, was hier passierte. Wir hatten die Unterstützung des gesamten Landeskabinetts, also von Klaus Matthiesen als Umweltminister, über Franz Josef Kniola und später Ilse Brusis als Städtebauministern oder auch von Manfred Dammeyer als dem Fraktionsvorsitzenden der SPD– Landtagsfraktion. Alle entscheidenden Akteure auf Landesebene haben dieses große Projekt im Hinblick auf die Notwendigkeit des wirtschaftlichen Strukturwandels im Ruhrgebiet gefördert. Das besondere politische Gewicht des damaligen Finanzministers Heinz Schleußer war allerdings unser größter Rückhalt. Auf dieser Basis war es auch sehr nützlich, dass ein Vertrauensverhältnis in der Stadt zwischen dem damaligen Oberbürgermeister und mir als Oberstadtdirektor, aber auch mit der Spitze der SPD-Fraktion, Herrn Groschek sowie mit Herrn Schanz als dem Parteivorsitzenden bestand. Auch das Verhältnis zu der großen Oppositionsfraktion im Rat, der CDU, war ausgesprochen gut. Die CDU hat das Projekt ebenso mitgetragen wie die FDP. Nur die Grünen waren damals so wie heute skeptisch, standen abseits. Es hat sich später mit der Person von Herrn Pohlmann als Fraktionssprecher geändert. Jedoch andere Grüne wollten mit dem Projekt nie etwas zu tun haben und haben das CentrO auch kontinuierlich bekämpft.

      Die eben genannte persönliche Vertrauensbasis in der politischen Führung der Stadt, über belastbare Kommunikationswege organisiert, war sicherlich eine Voraussetzung dafür, dass es gelungen ist, die ganze Stadtbevölkerung mitzunehmen. Wir haben damals mit hohen Zustimmungsraten von über 80 Prozent, die sich letztendlich auch in Wahlergebnissen niederschlugen, die gesamte Bevölkerung in Oberhausen in eine positive Stimmungslage versetzen können. Es hatte sich verfestigt, dass aus dem Rathaus kein