Tatort Alpen. Michael Gerwien

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Название Tatort Alpen
Автор произведения Michael Gerwien
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994869



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und staunte nicht schlecht, als er erkannte, dass der Wernerfreund vor ihm stand.

      »Auweh zwick. Du?«, begrüßte er ihn.

      Der war gar nicht fertig, eher im Gegenteil enthusiastisch, nun endlich bei der Polizei auspacken zu dürfen. Abraham versprach sich nichts davon, ihm zuzuhören, höchstens einmal mehr mitzubekommen, wie Menschen sich zum Affen machen, nur um einmal in der Mitte zu stehen.

      »Endlich«, sagte Birne.

      »Was endlich?«

      »Bin ich hier.«

      »Du bist in einer fremden Wohnung erwischt worden. Einbruch ist kein Kavaliersdelikt. Ich bin ehrlich froh, auf dieser Seite des Schreibtischs zu sitzen.«

      Birne erwiderte nichts.

      »Versteh mich nicht falsch, auch mein Wochenende steht vor der Tür, ich will die Sache zu Ende bringen vor der Tagesschau. Ich denke, das ist ganz in deinem Sinne.«

      Birne nickte.

      »Wer hat dich so zugerichtet?« Abraham fragte, weil man Birne immer noch ansah, dass er geschlagen worden war.

      »Das war der Mann, der mich da drin erwischt hat – ich vermute, das ist der Enkel von der Zulauf, sie wollten die Wohnung ausschlachten.«

      »Was wolltest du da drin?«

      »Ich habe den Schlüssel von der Türkin, die bei uns im Haus wohnt, deren Mann ihr eingesperrt habt.«

      »Frau Kemal.«

      »Genau.«

      »Wieso hat sie ihn dir gegeben?«

      »Sie glaubt nicht, dass ihr Mann schuld ist, sie wollte, dass ich noch einmal nach Unschuldsbeweisen suche.«

      Abraham schnaufte schwer und schüttelte seinen Kopf. »Wie ist das gegangen? Wie haben sie dich gekriegt?«

      Birne erzählte, wie er im Imbiss angesprochen worden war. Abraham legte seine Stirn in Falten, als Birne vom Imbiss sprach, er suchte zwischen den Worten nach Hinweisen, nach Umständen. Birne erzählte weiter von ihrem zweiten Treffen im Laden des Bruders und seinem Auftrag.

      »Was solltest du da suchen?«

      Birne wurde vorsichtig, er zögerte ein bisschen. »Weiß nicht genau. Geld vielleicht.«

      »Geld? Hast du was gefunden?«

      Eine Sekunde verstrich unter knisterndem Schweigen. »Nein«, antwortete Birne.

      Abraham schaute ihm tief in die Augen: »Sonst noch was?«

      Birne, schneller mit seiner Antwort: »Ich war wohl zu kurz drin – Gebetbücher.«

      »Sag mal im Ernst: Warum, glaubst du, haben die dich da reingeschickt?«

      »Weil die Polizei einem Deutschen mehr glaubt als einem Türken, sagen sie.«

      Abraham lachte laut auf. »Ich glaub dir, keine Sorge, keine Sorge, glaub auch, dass du ein ausgewachsenes Rindvieh bist.«

      »Ich? Wieso?«

      »Na ja, ich will’s mal so ausdrücken: Wenn du deinen Kopf in der Schlinge liegen hast, bist du einem, der deinen Platz einnimmt, umso dankbarer.«

      »Wie?«

      Birne war vorhin schon aufgefallen aus dem Augenwinkel, dass der vielleicht größte Schmuck dieses Reviers im Vorzimmer von Bruno saß. Die Frau schaute jetzt rein, schaute auch kurz ihn an, was ihn in Verlegenheit brachte, weil sie so hübsch und er so verhaut war. »Brauchen Sie noch etwas, Herr Abraham?«

      »Weiß nicht, nein.« Der Kommissar wirkte verwirrt.

      »Dann pack ich es jetzt.«

      »Nein, wart noch kurz, bis wir mit dem fertig sind.« Als er die Enttäuschung bemerkte, die er auf ihrem Gesicht auslöste und die es nur noch süßer machte, fügte er hinzu. »Wir haben es in fünf Minuten. Zehn höchstens.«

      Die hübsche Sekretärin verschwand, stöckelte demons­trativ laut zu ihrem Platz zurück und raschelte mit der Zeitung: Sie hatte hier nichts mehr zu tun, das waren jetzt Überstunden, die der Staat zu bezahlen hatte.

      »Ich hab unser kleines Verhör aufgezeichnet, ich lass das jetzt abtippen, du unterschreibst deine Aussage, und ich füge die kleine Geschichte den Beweisen hinzu.« Er öffnete ein Diktiergerät, das er in seiner offenen obersten Schublade liegen hatte, und wollte die Kassette zu Tina bringen, um sie noch einmal zu sehen und sicher zu sein, dass sie ihm nicht einfach abhaute.

      Da sagte Birne: »Und wenn ich nicht unterschreibe?«

      »Was du gesagt hast, hast du gesagt. Wenn du nicht unterschreibst, wird dieses Wochenende ungemütlich, dann bleibst du wegen dringendem Tatverdacht hier.«

      »Ich bin unschuldig.«

      »Das glaub ich dir meinetwegen, aber wenn erst mal ein Verfahren läuft, hast du deine Unschuld zu beweisen mit Alibi und allem Pipapo, was euch Junggesellen schwerer fällt als den anderen. Willst du das?«

      »Nein.«

      Abraham pokerte, denn er hatte selbst am allerwenigsten Lust auf diesen Idioten und Arbeit mit ihm. Er wollte ihn auf schnellstem Wege abschieben und dann selbst gehen.

      »Okay, ich denke, ich kann mich drauf einlassen, wenn du mir versichern kannst, dass ihr den armen Türken nicht umsonst eingesperrt habt.«

      »Jetzt hör mal zu: Ich weiß nicht, was die dir erzählt haben, aber ich kann es mir vorstellen. Glaub mir, die würden jetzt alles tun, um ihren Mann wiederzubekommen, du bist denen gerade wurst und maximal noch ein Bauernopfer wert. Ich weiß, was ich tue, ich erledige meinen Job nicht erst seit zehn Jahren, das heißt, wenn ich einen verhafte, dann ist das in 99 von 100 Fällen der Richtige.«

      »Ist ja gut.«

      »Nein, ich mein nur. Da kommt einer neu in eine Stadt, weiß nicht viel mit sich anzufangen, weil ihm gerade die Frau davon ist, dann lässt er sich einspannen von irgendetwas oder jemand, meint, weil er aus München ist, er sei gescheiter als 60.000 Menschen hier, und meint, er könnte uns von der Polizei die Arbeit abnehmen.«

      Irgendwie hatte der Polizist schon recht, das musste Birne zugeben.

      »Vielleicht suchst du dir einfach eine Frau, gibt genug hier, auch schöne, du hast eine Fachhochschule vor der Haustür, Mann.«

      Er hatte ja so recht.

      »Und eines sag ich dir: Wenn ich dich noch einmal erwische, wie du dich in die Angelegenheiten von der Polizei einmischst, dann sorge ich dafür, dass du blutest. Und das meine ich durchaus in der doppelten Bedeutung des Wortes. Freundschaft mit Werner hin, Freundschaft mit Werner her.«

      Birne war soeben geschrumpft, hier in Brunos Zimmer. Die hatten ihn ausgenutzt, die hatten ihn zum Affen gemacht. Und der Mann, von dem er zunächst nichts gehalten hatte, war nun der, der ihm die Welt wieder gerade rückte, der ihm zeigte, wie die Uhren hier tickten.

      »Du hast recht«, bestätigte er.

      »Natürlich.«

      Die hübsche Sekretärin schaute noch mal rein in die Stube und wünschte den Herren – und damit auch ihm – ein schönes Wochenende und wollte verschwinden. Als Birne sich wieder Bruno zuwendete, wirkte der eindeutig traurig und enttäuscht. Birne verstand schon wieder was und hatte ebenfalls das Bedürfnis, die Sache schnell zu bereinigen und seinem Stammtischkollegen den Abend nicht zu versauen.

      »Warte, Tina«, flehte Bruno und wedelte mit seiner kleinen Kassette. »Kannst du mir diesen Gefallen noch erledigen, ist nicht viel, nur ein paar Minuten.«

      »Chef.« Die Sekretärin wirkte wie ein Engel in dem Raum. »Tut mir leid«, sagte sie und verzog dabei ihre frisch nachgeschminkten Lippen zum Niederknien. »Ich kann jetzt bitte wirklich nicht mehr länger warten. Ich habe noch einen Termin im Fitnessstudio, das kostet nicht wenig Geld, und ich will das halt nicht unbedingt verfallen lassen. Ich würd dann gehen, wenn’s geht. Leg’s hin.