Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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befreit. Dieses wäre nicht möglich gewesen, wenn wir nicht eine große Gruppe von Multiplikatoren gewonnen hätten, die das Projekt mit trugen. Dazu gehörte sicherlich auch das Verhältnis zur Wirtschaft. Die Wirtschaft hat viel schneller als manche andere in der Öffentlichkeit erkannt: Es bewegt sich was, es kommen Investitionen in die Stadt. Unsere wichtigsten Multiplikatoren nach innen wie nach außen kamen aus der Wirtschaft. Bei der IHK für Essen, Mülheim, Oberhausen, ob der Senior Kurt Löwenthal oder Manfred Assmacher oder später Dirk Grünewald. All jene, die aus Oberhausen in diesen Wirtschaftsgremien vertreten waren, wurden auf einmal zu ganz praktischen Wirtschaftsförderern der Stadt Oberhausen und haben das Projekt mit Verve vertreten. Auf die konnte man sich verlassen. Das waren alles Bausteine, die das Fundament gebildet haben für so ein riesiges Investitionsvorhaben, das im Ruhrgebiet seit Opel nicht mehr vorgekommen war. Das setzte auch die Region in Erstaunen.

       Abb. 3: Haupteingang des CentrO vor der Erweiterung von 2011/​2012

       Viele Zeitzeugen und die Tagespresse haben Mitte der 1990er Jahre ganz besonders wahrgenommen und hervorgehoben, dass es bei der Entwicklung und Realisierung des Projektes Neue Mitte Oberhausen ein starkes Vertrauensverhältnis zwischen Ihnen und dem Investor Eddie Healey gab. Können Sie uns das schildern, vielleicht besondere Situationen, die besonders in Erinnerung geblieben sind?

      Also prinzipiell ist das richtig. Als ich zum ersten Mal das Projekt präsentiert bekam, am 14. März 1991, bin ich aus der Präsentation gegangen und hab’ zu Herrn Fassbender, der mich damals als Leiter der Projektgruppe O. 2000 begleitet hat, gesagt: „Das Projekt wird nie etwas. Das ist zu groß, zu gigantisch. Das können wir nicht umsetzen. Oh weh, oh weh …“.

       Und das aus Ihrem Munde!

      Also es war mir nach 14 Tagen als Oberstadtdirektor in Oberhausen einfach eine Nummer zu groß. Dann kam aber Herr Healey einige Tage später ins Rathaus und da fand ich den Mann sehr überzeugend. Das hat meine Skepsis jedoch nur bedingt gemindert. Daraufhin bin ich sehr schnell nach Sheffield gereist. Und als ich dann von der Innenstadt von Sheffield durch diese Industrieruinen fuhr und auf einmal dieses riesige Investment sah, da kam bei mir erstmalig der Gedanke: „Wenn der das hier kann, dann gibt es vielleicht doch eine Realisierungschance in Oberhausen“. Der Eindruck vom Umfeld der Meadow Hall war wirklich schlimmer, als jeder Stadtteil im Ruhrgebiet nur sein kann. Und dann war es sicherlich Eddie Healey mit seiner visionären Überzeugungskraft und seiner Flexibilität, der mich davon überzeugt hat, dass man das schaffen kann.

      Wobei eines witzig ist: Ich habe ja später für Amerikaner gearbeitet. Ich glaube, mich im Englischen inzwischen gut ausdrücken zu können. Damals war mein Englisch aber so verkümmert, dass ich mich kaum mit Eddie Healey unterhalten konnte. Das war mehr auf Augenkontakt aufgebaut. Wir haben auch nie telefoniert. Darüber hat er sich in späteren Jahren einmal amüsiert. „Wir haben gemeinsam beinahe eine neue Stadt gebaut, ohne je miteinander telefoniert zu haben“. Marion Weinberger, die Beauftragte von Healey, war als Vermittlerin unsere „Telefonleitung“. Das hing damit zusammen, dass mein Englisch damals so schlecht war, dass ich mir zwar ein Bier bestellen, aber nicht über Bauplanungsrecht philosophieren konnte. Das Vertrauensverhältnis wuchs auch darüber, dass wir viel gemeinsam unterwegs waren, wir haben uns vergleichbare Bauvorhaben weltweit angesehen, um für unser Projekt zu lernen und weniger Fehler zu machen. Und dabei habe ich Herrn Healey immer näher kennen gelernt. Es war schon eine sehr, sehr große Vertrauensbasis erreicht. Die hat im Ergebnis dazu geführt, dass wir bestimmte Dinge auf Zuruf entscheiden konnten. Ich hatte z. B. ein städtisches Anliegen, da brauchten wir jetzt Hilfe. Er hat dann sofort im Gespräch entschieden: Wir lösen das Problem. Das ist heute tatsächlich undenkbar bei global agierenden Immobilienkonzernen mit ihren großen Projektentwicklungen. Aber Eddie Healey war Alleineigentümer, Familienunternehmer. Er konnte ganz alleine entscheiden und er entschied dann über Milliarden. Das waren Abläufe, die man sich heute so kaum mehr vorstellen kann.

      Heißt das auch, dass sein Partner, die Logistik-und Transportgesellschaft P & O, ihm großen Freiraum eingeräumt hat, im gemeinsamen Unternehmen Stadium, das in Oberhausen tätig wurde, Entscheidungen zu treffen?

      P & O hat die Zwischenfinanzierung gestemmt. Doch sie waren in dem Projekt für uns nicht sichtbar. Das war alles auf dem persönlichen Verhältnis zu Eddie Healey und seinem Sohn Paul, der heute die Geschäfte übernommen hat, aufgebaut. Das hat es natürlich vereinfacht, so ein komplexes Projekt umzusetzen. Wir haben den Bebauungsplan erarbeitet und parallel schon die Altanlagen abgerissen. Als strategische und logistische Leistung findet man das in der Dimension wahrscheinlich – auch bis heute – nicht so oft.

      Der Planungsprozess und die Realisierung des Projektes sind Themen, die uns ganz besonders interessieren. Eine Vielzahl von Gutachtern, Stadtplanern, Experten hat mitgewirkt an der Vorbereitung der Planungsphase, ob es jetzt den Verkehr betrifft oder regionale Betrachtungen zum Thema Einzelhandel und Kaufkraft. Wie war die für ein Vorhaben dieser Größenordnung tatsächlich ganz ungewöhnlich schnelle Projektumsetzung in nur gut vier Jahren möglich?

      Erstens hatten wir sehr gründlich über eine Projektorganisation nachgedacht. D. h. wir hatten ein, wie ich fand und wie ich auch heute noch finde, sehr effektives Projektmanagementsystem organisiert. Wir haben damals schon einen sogenannten runden Tisch eingesetzt – der war tatsächlich rund und stand im Rathaus, im Raum 117. Und an diesem runden Tisch saß der Investor, die Architekten, externe Juristen und Berater ebenso wie die städtischen Mitarbeiter, und zwar hierarchiefrei. Das war für die eine oder andere Führungsperson im Rathaus ungewöhnlich, wenn Mitarbeiter ihr widersprachen, nur weil ich sie dazu aufgefordert hatte. Alle sollten sich daran gewöhnen, dass an dem Projekttisch nur die fachliche Meinung galt und keine Hierarchien aus der Verwaltung. Wirklich hilfreich war auch, dass wir externen Sachverstand an den Tisch geholt hatten. Der bekannte Stadtplaner Jochen Kuhn aus Düsseldorf z. B. hat den Grundlagenplan erarbeitet, der die Basis des städtebaulichen Gesamtkonzeptes für das Projekt Neue Mitte Oberhausen bildete.

      Das erste Projekt in der Neuen Mitte war der Umbau des Werksgasthauses zum Technologiezentrum Umweltschutz ab 1991. Es waren die Pariser Architekten Reichen & Robert, die diese Spiralkonzeption entwickelten. Von dem Rundbau des TZU, um das alte Werksgasthaus herum, haben sie Schleifen gezogen. Das hat Herr Kuhn dann aufgenommen und daraus das ganze städtebauliche Bild für die Neue Mitte gebildet. Das ging im Norden hoch bis zum Dom in Osterfeld. Die Landesgartenschau hat sich später ebenfalls daran orientiert. Wir haben wirklich eine neue Struktur kreiert, weil wir nicht einfach ein beliebiges Shopping-Center haben wollten. Wir waren gemeinsam mit Herrn Kuhn davon überzeugt: Wir können hier für Oberhausen eine Neue Mitte bauen. Deshalb wollten wir dann eine Mixtur von Gewerbe, Freizeit, Einkaufen und Wohnen realisieren. Bis auf Wohnen ist im Grundsatz alles realisiert worden.

      Für die Gesamtkonzeption haben wir uns sehr viel Mühe gegeben, den Sachverstand, den man republikweit bekommen konnte, einzubeziehen. Also den besten Verkehrsplaner, die besten juristischen Berater und dann noch das Thema Einkaufen. Was ist für das Einkaufen an Kaufkraftpotenzial vorhanden? Welche Projektbausteine sind denn wirklich touristisch zu begründen? Denn es machte wenig Sinn, nur Umschichtungen zwischen Alt-Oberhausen und CentrO oder zwischen Bottrop und CentrO vorzunehmen. Unser Ziel bestand darin, Besucher aus Münster, aus Köln oder aus Erfurt ins Ruhrgebiet zu holen, sie touristisch anzulocken, indem man das Einkaufen als eine Art des moderneren Freizeitvergnügens entwickelt. Um dieses Ziel zu erreichen, war es erforderlich, möglichst viel Sachverstand zu organisieren, weil es Urban-Entertainment-Center, wie es sie damals im internationalen Maßstab schon gab, in Deutschland noch nicht gab. Warum wir damit keine strategischen Fehler machten? Wir hatten sicherlich einen Investor, der ein gutes „Shopping-Näschen“ hatte und weltweit alle Entwicklungen kannte. Aber zugleich mussten wir das Projekt europäisieren, mehr oder weniger auf deutsche Maßstäbe und dazu noch Ruhrgebietsmaßstäbe herunter brechen. Da waren die vielen, vielen Berater, die wir hatten, höchst sachdienlich.

      Sie hatten gerade den Investor Herrn Healey angesprochen und den Planer Herrn Kuhn. Wenn man die Möglichkeit hat, nach England zu reisen und sich die Meadow-Hall