Tatort Alpen. Michael Gerwien

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Название Tatort Alpen
Автор произведения Michael Gerwien
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994869



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hast meine Nummer im Geschäft, ruf an, sobald ihr’s habt, ich komm, setz meinen Servus drunter, kein Problem.«

      Bruno blickte tatsächlich böse auf ihn unter seinen dunklen Augenbrauen hervor, er überlegte sich noch eine Strafe für Birne und brachte ihn zum Schwitzen. Dann gab er den Gedanken auf. Er wurde ruhig, fast zärtlich sagte er: »Wart, ich bring dich hin.« Und zu Birne: »Wenn du Montagvormittag Zeit hast, dann klären wir das in Ruhe.«

      Birne war erlöst. »Muss dann halt gehen. Ich sag meinem Chef, dass ich in einer wichtigen Polizeiangelegenheit weg muss. Dafür wird er Verständnis haben.« Er konnte es sich nicht verkneifen zu der Sekretärin hinüberzwinkern. Sie lächelte ihn an.

      »Sag mal, soll ich dich auch noch ein Stück mitnehmen? Wenn ich eh schon fahre?«, fragte Bruno auf einmal großzügig.

      »Gern«, nahm Birne an.

      Sie brachten die Frau, die sich mit einem kleinen Kuss auf Abrahams Wange bedankte, zum Studio für Frauen und schauten ihr beide verträumt auf den Hintern, als sie ausstieg.

      »Tolle Frau«, stellte Birne fest.

      »Ja, aber sehr anspruchsvoll. Da muss schon ein besonderer Mann her.«

      »So einer wie du?«

      »Du, lass mich in Ruh mit den Weibern.«

      Birne lachte. »Du kannst mich gleich hier rauslassen, ich hab’s nicht mehr weit.«

      »Ich muss in deine Richtung, wir machen das komplett.«

      »Wo wohnst du?«

      »Waltenhofen.«

      »Echt?«

      Hinter ihnen hupte ein Auto, weil sie vor einer Ampel standen, die nun grün war.

      »Ich fahr ja schon, du Arschloch.« Und zu Birne gewandt fuhr Abraham fort: »Verstehst du, was ich meine?«

      »Ein bisschen schon.«

      »Du hast ein bisschen Spaß zu zweit, dann lässt sie dich fallen, weil sie einen Arzt findet oder einen Unternehmensberater mit wirklich Geld in der Tasche. Da sind wir kleine Amüsierbrocken zwischenrein.«

      »Zweifellos.«

      »Mir ist auch die Frau davon und ich habe darüber furchtbar geflucht, aber mittlerweile bin ich ehrlich froh. Mir fehlt gar nichts. Ich schieb ab und zu mal eine Nummer mit einer Barbekanntschaft, und das genügt, den Rest meiner Zeit bin ich der freieste Mann der Welt.«

      »Versteh schon«, erwiderte Birne, obwohl er Bruno durchschaute: Er würde gern die kleine Sekretärin haben, doch die zierte sich.

      »Du wohnst hier, gell. Ich lass dich jetzt raus.«

      »Du, vielen Dank.«

      »Gern geschehen. Sauber bleiben, Birne.«

      »Na klar.«

      Birne stieg aus.

      Bruno Abraham fuhr an, als sein Handy furchtbar vi­brierte und schreckliche Piepsgeräusche von sich gab. Er nahm es und schaute nach, von wem die SMS kam.

      »Heute steht Leibesertüchtigung in meinem Mondkalender, Bär«, stand da und die Nachricht war von Tina.

      *

      Birne trabte trotzig durch das Sauwetter. Bruno hatte ihn eine Kreuzung zu früh rausgelassen. Alles wurde nass in Sekundenschnelle, sein leichter Kittel war zu dünn für diesen Sturm. Er fühlte sich gereinigt, er fühlte seine Kraft wachsen. Er kehrte durch den Regen zurück nach Hause, wo so viel Schicksal und Prüfung auf ihn warteten, wie noch nie an einem Ort, den er Zuhause genannt hatte.

      Er musste niesen und beschloss, einer Erkältung keine Chance zu geben, sich jetzt in ihm breitzumachen. Er würde kämpfen gegen alles. Er hatte neu angefangen, nichts konnte ihn umwerfen. Seine Schuhe, seine Socken waren wie ein einziger feuchter Brei an seinen Füßen. Ihm war nicht kalt, er konnte schneller gehen als jede Kälte, die in ihm aufziehen wollte.

      Sein Haus hob sich mit einem noch dunkleren Grau gegen das Grau des Himmels ab. Es gab kein Licht in seinem Stockwerk und auch keines in dem der Toten – das hieß, ihre Jungen waren weg. Nur in den früh heruntergelassenen Rollläden der Kemals im Erdgeschoss waren gelbe Schlitze zu sehen. Sie hatten was zu verbergen und schauten gemein in die Welt hinaus. Ohne sich abzutrocknen, beschloss Birne, würde er sie nun aufsuchen und ihnen alles vor die Füße knallen, bis er fertig wäre mit ihnen.

      Er klingelte an ihrer Wohnungstür und hörte gleich da­rauf, wie jemand drinnen den Haustüröffner drückte. Birne klopfte, um zu signalisieren, dass er schon da war. Es wurde geöffnet, der Junge stand vor ihm und schaute ihn mit großen Augen von unten an, sagte nichts. Er kannte Birne nicht und hatte keine Ahnung, was er wollte.

      »Ist deine Mama da?«, sagte Birne und wunderte sich selbst, wie nett er klang.

      Das Kind drehte sich um und rief in den Gang hinein.

      Kurz darauf erschien Frau Kemal. Sie setzte ein ernstes Gesicht auf und öffnete die Tür weit.

      »Hallo«, grüßte Birne.

      Die Frau ging zur Seite und ließ Birne eintreten, sie sagte nur »Bitte« und wies ihm den Weg zu Küche. Dort wartete der Bruder. Es roch nach Gemüse. Auf dem Herd stand ein Topf, in dem etwas köchelte, auf dem Tisch lagen Reste eben geschnittenen Gemüses, direkt vor dem einzigen nicht belegten Stuhl. Die Kinder standen im Hintergrund und wollten ebenfalls mitbekommen, was es Neues gab im Fall des Vaters. Birne setzte sich unaufgefordert hin. »Hallo.«

      »Guten Tag«, grüßte der Bruder. Mehr nicht. Birne schwieg mit.

      »Sie haben mich verhaftet.«

      »Haben Sie etwas gefunden?«, fragte der Bruder sehr sachlich, sehr ruhig, was Birne wütend werden ließ. Die hatten nur ihren Kram im Kopf, der Ärger, den er sich eingehandelt hatte, interessierte sie nicht.

      »Nein, und die Polizei ist sich sicher, den Richtigen zu haben.«

      »Das stimmt nicht«, widersprach Frau Kemal laut. »Sie haben Ihnen Unsinn erzählt, sie haben Sie mit Blödsinn geimpft. Jetzt sind Sie ein Nazi wie die.«

      Das brachte den letzten Tropfen Geduld in Birne zum Überlaufen: »Was wollen Sie von mir? Was soll ich denn tun? Soll ich denen sagen, dass ich es war?«

      »Wollen Sie Geld haben?«, fragte der Bruder und brachte wieder etwas Ruhe in den Raum.

      »Nein, das habe ich Ihnen schon gesagt. Es hat nur keinen Sinn. Sie müssen sich etwas anderes einfallen lassen. Wieso gehen Sie nicht selbst hinein?«

      Es klingelte wieder an der Tür. Frau Kemal sagte etwas auf Türkisch zu ihrem Sohn, und der ging wieder zur Tür. Es erschien eine dunkelhaarige Frau, die sich blonde Strähnen geleistet hatte, die darüber hinwegtäuschen sollten, dass sie die Zeit ihrer größten Schönheit gerade hinter sich gelassen hatte, nichtsdestoweniger eine reife Attraktivität ausstrahlte. Kleine und einige Falten um ihre Augen zeigten an, dass sie in anderen Momenten viel lachte. Sie hatte ihr Haar mit einem Reif zurückgesteckt und trug ein blaues Kostüm etwas ungelenk, als ob sie sich zu einem Anlass etwas mehr herausgeputzt hätte als üblich. Bevor sie ihm der Bruder als solche vorstellte, wusste Birne, dass er dessen deutsche Frau vor sich hatte. Er mochte sie.

      Frau Kemal stand auf und machte ihr Platz.

      »Sie sind Herr Birne?«

      »Das bin ich, ja.«

      »Nun, ich muss sagen, dass ich zunächst skeptisch war und abraten wollte, als mein Mann und meine Schwägerin mir sagten, dass sie Sie in die Angelegenheit hineinziehen wollten. Aber wenn ich Sie jetzt so vor mir sehe …«

      Das war nichts als Hohn. Birne saß tropfnass in der Küche, man hatte ihn verprügelt, nur ein Stockwerk höher, auch das musste ihm noch anzusehen sein.

      »Ich habe es gemacht, weil Frau Kemal mich überzeugen konnte, dass ihr Mann unschuldig ist. Jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher.«

      »Seien