Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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      Euro Auctions Immobilien hatte zugegeben keine Erfahrung im deutschen Immobiliengeschäft. Doch EAI zog von Beginn der Kontakte an hochkarätige Experten aus der Region und aus ganz Deutschland heran. Auch Londoner Finanzexperten begleiteten Kauf und Projektentwicklung. In 2006 wurde eine Arbeitsgruppe aus Stadt, PBO, EAI und deren Experten eingerichtet, um gemeinsam an der Zukunft des SWO-Geländes, so der neue Name für das Gelände des vormaligen Stahlwerks Oberhausen, zu arbeiten. Und bis ins Jahr 2007 hinein gaben Investorenkontakte ebenso wie die Planungen der EAI-Entwickler Grund zur Zuversicht, dass um die drei im Vertrag genannten Themen eine Vermarktung und Besiedlung der Fläche gelingen werde. Somit war weder im ersten Halbjahr 2006 noch viele Monate später Grund zu der Annahme vorhanden, EAI habe das Gelände nur erworben, um es als beliebiges Spekulationsobjekt schnell weiter zu verkaufen, oder aber um dort Auktionen für Baumaschinen abzuhalten. Erst Fehlschläge bei der Entwicklung von Gesundheitsthemen und Trends in der Automobilindustrie, die gegen eine große „Auto-Mall“ im Ruhrgebiet sprachen, mündeten 2007/​08 in eine Entwicklung, in welcher über Jahre EAI als Eigentümer nicht das nötige Maß an Professionalität und Engagement zeigte, um dieser wertvollen Fläche gerecht zu werden.

      Das Scheitern von O.VISION und die Schwierigkeiten zur strukturpolitisch hochwertigen Vermarktung der SWO-Fläche nahmen großen Einfluss auf die Wahrnehmung und Selbsteinschätzung der Oberhausener im Strukturwandel. Während die 1990er Jahre als Jahrzehnt der bahnbrechenden Erfolge erlebt und in der Rückschau bewertet wurden, erschien das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts als Zeitspanne, die von Misserfolgen, Rückschlagen, auf jeden Fall von Verlangsamung des Wandlungsprozesses, von einem Verlust an Optimismus und einem Ausbleiben identitätsstiftender Großvorhaben bestimmt wurde. Die einen verurteilten dies als Mangel an Professionalität in der Wirtschaftsförderung. Die anderen wiesen darauf hin, dass die Zeit öffentlich geförderter Großprojekte ebenso wie privat finanzierter Mega-Shopping-Malls eben vorbei sei. Oberhausen habe nicht zu klagen, dass die Zeit nach 2000 wieder ruhiger, stetiger verlief, sondern Oberhausen solle die Schaffung der Neuen Mitte ab 1992 als Besonderheit, als nicht wiederholbaren Glücksfall schätzen lernen.

      Doch wie verlief die Stadt- und Wirtschaftsentwicklung tatsächlich, jenseits verständlicher Emotionen, Hoffnungen und Enttäuschungen? S. unbestreitbar ausgebliebene Chancen auf dem SWO-Gelände ein stadtentwicklungspolitisches Ärgernis bildeten, so positiv verliefen in der zweiten Hälfte des Jahrzehnts seit 2000 andere Projekte in der Neuen Mitte Oberhausen. Sie trugen allesamt zur Arrondierung der Freizeit-Destination als erster Adresse für den Städtetourismus im Ruhrgebiet bei.

       Abb. 30: Gebäude der Stadtsparkasse an der Essener Str. 51, seit 2011 „Haus der Wirtschaftsförderung“

      In Kontinuität zur Entwicklung aus den 1990er Jahren erfuhr das Technologiezentrum Umweltschutz mit seinen Gebäudeteilen I (Werksgasthaus) und II (der gegenüber gelegene zweigeschossige Viertelkreis) ab 2003 mit dem TZU IV in der Verlängerung des TZU II eine Vergrößerung um über 6.000 auf rund 11.000 Quadratmeter Nutzfläche. Etwa 650 Arbeitsplätze sind seitdem im TZU angesiedelt. Die Erfolgsgeschichte des TZU setzte sich mit Vermietungsquoten von rund 95 Prozent und einem hohen Anteil dynamischer, innovativer Unternehmen fort. Im Mittelpunkt der Nutzungen stehen unternehmensnahe Dienstleistungen, vor allem Agenturen und IT-Dienstleister, aber mit der Nano Focus AG beispielsweise ebenfalls ein Technologie-Treiber in der Mikrosystemtechnologie. Das TZU wandelte sich damit gegenüber seiner Startphase vom umweltgeprägten Gründerzentrum zur Ideenschmiede für ein breites Spektrum jener unternehmensnahen Dienstleistungen, die fortan zum zentralen Wachstumsmotor des weiteren TZU-Umfeldes an der Essener Straße werden sollen und können: Seit 2000 konzentrieren sich auf einer Länge von nur einem Kilometer zwischen Fraunhofer Umsicht im Osten und dem TZU im Westen zukunftsorientierte Ansiedlungen an der Essener Straße. Diese bestanden im Service-Gebäude der Stadtsparkasse Oberhausen von 1999, im Ausbau des Standortes von ZAQ, Zentrum für Ausbildung und Qualifizierung, durch den Erwerb der vormaligen Thyssen-Forschung 2003. Immeo Wohnen, Beteiligung des Thyssen Krupp-Konzerns wählte mit ihren 300 Mitarbeitern den Standort 2006, ebenso wie die Full Service Agentur Move Elevator mit ihrem 80 Personen zählenden Team schon 2002. Und 2011 schließlich bündelte die Stadt Oberhausen ihre Angebote der Wirtschafts- und Tourismusförderung im „Quartier 51“, dem nun auch zum „Haus der Wirtschaftsförderung“ ausgebauten Service-Center der Stadtsparkasse. Gerade durch diesen Impuls erhält die Essener Straße die Chance, von Oberhausens Allee der Industriekultur zur Allee der Management-Kultur zu werden. Dazu trägt schließlich noch die stetige Expansion der Unternehmensgruppe Walter im Kreuzungsbereich von Essener Straße und Konrad-Adenauer-Allee bei. Hier sind rund 500 Menschen in 40 Service-Unternehmen mit den Schwerpunkten Kommunikation und Logistik für große Konzerne, wie die Siemens AG, tätig.

       Abb. 31: Technologiezentrum Umweltschutz Oberhausen (TZU)

       Abb. 32: Der 1922 bis 1925 erbaute Peter-Behrens-Bau, heute Zentralmagazin des LVR-Industriemuseums

      Trotz der Grundlegung der Neuen Mitte Oberhausen in den 1990er Jahren gilt: Der steile Aufschwung Oberhausens zu der Tourismus-Stadt in der Metropole Ruhr ereignete sich im Jahrzehnt seit 2000. Das belegen zunächst die Zahlen der Übernachtungen. Was 1994 mit 50.000 begann und bis 1999 auf 120.000 anstieg, gewann daraufhin noch beeindruckendere Dynamik: 2006 wurde die Marke von 200.000 Übernachtungen überschritten. Im Jahr der Kulturhauptstadt 2010 waren es 310.000 und in 2011 wurden 440.000 Übernachtungen in Oberhausener Hotels erreicht. Folglich braucht Oberhausen zwei neue Hotels; die Tourismusförderer sind am Ball. A propos Tourismusförderung: 2009 wählte die Ruhr Tourismus GmbH, Tochter des RVR zur Förderung des Ruhrgebietstourismus, Oberhausen zu ihrem Sitz. Dies bedeutete einen konsequenten Schritt, denn hinter Oberhausens Gästezahlen steht die permanente Ausweitung des Freizeitangebotes: Auf das nur kurzzeitig erfolgreiche Musical Tabaluga und Lillie folgte 2006 der hochwertige Ausbau der Spielstätte zum Metronom-Theater der Stage Entertainment AG. Jährlich wechselnde Produktionen ziehen hunderttausende Gäste an. Der Gasometer Oberhausen etablierte sich als die bedeutendste Erlebnis-Ausstellungshalle für spektakuläre Wechselausstellungen im Ruhrgebiet. In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt wurden über mehrere Jahre immer neue Besucherrekorde von jeweils mehr als 400.000 Gästen in 2010 und 2011 aufgestellt.

      Eine aufmerksame Betrachtung verdient dann das Marina-Gelände, weil hier einerseits Impulse für den Freizeitstandort gegeben wurden und weil hier andererseits ein Alternativkonzept zum SWO-Gelände in Bezug auf die weitere Förderung des Strukturwandels durch die Stadt Oberhausen erfolgreich umgesetzt werden konnte. Wie das SWO-Gelände wurde das Marina-Grundstück von einer Beteiligung der Stadt, der Oberhausener Bauförderungs-Gesellschaft OBG erworben. 2007 schließlich ging die OBG in der weit größeren OGM auf. Doch statt 630.000 ist die Marina-Fläche nur 80.000 Quadratmeter groß. Deshalb fielen anders als beim SWO-Gelände auch keine millionenschweren Kosten für die Projektentwicklung an. Auch verzichtete die Stadt nach ersten erfolgreichen Bemühungen – die Anlage des Hafenbeckens für knapp fünf Millionen Euro 2002 – auf die Einwerbung von weiteren Fördermitteln für eine öffentliche Infrastruktureinrichtung. Statt dessen war es möglich, die Fläche flexibel und mit langem Atem Stück für Stück zu vermarkten und dabei das vorherrschende Ziel nicht aus dem Auge zu verlieren: In fußläufiger Nähe zur CentrO-Promenade sollten vor allem Freizeiteinrichtungen entstehen, die in Ergänzung zum bestehenden Angebot die Weiterentwicklung der Neuen Mitte Oberhausen zum Zentrum des Mehrtagestourismus in der Metropole Ruhr um ein vielseitiges Erlebnisareal fördern würden. S. entstanden 2003 das Sea Life Oberhausen, Deutschlands größtes Meerwasseraquarium, 2005 die Modellbahnwelt Oberhausen MWO und 2008 der Aquapark Oberhausen, bereits in 2010 die Nummer drei unter den Erlebnis-Spaßbädern des Ruhrgebiets. Im Rahmen des Oberhausener Bäderkonzepts wurden hier zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen: Die Reduzierung der städtischen Bäder von sieben auf drei senkte dauerhaft Betriebskosten und ermöglichte zugleich eine markante Akzentsetzung