Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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eine freiwillige Aufgabe, das wissen wir. Und das hängt z. B. sehr eng zusammen mit dem Thema Kulturförderabgabe, Bettensteuer. Darin sehe ich eine große Herausforderung und mein Wunsch ist, dass hier zweckgebunden agiert wird. Das heißt, dass keine Steuer in den Städten erhoben wird, sondern eine Abgabe. Die Einnahmen, die dadurch erzielt werden, sollten teilweise der Tourismusfördergesellschaft zugute kommen, damit auf der anderen Seite die Stadt ihren Zuschuss entsprechend reduzieren kann, so dass trotzdem ein Konsolidierungseffekt übrig bleibt. Das ist für mich ganz wichtig.

      Wir haben eine positive Entwicklung durch die Kulturhauptstadt auch in der öffentlichen Wahrnehmung. Wir haben eine entsprechende Strategie vorgelegt, konsensual abgestimmt in der gesamten Region. Für mich ist wichtig, dass jetzt alle am Ball bleiben und dass eine entsprechende Finanzausstattung der Tourismusförderung geschaffen wird. Man kann nachweisen, dass Tourismusförderung wirklich Wirtschaftsförderung ist, Geld wieder in die Kasse bringt. Die durch Tourismus erzielten Umsätze fließen zehnfach wieder zurück. Bei den harten Konsolidierungsgesprächen, die in allen Städten der Region geführt werden, sollte dies zumindest in der Diskussion Berücksichtigung finden. Unsere Hauptherausforderung ist aus meiner Sicht, dass wir nach wie vor hart an dem Thema Imagekorrektur des Ruhrgebiets arbeiten müssen. Ich nenne ein kleines Beispiel. Generell ist es so, dass alle Großstädte in Deutschland etwa in der Regel vier bis fünf Mal so viele Übernachtungen haben wie Einwohner. Das Ruhrgebiet hat etwa doppelt so viele Übernachtungen wie Einwohner. Ich nehme jetzt mal nur das Kernruhrgebiet mit den großen Städten; die Kreise lasse ich weg. Das heißt also, wir haben ein etwa doppelt so hohes Volumen in Städten wie Köln, Stuttgart oder Hannover. Da haben wir einen extremen Nachholbedarf und das hat etwas mit dem Image zu tun. Es ist ja nicht so, dass wir keine kulturtouristischen, freizeittouristischen oder städtetouristischen Angebote hätten. Wir haben nach wie vor nur dieses Imageproblem. Diese riesige Herausforderung kann man nur bestehen, indem man Kontinuität beweist in der Kommunikation und Werbung nach außen. Dass man weiterhin gerade Meinungsmacher, Opinionleader in Deutschland oder auch im Ausland davon überzeugt, dass hier die Show weiter geht und das das keine einmalige Aktion war 2010, sondern dass wir wirklich mit Fug und Recht und auch mit Selbstbewusstsein ein tolles Angebot haben. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass dies möglichst viele mitbekommen. Auf der einen Seite brauchen wir die Erkenntnis, dass man auch öffentliches Geld sinnvoll in die Hand nehmen kann, um Tourismus zu fördern, weil das wirtschaftliche Effekte induziert, und auf der anderen Seite müssen wir kontinuierlich an der Imagekorrektur der Region arbeiten mit einer wirklich zielgerichteten und auch effizienten Kommunikations- und Werbearbeit.

       Haben Sie so etwas wie ein Bild vor Augen, eine Zielvorstellung, wo Oberhausen und das Ruhrgebiet vielleicht in fünf bis zehn Jahren als Touristikstandort stehen sollten oder stehen könnten?

      Wir haben quantitativ eine Vision in unserem Marketingplan zum Abschluss eingearbeitet. Und die besagt, dass wir das, was jetzt die übrigen Großstädte, die ich genannt habe, an Übernachtungsvolumen haben, im Jahr 2030 als Ziel erreicht haben müssten. Das würde bedeuten: 20 Millionen Übernachtungen im Ruhrgebiet. Heute haben wir 6,8 Millionen. Für Oberhausen umgerechnet, weil Oberhausen überdurchschnittlich touristisch attraktiv ist, würde dies eine Millionen Übernachtungen im Jahr 2030 bedeuten; 2011 sind es schon 440.000; Und auf der Angebotsseite ein entsprechendes, erweitertes Hotelinvestment.

       In welchem Marktsegmenten?

      Im guten Vier-Sterne-Bereich. Weil wir wissen, dass die Hauptzielgruppe des Städtetourismus in den nächsten 20 Jahren die gutsituierten, gut gebildeten, über viel Freizeit verfügenden, rüstigen „Bestager“ sind in der Altersklasse 55 bis 75. Die haben schon die ganze Welt gesehen, nur Deutschland noch nicht, und insbesondere das Ruhrgebiet nicht. Deshalb werden wir ein Hauptaugenmerk auf diese Zielgruppe legen, wie auf viele andere natürlich auch. Da muss man im Wettbewerb bestehen.

      Damit diese Vision Realität wird, ist es zwingende Voraussetzung, dass die Metropole Ruhr gegenüber den genannten übrigen Regionen den Abstand quantitativ und qualitativ, was die Standortqualität und Standortstruktur angeht, beibehält, oder im optimalen Fall sogar verkürzen kann. Ein weiteres Auseinanderdriften würde sich natürlich negativ auswirken auf das Erreichen der angestrebten Ziele, die ich vorher skizziert habe.

       Das verstehe ich jetzt so, dass Sie durchaus eine Chance sehen durch Kooperation zwischen Tourismusförderung und Wirtschaftsförderung für das Ruhrgebiet, durch einen engen Schulterschluss und durch eine gemeinsame Strategie.

      Genau. Wir haben eine Schnittmenge, die man mit der Begrifflichkeit Standortmarketing zusammenfassen kann. Für die Wirtschaftsförderung ist es existenziell wichtig, dass sie Rahmenbedingungen für ansiedlungswillige Unternehmen schafft oder auch hier bestehende Unternehmen hält. Wir alle wissen, dass das größte Problem Fachkräfte sind, die auch Lebensqualität und Freizeitwert nachfragen. Schon heute zeigt sich das Problem, dass wenn ein Ingenieur sich eine Stelle aussuchen kann zwischen München, Berlin und MAN Turbo in Oberhausen, dass MAN Turbo auf dem dritten Platz liegt aus den genannten Imagegründen. Wenn wir durch unsere Arbeit positiv zur Imagekorrektur der Region beitragen können, kommt das auch der Wirtschaftsförderung zugute. Umgekehrt ist es aber auch wichtig, dass die Wirtschaftsförderer das Thema Tourismus ernst nehmen, als Teil der Wirtschaftsförderung begreifen, und dass man sich gegenseitig die Bälle zu spielt, was wir ja beispielsweise jetzt auf regionaler Ebene schon machen.

      Ein schönes Beispiel ist: Wir wollen das Thema Tagungs- und Kongresstourismus stärker positionieren und das hat auch sehr eng mit Wirtschaftsförderung zu tun. Wir geben jetzt eine Studie in Auftrag, die eine umfassende Stärken-Schwächen- und Chancen-Risiken-Analyse enthält zum Tagungsstandort Metropole Ruhr. Ein wichtiger Aspekt ist hier die sogenannte Leitmarktthematik, heißt also, da wo die Region stark ist, hat sie natürlich auch deutlich größere Chancen, entsprechende Tagungen und Kongresse zu akquirieren. Nehmen wir mal das Thema Energie. Das Thema Energie ist ein ganz klarer Leitmarkt für die Region, auch erneuerbare Energien. Wir haben hier eine sehr starke Leitmesse, die E-World. Deshalb muss es Ziel der Tagungs- und Kongresswirtschaft sein, Kongresse und Tagungen zu diesem Thema verstärkt hier her zu holen. Dadurch wird eine Region glaubwürdig, zumal wir hier die Fachkompetenz auch im Forschungs- und Entwicklungsbereich haben. Daraus entsteht die Glaubwürdigkeit, dass ein Kongress hier richtig angesiedelt ist. Es kommen Kongressteilnehmer aus aller Welt, um hier die Best-Practice-Beispiele zu sehen. Das gilt beispielsweise auch für das Themenfeld Logistik und für andere Themen wie industrielle Dienstleistungen, ebenso für das Thema Gesundheitswirtschaft. Dabei muss man Kongressveranstalter ansprechen, die sich auf diese Themen spezialisieren. Da sehe ich ein ganz wichtiges Thema, bei dem wir ja auch schon gut mit der Wirtschaftsförderung Metropole Ruhr unterwegs sind.

       Ich würde gerne zum Schluss über den Tellerrand hinaus blicken. Wir hatten im letzten Jahr das Kulturhauptstadtjahr 2010 und da zum ersten Mal ein Zusammenwirken aller Kommunen im Ruhrgebiet. Die von Ihnen skizzierten Ziele für die nächsten fünf bzw. zehn oder auch fünfzehn Jahre werden mit Sicherheit ohne eine regionale Kooperation nicht leistbar sein. Wie kann man diese aus den Erfahrungen des Kulturhauptstadtjahres jetzt weiter entwickeln?

      Ein ganz wichtiger Ansatz ist für uns, dass man durch Motivation und Überzeugungsarbeit alle an einen Tisch bekommt. Also nicht verordnet und erst recht nicht gesetzlich legitimiert oder institutionalisiert. Das große Geheimnis der Kulturhauptstadt, aber auch beispielsweise einiger Projekte die wir machen, ist, dass sich alle unter einem gemeinsamen Themendach versammeln, mit gemeinsamer Kraft in diesen Themenbereich investieren und dadurch hinterher davon profitieren. Die Extraschicht ist da ein tolles Beispiel. Wo alle 50 Partner in rund 45 Städten alle unter diesem Themendach mitsegeln und auch für sich als lokaler Standort davon profitieren. Indem sie das Große und Ganze mit unterstützen und ein Teil des Großen und Ganzen sind, entwickelt sich überregionale Schlagkraft.

      Ein anderes Beispiel ist der Ruhrtalradweg. Genau das Gleiche: 23 Kommunen im Sauerland und im Ruhrgebiet kooperieren. Jede Kommune für sich alleine hätte nie die Kraft und die Möglichkeit, in der Kommunikation, in der Werbung so eine Schlagkraft zu entwickeln. Aber gemeinsam kommen wir auf ein ordentliches Budget, welches wir gezielt einsetzen. Dann profitieren alle am Ruhrtalradweg befindlichen Kommunen und die beteiligten