Tatort Alpen. Michael Gerwien

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Название Tatort Alpen
Автор произведения Michael Gerwien
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994869



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      »Ich mach Schluss.«

      »Nein, das wollte ich nicht. Mach nicht Schluss.«

      »Doch, das hat eh keinen Wert mehr.«

      »Versteh mich nicht falsch, wahrscheinlich ist das bei euch ganz anders. Ich meine, gerade die, die sich die größte Liebe vom Himmel runterschwören, sind die Gefährdetsten.« – Birne verhaspelte sich schwer bei dem Wort. Alexa half ihm sprachlich wieder auf die Bahn, Birne bedankte sich und beide fanden es im Augenblick sehr reizend. »Bei euch ist das anders, ihr könnt euch und eure Gefühle schon einschätzen. Darf man fragen, wie lang ihr schon zusammen seid?«

      »Schon viereinhalb Jahre und zwei Monate.«

      »Das ist grandios. Wie alt bist du?«

      »Bald werd ich 19.«

      »Und dann seid ihr schon so lange zusammen, das ist prima, das hält. Mach dir da keine Sorgen, die meisten in deinem Alter haben ja noch gar keine Erfahrung mit der Liebe, die haben bisher nur gespielt, aber du, das merk ich doch, du bist da schon viel reifer.«

      »Ich mach trotzdem Schluss.«

      »Hoffentlich nicht meinetwegen oder wegen dem, was ich gesagt habe.«

      »Nein, ich habe es mir schon länger überlegt. Außerdem wie kommst denn du dazu, mir Ratschläge in der Liebe zu geben, du bist doch selbst nicht viel älter. Was willst denn du schon erlebt haben?«

      Sigrid kam zur Tür herein: »Na, ihr zwei Turteltäubchen?«

      Jetzt beging Alexa einen Fehler, indem sie fragte, etwas erschrocken: »Kann man uns da hören im anderen Raum?«

      Und Sigrid beruhigend und wahrscheinlich verlogen: »Nein, nur dass ihr redet, nicht was.« Sie schwenkte einen Mondkalender. »Habt ihr schon reingeguckt? Heute ist schlecht Bier trinken, überhaupt Alkohol: Finger weg – heute. Ich sag’s nur, weil ich euch doch kenne, euch jungen Leute, ich war doch selbst mal jung und bin weggegangen. Dafür ist heute gut Kohlenhydrate essen – Brot, Kartoffeln, Nudeln. Würd ich ausnutzen, das Zeug macht sonst dick, da muss man aufpassen, ihr noch nicht in eurem Alter, aber da kommt ihr früh genug drauf; die Zeit vergeht so schnell, als Kind merkt man das gar nicht, wenn man nur immer wartet auf Weihnachten oder die großen Ferien, aber spätestens ab 30, da flutscht es nur so dahin mit der Zeit. Es sind die Kinder – da hat man dann Kinder oder die Freunde von einem haben welche, und an den Kindern merkt man, wie man alt wird, sagt nicht umsonst der Volksmund, nicht wahr?«

      Birne wollte gerade aufstehen und den Knopf suchen, mit dem man sie abstellen konnte, da hörte sie von selbst auf und stand sprachlos vor dem Worthaufen, den sie eben abgelassen hatte. Man hätte Schaufel und Besen holen und ihr zusammenkehren helfen sollen, aber das ging ja nicht: Worte sind, einmal entlassen, nicht mehr zurückzuholen und auch nicht wieder zu verwerten, sie sind weg und wirken da draußen, außerhalb vom Mund, aus dem sie geflogen sind.

      »Ich bin nicht mehr jung«, sagte Birne.

      »Papperlapapp, natürlich bist du noch jung, Birne. Wie gefällt’s dir denn, Birne? Hast du dich hier schon eingelebt, Birne?«

      »Passt schon.«

      »Alexa, Sie müssen ihm unbedingt ein wenig die Gegend zeigen.« Sigrid siezte Alexa. Interessant. »Das ist wichtig für Ihre Arbeit hier, dass Sie den anderen was zeigen können, ihnen eine Gegend schmackhaft machen können. Wart ihr schon wandern? Ihr müsst unbedingt wandern. Am Sonntag, sagt der Mondkalender zum Beispiel, wär ein optimaler Tag.«

      »Für Leibesertüchtigung?«, fragte Birne.

      »Für Leibesertüchtigung«, wurde ihm bestätigt.

      »Ist oft Leibesertüchtigung.«

      »Ja, wenn der Mond so steht. Heute auch, aber heute kommt ihr nicht mehr hoch, das ist zu spät. Geht doch am Sonntag.« Sie würde sie nicht in Ruhe lassen, bis sie ihr schworen, auf den Berg zu gehen am Wochenende.

      »Ich denke, ich geh da auf jeden Fall mal raus aus der Stadt in die Umgebung, ist eine höllenschöne Umgebung hier, nicht?«, sagte Birne.

      »Unbedingt. Wegen der Stadt brauchst du nicht ins Allgäu zu gehen, hier ist Landschaft, hier ist Natur. Wart erst bis zum Winter, dann kannst du Skifahren.«

      Birne konnte der gesamte weiße Sport gestohlen bleiben wie Migräne, das waren ihm, sogar ihm, viel zu viele Umstände für viel zu wenig Fun. Bier konnte er auch woanders bekommen, das wusste er.

      »Schön, dass ihr es packt, junge Leute, das passt vom Tempo, ich würde es dir auch gern zeigen, das Wandern, aber auf mich müsstest du immer warten. Wenn man älter wird, dann machen die Füße zu viele …«

      »Das glaub ich nicht, du bist doch trainiert, das sieht man doch«, probierte Birne, ob sie eventuell auf Komplimente aus war.

      »Nein«, sagte sie. »Hast du passende Schuhe? Schuhe auf dem Berg sind das Wichtigste. Der Berg steigt und fällt mit den Schuhen.«

      »Klar hab ich Schuhe.«

      »Ich würd sie gern sehen, dann könnt ich dir sagen, ob du damit raufkommst.«

      »Ich hab sie nicht da. Ich komm doch hier zum Arbeiten her und nicht zum Wandern.«

      »Wird schon passen.«

      Passte einen Scheißdreck, Birne hatte keine Schuhe, er wollte nur nicht mehr der alten Frau zuhören, der Frau, die sich für ihn alt machte, die ihn auf dem Berg haben wollte mit dem Mädchen neben ihm. Was hatte die davon? Woher kam diese Herzlichkeit? Soff sie?

      Sie ging weg.

      Alexa wollte wissen: »Willst du wirklich was unternehmen am Wochenende?«

      Birne fühlte sich in der Enge, er hatte eine Menge Dinge hier, die seine Anwesenheit erfordern könnten, andererseits könnte es unter Umständen auch gut sein, weg zu sein, nicht greifbar für irgendjemanden.

      »Wieso nicht?«

      »Hast du ein Auto?«

      »Nein.«

      »Ich könnt mir eins ausleihen von meinen Eltern, ist bequemer als mit meinem Roller; du müsstest mir halt sagen, wo ich dich abholen soll, wo du wohnst.«

      »Fährst du sonst Roller?«

      »Normalerweise reicht’s zum Badenfahren an einen See im Sommer.«

      »Wär auch mal nett.«

      »Freilich, sobald Sommer ist, machen wir das auch mal.«

      Er erinnerte sich, dass er zum Tee verabredet war, dass er für die Mittagspause die anderen abschütteln musste.

      Als er antwortete: »Ich bin verabredet«, war Werner verwundert, erwiderte aber nichts, hätte aber so gern – das sah Birne – einen Witz gehabt zum Reißen. Er schaute zu Alexa, versuchte ein Lächeln und sagte: »Capito.«

      »Nix capito«, sagte Birne.

      »Wo geht ihr sonst immer hin?«, fragte Alexa, die er auch noch loswerden musste, nachdem Werner auf dem Weg war.

      »Unterschiedlich.«

      »Es gibt in der Nähe einen Döner, der ist nicht schlecht.«

      »Hab ich schon probiert, ist gut.«

      »Gehst du da heute hin?«

      »Nein, ich bin verabredet.«

      »Verstehe.«

      »Was?«

      »Mit einer Frau?«

      »Nein, ich hab keine Frau.«

      »Kann ich mir gar nicht vorstellen.«

      »Du, ich bin erst eine Woche hier. So schnell geht das nicht.«

      »Glaubst du nicht an die Liebe auf den ersten Blick? Wenn es die Richtige ist, merkst du das gleich.«

      »Muss nicht sein, kann sein,