Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4. Группа авторов

Читать онлайн.
Название Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 4
Автор произведения Группа авторов
Жанр Документальная литература
Серия
Издательство Документальная литература
Год выпуска 0
isbn 9783874683203



Скачать книгу

gut und bezahlbar leben lässt, in Dienstleistungszentren wie Düsseldorf oder Essen oftmals Arbeit, ohne dass sie deshalb einen Wohnortwechsel vornehmen müssen und wollen. Beide Eigenschaften der Stadt können als Stärken betrachtet, erkannt und gepflegt werden. Beide Qualitäten Oberhausens können den Anstoß geben zu kommunalem Handeln, das der Stadt neue Perspektiven zutraut statt im Zeichen leerer Kassen allein Mängel zu verwalten. Über die Konsequenzen aus Oberhausens Lage in der Metropolregion Rhein-Ruhr hinaus wird es weitere wichtige Aspekte der Stadtentwicklung geben, die bei der Gestaltung der Zukunft von Nutzen sein werden. Es sind die Oberhausenerinnen und Oberhausener, die es als nach Lösungen suchende, als Herausforderungen bewältigende Stadtgesellschaft zu aller erst im Kopf und in der Hand haben, das Oberhausen des 21. Jahrhunderts kreativ zu erschaffen.

       „Historischer Städtebau prägt die Stadt – das Beispiel Antonyhütte, Schacht IV“

      Interview mit Klaus Wehling (Teil 3)

       Das wirtschaftliche Erbe, soweit es sich in Gebäuden manifestiert hat, ist ja in Oberhausen nicht mehr allzu stark sichtbar. Die großen Industrieanlagen, Kokereien, Zechen, alles weitgehend abgerissen. Einzelne Gebäude sind aber noch stehen geblieben und werden genutzt. Hostel Veritas ist ein Beispiel, ein anderes ist Schacht 1, der jetzt als Diskothek weiterhin sein Leben führt, Druckluft gehört auch dazu. Es gibt dann aber noch einen Schacht, nämlich den Schacht 4 in Osterfeld, der einer weiteren Nutzung harrt.

      Hier sind ja seit längerem Wohnprojekte in der Diskussion und ich bin nach einem erst vor kurzem geführten Gespräch sehr guten Mutes, dass sich in 2012 hier erste Baumaßnahmen realisieren werden, die sich zunächst schwergewichtig auf den Bereich des betreuten Wohnens beziehen. Und ich finde die bisherigen Entwürfe sehr interessant, in deren Mittelpunkt der Förderturm steht.

      Das ist ein Turm, der von der Bauhausarchitektur geprägt ist, die in den 1920er Jahren richtungweisend war. Ich finde wichtig, dass der Turm erhalten bleibt. Inwieweit er genutzt werden kann, muss man der Phantasie bzw. den Geldbeuteln der Entwickler überlassen. Aber auch in Beziehung zur benachbarten Antony-Hütte hat er eine sehr hohe städtebauliche Bedeutung. Der ausgegrabene Hochofen der Antony-Hütte mit dem Gesamtensemble aus Museum und industriearchäologischem Park erfreut sich zunehmend großer Beliebtheit. Das wird einer der Punkte sein, der zunehmend in das Besuchsprogramm auswärtiger Besucher mit einbezogen wird. Von daher gibt es einen sehr schönen Spannungsbogen zwischen industrieller Vergangenheit und neuzeitlicher touristischer Nutzung dort am Schacht 4 und an der Antony-Hütte.

       Magnus Dellwig / ​Ernst-Joachim Richter

       Die Neue Mitte Oberhausen: Motor des Strukturwandels für Oberhausen

       Interview mit Burkhard Drescher

       Herr Drescher, wie haben Sie nach dem Scheitern der Projekte in den 1980er Jahren die Stimmungslage für einen Strukturwandel in Oberhausen Anfang der 1990er Jahre wahrgenommen?

      Ich habe es auf einer Podiumsdiskussion der WAZ, zum Entsetzen der Zuhörer, einmal so skizziert: Die Stadt macht den Eindruck, als sei sie in einen tiefen Defätismus verfallen. Die Stimmungslage nach dem Scheitern des World Tourist Centers (WTC) 1988 war so niedergeschlagen, dass man „jegliche Hoffnung hatte fahren lassen“, es herrschte also eine sehr gedrückte Stimmung.

       Wahrscheinlich war das dann ein deutlicher Umschwung in der Stimmungslage, die die Stadtbevölkerung erlebt hat.

      Anfang der 1990er Jahre, als die Erkenntnisse und die Eindrücke aus dem Scheitern des World Tourist Centers noch ziemlich stark waren, war die Stimmung, wie gesagt, sehr gedrückt. Belegt wurde dies auch durch regelmäßige Befragungen. Das städtische Amt für Statistik und Wahlen führte regelmäßig Bürgerbefragungen durch und daran war abzulesen, dass sowohl die Stimmung gegenüber der Politik als auch gegenüber der Verwaltung und in Bezug auf die Zukunftsperspektive der Stadt sehr negativ war. Die Zustimmungsraten bewegten sich um die 50 Prozent. Das hat dann auch dazu geführt, dass Bemühungen der Wirtschaft entstanden, in Eigeninitiative etwas für den Standort zu tun. Daher stammte der Impuls zur Gründung der EGO, der Entwicklungsgesellschaft Oberhausen. Die EGO war eine Initiative der Wirtschaft. Die Unternehmer in der Stadt trauten Politik und Verwaltung nicht zu, den Strukturwandel zu fördern. Um 1990 wurde die EGO gegründet und diese versuchte, mit eigenen Ideen die Diskussionen zum Strukturwandel anzufachen. Diese Ideen hatten zum Teil einen visionären Charakter. Da ging es z. B. um einen Zukunftspark auf dem damaligen Schlackenberg und ähnliche Themen. Im Ergebnis waren diese Projekte doch weit weg von der Realisierung.

      Herr Dr. Ruprecht Vondran war damals Treiber auf Seiten der Wirtschaft. Herr Vondran war Hauptgeschäftsführer der Wirtschaftsvereinigung Stahlindustrie mit Sitz in Düsseldorf. Er kam aus Oberhausen und kandidierte 1992 für die CDU zum Bundestag. Er setzte sich an die Spitze der Bewegung. Die zentrale Botschaft lautete: Die Wirtschaft muss jetzt den Strukturwandel selber in die Hand nehmen, nachdem die Politik mit dem World Tourist Center 1988 gescheitert war. Eine meiner ersten Bemühungen bestand darin, die getrennten Aktivitäten der Wirtschaftsförderung von Stadt und Wirtschaft zusammen zu führen. Durch viele, viele Gespräche und – ich nenn es mal salopp „Mund-zu-Mund-Beatmung“ der Wirtschaft – gelang das schließlich. Aus der EGO wurde die ENO, die Entwicklungsgesellschaft Neu Oberhausen, eine gemeinsame Gesellschaft von Stadt und Wirtschaft. Aus städtischer Sicht ging es auch darum, die Dynamik der Wirtschaft für das gesamtstädtische Interesse zu nutzen. Bis zu diesem Zeitpunkt war es damals in der Tat so, dass es zwischen der Wirtschaft und dem Rathaus nur sehr wenig Kommunikation gab.

      Das hat letztendlich aber noch nicht zum Stimmungswechsel geführt, sondern das war nur eine wichtige Voraussetzung für den Aufbruch in den Strukturwandel. Die entscheidende Stimmungswende kam durch das Projekt Neue Mitte Oberhausen.

       Kann man denn vermuten, dass in dieser Stimmungslage zwischen Stadt und Wirtschaft die beginnende Realisierung des Projektes Neue Mitte mit dem CentrO, dass das die Stimmungslage auch im positiven Sinne beflügelt hat? Dass man der Stadt etwas mehr zugetraut hat, nachdem diese Projektentwicklung in Gang gekommen war?

      Zunächst einmal hatte ich den Vorteil, als neuer Oberstadtdirektor und als der jüngste Verwaltungschef überhaupt in Nordrhein-Westfalen, das Vertrauen der Wirtschaft leichter gewinnen zu können. Ich hatte sozusagen die Gnade des „späten Erscheinens“ in Oberhausen. Unbeteiligt an der Vergangenheit rund um das WTC konnte ich sehr schnell die Wirtschaftsvertreter für die städtischen Interessen mobilisieren. Durch Projekte, wie das Technologiezentrum Umweltschutz im ehemaligen Werksgasthaus seit 1991 oder Reformvorhaben, wie das Rathaus ohne Ämter seit 1995, verfestigte sich das Vertrauen bei Wirtschaft und Bevölkerung zusätzlich. Die Neue Mitte Oberhausen hat dann zu dem positiven Gesamtbild entscheidend beigetragen.

      Das Projekt ist mir durch die Vermittlung von WestLB und Heinz Schleußer bekannt geworden. 14 Tage nach meiner Ernennung zum Oberstadtdirektor, am 14. März 1991, wurde mir das Projekt in Düsseldorf in der Messe vorgestellt. Ich hatte Herrn Fassbender, den Leiter der in der Stadtverwaltung neu eingerichteten Projektgruppe „O2000“, zur Präsentation mitgenommen. Wir waren die einzigen, die aus Oberhausen das Projekt zu Gesicht bekamen. Im damaligen Führungszirkel der Stadt, wozu Heinz Schleußer, aber auch Friedhelm van den Mond, der damalige SPD-Vorsitzende Dieter Schanz und Mike Groschek als Fraktionsvorsitzender gehörten, haben wir verabredet, dass wir das Projekt noch geheim halten wollten, um nicht ein weiteres Mal, ausgehend von einer hohen Erwartungshaltung, dann Frustrationen in der Bevölkerung auszulösen. Wir wollten es erst öffentlich machen, wenn die Realisierung abgesichert erschien.

       Abb. 1: Burkhard Drescher

      Wir schafften es tatsächlich bis zum Oktober 1991 das Projekt geheim zu halten. In der Zwischenzeit hatten wir das Projekt soweit