Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

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Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
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Жанр Документальная литература
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Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



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genommen worden, weil das Ganze sich dann über erfolgreiche Ausstellungen wirtschaftlich so positiv entwickelte. Also ich war nun überzeugt, dass wir „das Ding“ erhalten müssen. Wir haben dann im Rat dafür gekämpft. Herr Ganser und ebenso Oberbürgermeister Friedhelm van den Mond waren vorher in den Fraktionen. Es war jetzt wieder die alte Führungsmannschaft, die gesagt hat: Okay, wenn das so ist, dass es die Stadt keine Mark kosten wird, dann kann das Ding als Ausstellungshalle erhalten werden. Viele sind davon ausgegangen: Da findet jetzt einmal eine Ausstellung statt und dann ist die Zukunft des Gasometers wieder offen. Wir haben also die Fördermittel bekommen; es kostete die Stadt kein Geld und wir durften den Umbau realisieren. Dann lief die Ausstellung und die Ausstellung hat uns alle überrascht, weil der Zustrom enorm war. Ich glaube da waren 240.000 Besucher im ersten und noch einige mehr im zweiten Jahr.

       Der Erfolg hat die Erwartungen übertroffen?

      Ja, die Erwartungen wurden weit übertroffen. Und dann wurde nicht mir alleine, sondern auch dem Rat der Stadt und der Verwaltung langsam klar: Das wird auch langfristig ein wichtiges Thema. Daraufhin haben wir dann eine eigene GmbH gegründet und eine Geschäftsführung eingesetzt, die auch heute noch den Gasometer managt. Seit dieser Zeit kommt der Gasometer ohne einen Zuschuss der Stadt aus. Seit 2007 bekommt die Gesellschaft lediglich vom RVR einen Zuschuss für die Instandhaltung. Seit 1994 läuft der Gasometer erfolgreich. Die damaligen Besucherzahlen sind heute längst überholt, weil es auch Jahre gegeben hat mit um die 400.000 Besuchern. An den Befragungen der Besucher ist ablesbar, der Gasometer ist ein Ausstellungsgebäude, das weit über Oberhausen hinaus Ausstrahlungskraft hat. Inzwischen ist er das Wahrzeichen der Stadt Oberhausen.

      Der Gasometer hatte aber noch eine ganz andere Bedeutung: In der Bauphase des CentrO war er schon umgebaut, 1994/​1995. Und da die Skepsis bei den Oberhausenern, aber auch bei Investoren, noch immer ausgeprägt war, ob das CentrO unter dem Gasometer wirklich in der angekündigten Größe und Vielfalt gebaut wird, war es für mich immer wieder eine entscheidende Überzeugungstat, mit den Menschen auf den Gasometer zu fahren. Einmal vom Dach blicken und feststellen: Ach tatsächlich, guck mal, da wird gebaut! Das galt übrigens auch für die Landesgartenschau. Da konnte man auch sehen, tatsächlich, da wird abgerissen, die bauen da wirklich! Das steht nicht nur in der Zeitung und ist nicht nur ein Sonderblatt der Stadt, sondern es wird tatsächlich gebaut! Also: Die Besucher des Gasometers erhielten durch diese Anschauung vom Dach einen direkten Bezug zu dem gesamten Entwicklungsprozess der Neuen Mitte Oberhausen. Da erst haben viele Oberhausener begriffen, was in ihrer Stadt passiert. Das „Sehen, Fühlen, Anfassen“ war entscheidend.

       Sie haben uns gerade einen sehr interessanten Einblick gegeben, dass der Direktor der Internationalen Bauausstellung, Karl Ganser, einen Beitrag zu dieser Entscheidungssituation über den Gasometer beigesteuert hat. Wie war Ihr persönliches Verhältnis zu Karl Ganser?

      Das persönliche Verhältnis war am Anfang, vor allen Dingen von seiner Seite, von Skepsis geprägt. Ich war damals mit 40 Jahren als Oberstadtdirektor ein relativ junger Verwaltungschef – ich wurde eher mit dem Macher-Image in Verbindung gebracht. Ich war vorher Stadtkämmerer in Grevenbroich und hatte dort als Wirtschaftsförderer ein Profil entwickelt. Karl Ganser aber hatte einen anderen Anspruch. Schließlich wollte er aus dem Ruhrgebiet sogar mal einen Nationalpark der Industriekultur machen. Ich kam vom Niederrhein und daher waren das für mich Dinge, die eher fremd waren. Ich habe dann viel von ihm gelernt. Dann hat er gesehen: Die in Oberhausen bekommen mit Drescher etwas umgesetzt. Und, als ich dann zum Erhalt des Gasometers meinen Beitrag geleistet hatte, auch das TZU umgebaut werden konnte, da hatte ich mir bei ihm einen gewissen positiven Stellenwert erarbeitet. S. hat sich später zwischen uns ein regelmäßiger Schriftverkehr entwickelt; ich habe ihn immer angeschrieben mit „großer Meister“. Das war witzig und ironisch gemeint, hatte aber einen ernsten Hintergrund: Ich habe nicht die städtebaulichen, wissenschaftlichen Grundkenntnisse und die Visionen von Karl Ganser, da konnte ich nur von ihm lernen. Da war ich Lehrling. Das habe ich auch aufgenommen, so gut ich konnte und dabei viel in realen Projekten umgesetzt. Was ich damals gelernt habe, ist mir bis heute sehr zugute gekommen bei meiner Einsichtsfähigkeit in städtebauliche Probleme. Daraus hat sich entwickelt, dass ich auf seinem siebzigsten Geburtstag war und auch meine Frau immer noch mit ihm Kontakt hat.

       Zu den ganz wichtigen IBA-Projekten in Oberhausen, über die Neue Mitte hinaus, zählt die Umgestaltung des Oberhausener Hauptbahnhofs auch als ein Projekt zur Aufwertung der Innenstadt. Welchen Stellenwert hat aus Ihrer Sicht das IBA-Projekt Hauptbahnhof Oberhausen?

      Es gibt in Oberhausen eine ganze Perlenkette von Projekten, die einen hohen Stellenwert haben. Das alles waren Projekte, die wir unter der Überschrift O.2000 versuchten als ganzheitliches Konzept zum Strukturwandel umzusetzen. Da gehörte der damals „fiese“ Bahnhof dazu, der schließlich 1996 umgebaut wurde. Es war unser Ziel, den Urzustand des Bahnhofs aus der Bauphase von 1930 bis 1934 wieder herzustellen. Das ist ja weitgehend so geschehen. Es war ein ganz wichtiges Projekt. Und es war damals ein Glücksfall, denn damals in der Umstrukturierungsphase der Deutschen Bahn AG hatten wir das Glück, dass es einen Generalbevollmächtigten gab, der die verschiedenen Töchter der Bahn AG koordinieren durfte. Er hatte die Macht zu entscheiden. Sonst ist man bei der Bahn immer ins Leere gelaufen, weil niemand zuständig war. Und da war auf einmal einer, der saß in Essen, und ich bin dann oft zu ihm gefahren. Er hat gesagt: „Herr Drescher, Sie haben Recht, das machen wir so.“

      Und dann konnten wir mit den Mitteln des Landes, mit den Ministern Zöpel und Kniola, den Umbau als IBA–Projekt umsetzen. Wir hielten das städtebaulich von der Qualität des Gebäudes für einen ganz wichtigen Schritt zur Stärkung der Innenstadt. Dazu gehört auch der Bahnhofsvorplatz. Das Gebäude ist sehr gelungen. S. sehen die anderen Bahnhöfe im Revier noch lange nicht aus. Wie das ganze Stadtquartier zwischen Bahnhof und Rathaus Oberhausen, welches in späteren Jahren mit dem Parkstadtkonzept eine deutliche Aufwertung erhielt.

       Abschließend möchten wir noch ein Mal zur Neuen Mitte Oberhausen zurückkehren. Nach der Stilllegung des Elektrostahlwerkes an der Osterfelder Straße im Dezember 1997 wurde diese frühere Betriebsfläche von Töchtern der Stadt Oberhausen aufgekauft und baureif gemacht. Im Gegensatz zum CentrO war hier die Stadt in einer anderen Rolle, in der Rolle eines aktiven Projektentwicklers für den O.VISION Zukunftspark. Hat die Stadt diese Rolle im Gefühl eines neuen, gewachsenen Selbstbewusstseins nach der erfolgreichen Realisierung der Neuen Mitte übernommen oder war das aufgrund der besonderen Bedingungen dieser Fläche eine zwingende Notwendigkeit?

      Also ich glaube, dass wir als Stadt bei der Gesamtkonzeption der Neuen Mitte immer Projektentwickler waren. Der Unterschied zu O.VISION bestand darin, dass wir beim CentrO einen Investor hatten, der große Teile der Fläche bebaut hat und dieses nach unseren Vorstellungen. Das hatten wir beim Stahlwerk nicht. Wir hatten in der Tat geänderte Bedingungen, denn bei der Komplexität der Entwicklung für das Stahlwerksgelände konnte man das nicht mit einem Investor allein machen. Wir hatten vor, das Thema „Wohnen“ neu aufzugreifen und in Zukunftsbranchen zu investieren.

      Wenn man das Stahlwerksgelände, diese wichtige Fläche zwischen Oberhausen und Essen, einer echten Zukunftsentwicklung zuführen wollte, blieb uns gar keine andere Wahl, als das Ganze in die städtische Hand zu nehmen. Wir haben dann zunächst mit Fördermitteln das Gelände baureif gemacht. Parallel entwickelten wir tolle Projektideen. Wobei man sagen muss, da hatte sich das politische Umfeld nach der Jahrtausendwende wesentlich geändert. Die Landesregierung war nicht mehr die Landesregierung von Johannes Rau und es fehlte der Mut, in Strukturwandel zu investieren. Und erst recht der Mut auch in Kauf zu nehmen, dass mal etwas schief gehen kann. Bei der IBA sind ebenfalls Dinge schief gegangen – das war die Normalität. Die Landesregierung hatte nicht mehr den Mut, große Dinge zu bewegen. Stattdessen war die Bereitschaft zur Baureifmachung als Gewerbegebiet noch gegeben. Dann folgte auch verbale Unterstützung. Aber der Mut, solche Dinge wirklich umzusetzen und dann öffentlich zu fördern, der war ziemlich schwach ausgeprägt. Wir hatten allerdings auch Großes vor. Ja, wenn man das heute betrachtet, ist die Dimension der Pläne aus dem Selbstbewusstsein erwachsen, was wir alles schon realisiert hatten und was wir glaubten stemmen zu können. Wir waren da vielleicht ein bisschen sehr mutig, das will ich nicht verhehlen. Auf der anderen Seite hätte die