Tatort Alpen. Michael Gerwien

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Название Tatort Alpen
Автор произведения Michael Gerwien
Жанр Триллеры
Серия
Издательство Триллеры
Год выпуска 0
isbn 9783734994869



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können.

      »50 Zentimeter?«

      »Ein sogenanntes Kebabmesser.«

      »Das sollten wir festhalten.«

      »Haben wir schon, die Waffe lag noch hier.«

      »Prima. Wie alt war die Frau?«

      »Mitte 80.«

      »Ja, dann hätte man doch warten können.«

      Trimalchio lachte auf und sagte dann: »Jetzt pass auf, es wird noch heißer.«

      »Ja?«

      »Auf dem Messer waren Fingerabdrücke.«

      »Nein.«

      »Doch, und auch in der restlichen Wohnung.«

      »Schon identifiziert?«

      »Sieht gut aus.«

      »Erzähl.«

      »Du hast nicht gefragt, wer die Leiche entdeckt hat.«

      »Wer hat denn die Leiche entdeckt?«

      »Die Nachbarin.«

      Die Männer schauten sich schweigend an.

      »Und weiter?«

      »Eine Türkin.«

      »Jetzt pass auf.«

      »Habe ich mir auch gedacht. Jetzt hör zu. Also sie ruft an heute gegen 9, wollte grade raus und mir eine Leberkässemmel holen, deswegen krieg ich es mit und nehm mir den Hörer von der Frau an der Telefonzentrale. Ein Deutsch mit Akzent, aber ziemlich fehlerfrei, eine Frau erzählt mir, sie mache sich Sorgen um ihre Nachbarin, es sei so still und die Zeitung noch im Kasten, was nie vorkomme, ob wir mal nachschauen könnten. Ich lache sie laut aus, sage ihr, sie solle sich beruhigen, wahrscheinlich ist sie auf einer Kaffeefahrt oder Ähnlichem. Die Frau legt auf. Ich geh, komm wieder mit meiner Semmel, keine zehn Minuten später, und die Maier hat jemanden am Telefon und weiß sich nicht zu helfen. Du kennst sie: Guter Mensch, aber von der Psychologie und den Nerven völlig überfordert, sie kommt in die Jahre, guter Mensch.«

      Abraham hätte jetzt gern die Leiche gesehen.

      »Auf jeden Fall ist wieder die ausländische Frau mit ihrer Stimme dran und ich übernehme sie, versuche relativ erfolglos, sie runterzubringen, bringe sie immerhin so weit, dass sie sich still in ihre Wohnung setzt und wartet, bis ich bei ihr bin. Bin selbst gefahren und sofort, habe mir dabei Senf auf den Handrücken gebracht. Da!«

      Abraham schaute und dachte sich: Selbe Wellenlänge nur zum Teil, Trimalchio ist ein Wichtigmacher und Streber, dem’s an Grips fehlt, kein Wunder, dass er, Abraham, auf seinem Stuhl saß und nicht der, der seit Jahren an ihm sägte und ihm jetzt gegenüberstand und so umständlich ausführte, was passiert war. Andrerseits, dachte Abraham, sitzt jeder auf seinem eigenen Stuhl, ein Stuhl hat wenig Persönlichkeit, sodass erst durch das Sitzen von jemandem der Stuhl zum Stuhl von jemandem wurde. Abraham sagte nichts und ließ den Kollegen weiterreden.

      »Die Frau war hysterisch, hatte ihren Mann kommen lassen – die beiden betreiben einen Kebabstand nicht weit von hier – er war relativ gelassen. Ich weiß, das hätte mich stutzig machen müssen. Egal. Weiter: Sie erklären mir, dass nebenan die tote Frau Zulauf wohnt, dass sie zu ihr die besten Beziehungen haben und so weiter. Sie haben aber nicht nur Beziehungen, sondern auch einen Schlüssel, angeblich von der Frau selbst ausgehändigt für den Fall, dass mal was passiere. Den Schlüssel hat sie benutzt, nachdem sie uns zum ersten Mal angerufen hat, und ist in die Wohnung und hat das Opfer, Frau Renate Zulauf, dort in ihrem Blut und erstochen aufgefunden. Sie hat, ohne etwas anzufassen, die Wohnung verlassen und uns angerufen, was das völlig Richtige in dieser Situation war, das habe ich ihr auch gesagt.«

      »Wie lange ist denn das Opfer nicht mehr unter uns?«

      »Sie meinen, seit gestern früher Nachmittag.«

      »Noch Zeugen?«

      »Im Haus?«

      »Zum Beispiel. Wir gehen nachher rum.«

      Jetzt fiel Abraham was ein, jetzt fühlte er sich stark. »Warum ist das noch nicht geschehen?«

      »Können wir sofort veranlassen, hör nur kurz den Rest an.«

      »Nein, veranlass du, ich schau mir derweil die Leiche an.«

      Trimalchio führte ihn in die Wohnung und übergab ihn dort einem Uniformierten, der ihn auf dem Weg zur Küche begleitete und dort auf eine tote Frau auf dem Boden wies. »Da.«

      »Aha.«

      Kollegen wuselten, nahmen Fingerabdrücke, einer fotografierte, einer kniete neben der Toten und schaute sie genau an, ein weiterer packte kleine Gegenstände in Plastiktüten, gerade war er an einem Salzstreuer, und Abraham dachte, dass das hier vielleicht auch das Bescheuertste war, das er jemals mitgemacht hatte. Vielleicht sollte man es generell sein lassen, der Presse mitteilen, dass jemand den perfekten Mord geschafft habe und weiterziehen.

      Vor ihm lag eine tote Frau mit Messerstichen in der Brust, eine alte Frau. Er wusste nicht, ob von ihm jetzt erwartet wurde, dass er niederkniete. Er tat es und roch etwas an ihrem Rücken. Alte Frau halt. Blut konnte er keines sehen bis auf das, das ausgelaufen war, es war überraschend, wenn auch nicht verdächtig wenig, denn die Frau war nach vorne gefallen, um zu sterben.

      Er stand auf und suchte Trimalchio, er wollte jetzt dessen Stimme hören, er ging aus der Wohnung im ersten Stock und lief dem Inspektor fast in die Arme.

      »Und?«

      »Es war niemand da, aber ich schicke später noch mal jemand rum.«

      »Ist in Ordnung. Was ist sonst noch passiert?«

      »In den letzten fünf Minuten?«

      »Nein, so insgesamt. War denn die Tür aufgebrochen?«

      »Eben nicht. Jetzt kommen wir zu unserem Verdacht. Wir also rein in die Wohnung, finden alles praktisch unberührt nach dem Mord, finden das Messer, finden Fingerabdrücke im Haus, und was dann kommt, nenn es Intuition, nenn es einen Fingerzeig, nenn es eins und eins zusammenzählen. Ich seh das Kebabmesser und denk Türkin, lass also das Finderpaar draußen im Kombi ein paar Angaben zur Person machen und nutz das, um ihre Fingerabdrücke nehmen zu lassen, sag, dass das so üblich ist, und auch in ihrer Wohnung, während sie Angaben machen. Und stell dir vor und glaub es nicht, was die uns innerhalb von zehn Minuten sagen, die Kollegen mit dem fahrbaren Köfferchen, dem mobilen Labor.«

      Trimalchio blickte Abraham wieder so an. Das sollte eine spannungserzeugende Pause sein. Abraham konnte sich denken, was jetzt kam und freute sich darüber, denn das konnte bedeuten, dass das Ding hier schnell gelöst sein würde.

      »Der Mann, der das Kebabmesser geführt hat, und der Mann der Türkin, der Nachbar der armen Frau Zulauf, sind – derselbe.« Bingo.

      »Und was ist dann passiert?«

      »Wir haben ihn vorläufig unter dringendem Mordverdacht festgenommen.«

      »Und die Frau?«

      »Die wollte mit.«

      »Wie mit?«

      »Na ja, halt mit ihrem Mann. Sie ist in ihrem Auto dem Streifenwagen nachgefahren und macht jetzt irgendwo anders einen Riesenradau. Früher oder später wirst du mit ihr zu tun haben.«

      Früher oder später war jetzt geworden – der Vormittag, nachdem sie die Leiche gefunden hatte. Sie saß vor ihm, war zunächst glücklich darüber, nun von ihm persönlich vernommen zu werden, aber er konnte doch auch nichts für sie und ihren Mann machen, das war alles ziemlich eindeutig. Und aus ihr bekam er auch nicht mehr raus als Beleidigungen und Vorwürfe, ein Nazi zu sein. Vielleicht war er auch nicht der König der Psychologie, wahrscheinlich würde sich aber dieser Schlaukopf, dieser sogenannte Trimalchio, auch nicht besser anstellen.

      Innerlich hakte er den Fall ab. Es war unglaublich, aber halt wahr. Dieser dumme Budenbesitzer war mit dem Schlüssel, den seine Frau verwahrte,