Tatort Alpen. Michael Gerwien

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Название Tatort Alpen
Автор произведения Michael Gerwien
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994869



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musste. Sie gab gerade genug für einen – mehr hatte er lange nicht gebraucht. Simone saß an seinem Tisch, hatte den Ellbogen auf einen Prospekt seiner Zeitung gestützt und beobachtete ihn genau.

      »Dann schieß los.«

      »Hin und wieder, im Moment bin ich ganz zufrieden damit, dir und mir einen Kaffee zu kochen.«

      »Hast nicht oft Gäste, nicht?«

      »Nein, wenn ich ehrlich bin.«

      »Ich habe dich vorhin gesehen«, sagte Simone.

      Birne schwieg.

      Sie fuhr fort: »War es dir langweilig? Warst du allein?«

      »Hat Bernd mich auch gesehen?«

      »Hast du Angst, dass er die Polizei ruft? Das kann ich auch erledigen. Wieso rennst du uns hinterher?«

      »Ich kannte die Frau Zulauf, ich bin ihr Nachbar gewesen. Es wurde noch nie eine Nachbarin von mir ermordet, so etwas bringt einen ein bisschen durcheinander, da macht man Dinge, die man normalerweise nicht machen würde. Kann sein, dass es am Haus liegt, an der Luft hier drin. Ich wollte gar nichts auf dieser Beerdigung, ich bin wieder gegangen, weil ich es doof fand, dort zu sein, sobald ich dort war.«

      »Mir gibt das auch nichts, dieses Gebete, das muss hier halt so sein, sonst ist der Tote nicht abgehakt.«

      »Besser, dass sie tot bleibt.«

      »Wie meinst du das?«

      »Hab ich mir in der Kirche gedacht. Wär blöd, wenn sie plötzlich wieder da wäre.«

      »So als Zombie oder Vampir?«

      »Genau. Lieber als Vampir, wenn es schon sein müsste.«

      »Wieso?«

      »Zombies haben kein Hirn. Allerdings merken sie davon auch nichts. Vampire leben ewig, ich kenne Menschen, die sagen, deswegen wollten sie kein Vampir sein. Denen ist jetzt schon langweilig, die wissen schon mit den 80 Jahren, die sie hier haben, nichts anzufangen, für die ist die Ewigkeit Horror.«

      »Man teilt sich dann die Zeit anders ein.«

      »Richtig. Ich wär gern Vampir, wenn ein Vampir käm, würd ich ihn reinlassen, Vampire muss man reinlassen, sonst können sie einem nichts tun.«

      »Wie kommst du denn darauf?«

      »Da komm ich nicht drauf, das stimmt ganz einfach.«

      »Du hast mich eben reingelassen.«

      »Jetzt bin ich aufgeregt. Ich hab schon mal eine Frau reingelassen, die hat sogar behauptet, dass sie mich beißen wird, getan hat sie es nicht.«

      »Eigentlich wollte ich gar nicht rein. Ich wollte dich nur um einen Gefallen bitten.«

      »Einen Gefallen?«

      Er schenkte ihr ein und setzte sich eine zweite Ladung auf.

      »Hast du Milch?«, erkundigte sie sich.

      »Klar. Moment.« Er öffnete den Kühlschrank und stellte ihr den Tetrapak hin.

      »Du wohnst noch nicht lange hier?«

      »Eineinhalb Wochen.«

      »Echt? Dafür sieht’s hier aber gemütlich aus. Richtig wohnlich.«

      »Na ja, man tut, was man kann. Nein, im Ernst, ich habe die Wohnung von einer gemietet, die plötzlich ins Ausland musste und mir ihre Einrichtung da ließ. Ich soll aufpassen, und wenn sie an Weihnachten oder im August mal wieder hier reinschaut, dann entscheidet sie, was ich behalten kann und was wegkommt.«

      »Hab mich schon gewundert: Poster von Surfern und Leuchttürmen, Mondkalender. Für schwul hätte ich dich eigentlich nicht gehalten.«

      »Nein, obwohl der Kalender von mir ist. Ich kenn die, die den gemacht hat.«

      »Deine Freundin?«

      »Nein, ich bin allein zurzeit.«

      »Soll ich dir das glauben oder sagst du das nur, weil du mit einer fremden Frau in deiner Wohnung bist?«

      »Beweisen kann ich nichts. Obwohl ich mir auf jeden Fall überlegen würde zu lügen.«

      »So?« Birnes Kaffee war nun auch in der Tasse, er saß mit ihr am gleichen Tisch und war ihr ziemlich nahe dabei.

      Sie sagte: »Ich wollte dich eigentlich bitten, mir ein paar Möbel zu verrücken. Unten.«

      »Schon wieder.«

      »Wär supernett von dir. Ich würd mich auch revanchieren.«

      Birne dachte an den Schnaps von Frau Zulauf. Mit ihr würde er sogar den saufen.

      »Sollen wir es gleich packen, nicht dass dein Bernd eifersüchtig wird?«

      »Ja, aber trink deinen Kaffee aus. Auf der Flucht sind wir noch nicht.«

      Birne kostete seine Schlucke aus. Sie war bei ihm, und er fand sie wunderschön, die Simone.

      Sie gingen runter zehn Minuten später. Simone sperrte auf und führte ihn gerade in die Küche.

      »Der wär’s, der Schrank. Wenn du mir den ein wenig wegrücken könntest, hättest du mir mächtig geholfen.«

      Das war ein Vorwand, das war Birne sofort klar. Dieser Küchenschrank war uralt, vielleicht 40 Jahre alt. Da­rauf lagen noch eine Brille und ein paar geöffnete Briefe, meist Einladungen und Spendenaufrufe für Blinde. Neben der Eckbank, die um einen Tisch mit einer Plastikblumentischdecke stand, lag ein Stapel alter gelesener Zeitschriften. Dazwischen erkannte er seine Zeitungen. Die Alte, dachte Birne.

      »Hast du was?«, fragte Simone, weil er innehielt.

      »Dort ist sie gelegen, nicht wahr?«, sagte Birne und zeigte auf den Boden vor der Spüle.

      »Ja, das Blut war das Einzige, was die von der Polizei weggeputzt haben. Eigenartig, nicht? Ich habe mal einen Film gesehen, der ging um eine schöne junge Frau, die den Job hat, die Mordplätze von Blut zu säubern.«

      »Eine schöne junge Frau wie du?«

      »Die war schwarzhaarig. Ich bin blond.«

      »Aber schön.«

      »Danke.«

      »Du bist mir schon mal im Fitnessstudio aufgefallen.«

      »Echt?«

      »Ja, ich bin auch öfter dort. Wohin soll der Schrank?«

      »In den Gang bitte.«

      Birne war wieder Möbelpacker. Er zog das Ding in den Gang und wusste nicht, wieso er das tat, wo alles nur ein Vorwand war. Er steckte in seinem Jogginganzug und schwitzte nun doch. Er schwitzte, weil er zupackte und schleppte. Simone half ihm, aber das hatte keinen Wert, sie langte nicht wirklich hin. Sie wollte nur, dass es nicht so aussah, als erledige er die Arbeit allein.

      »Du, danke. Ohne dich hätte ich das nie geschafft. Ist mir total unangenehm, dich jetzt einfach so wegzuschicken, aber ich habe nichts, womit ich dich belohnen könnte.«

      Sie hat vor allem keine Ahnung, dachte Birne. »Das letzte Mal habe ich Schnaps bekommen.«

      »Von ihr?«

      »Ja.«

      »Den suchen wir.«

      Der stand im Küchenschrank, den Birne gerade in den Gang geschoben hatte. Er hatte es klirren gehört und sich nicht getäuscht. Jetzt tranken sie Schnaps.

      »Wäh.« Sie verzog das Gesicht. »Der ist ja scheußlich.«

      »Finde ich auch, aber für mich schmeckt er nach Belohnung.«

      »Weißt du was? Wenn du mich jetzt in Ruhe lässt und meine Arbeit machen, dann lade ich dich heut Abend auf einen Cocktail ein – zur Belohnung.«

      »Ist in Ordnung. Die schöne junge Frau, die das Blut vom Boden