die sich im Park verstecken, im Mondlicht baden. Bender schreitet voran, als hätte die Tatsache, dass er sich ausgerechnet hier befindet, gar nichts mit seinem eigenen Begehren zu tun. Würde jemand an ihn herantreten und ihm etwas anbieten, ganz gleich was, würde ihn jemand auch nur um eine Zigarette bitten, er, Bender, würde ablehnen. Ganz ohne Grund, damit bloß nicht jemand denkt, es würde eine Absicht dahinterstecken, warum er zu so später Stunde in einem so dunklen Park spazierengeht, der auf der einen Seite durch Bahngeleise und auf der anderen Seite durch eine hohe, gleichsam mit Speerspitzen gespickte Mauer eingegrenzt ist. Er hält inne und betrachtet die kaum sichtbare Szenerie um sich herum. Im Gegenlicht der Straße sieht er, wie Füße und Beine über die Pfade gehen und aus seinem Blickfeld verschwinden. Der Park ist voller Männer. Bender möchte seine Zeit mit ihnen teilen. Sonst nichts. Er hätte den Park auch leicht umgehen können. Nach links abbiegen statt nach rechts. Um etwas nicht zu tun, muss man einen Grund haben, ebenso wie um etwas zu tun. Die Motivation, etwas zu tun, ist dennoch von komplexerer Natur. Das ist ein Thema, über das im Nachhinein gesprochen werden wird. Jedoch soll man, während es passiert, nicht über die sprunghafte Natur des Begehrens nachdenken. Bender geht weiter und zündet sich eine Zigarette nach der anderen an. Ungeachtet dessen, wieviel Potenzial er in der derzeitigen Situation vorfindet, das Leben, das er sieht, ist zu schlecht beleuchtet, um eine gute Geschichte abzugeben. Wenn er sich nicht mehr anstrengt, wird er keinerlei Nutzen aus dieser Szene ziehen können, weder er noch jene, die an ihm vorbeigehen und ihm ihren Blick als Pfand hinterlassen. Er hat das vierzigste Lebensjahr noch nicht erreicht. Sein Körper gehorcht ihm, und in der Dunkelheit kann er anständig genug aussehen, um in der Morgendämmerung keine Enttäuschung abzugeben. Wenn er tief Luft holt, wölbt sich seine Brust und wirkt größer. Seine Schultern könnten jemanden tragen, der stärker ist als er selbst. Er geht weiter im Kreis. Hier kennt niemand seinen Namen. Er möchte ein Gesicht treffen, das er nicht kennenlernen muss. Der Name kann unbekannt bleiben. Direkt vor sich erblickt er eine Parkbank und zwei Männer, die sie besetzen. Die Männer und die Bank haben die gleiche Farbe. Es ist schwer festzustellen, wo die Bank zu Ende ist, und wo die Körper anfangen. Einer der Männer hebt die Hände und verschränkt sie hinter dem Kopf. Der andere zündet sich eine Zigarette an. Bender steht in der Nähe, und die Flamme des Feuerzeugs in der Hand des Mannes zeigt ihm mehr als genug. Bender kann mit Sicherheit sagen, dass der Mann eine stark ausgeprägte Nase hat, dunkle Augen, Koteletten, die eine hohe Stirn betonen, und außerdem kann er mit Sicherheit sagen, dass sich ein Gespräch mit diesem Mann durchaus lohnen würde. Bender legt noch ein paar Schritte zurück. Der Kies unter seinen Schuhsohlen knirscht, als würde ihn die Natur warnen wollen. Er kann erkennen, dass die linke Hand des rechten Mannes auf dem rechten Oberschenkel des linken Mannes ruht. Die Paarung der beiden vollzieht sich ohne den geringsten Ton. Die Körper haben jegliches Geräusch zunichte gemacht. Die Berührung ist stumm. Möglicherweise ist es auch die für die Abenddämmerung typische Halbblindheit, die alle anderen Reize hat verschwinden lassen. Bender nähert sich den beiden Männern und zieht eine Zigarette hervor. Das brennende Zündholz lässt die Gesichter der beiden zum Vorschein kommen, sie stellen einen Ausdruck falscher Sicherheit zur Schau. Wie bei einer nächtlichen Erscheinung gibt es statt der Augen erschrockene schwarze Punkte. Der Zigarettenrauch durchdringt die Situation, es wird weitergeatmet, und es breitet sich die Überzeugung aus, die Situation würde sich in eine gute Richtung entwickeln. Er steht noch immer vor den beiden und erahnt sie eher, als dass er sie sieht. Aber auch das genügt. Hauptsache, er hat das Gefühl, etwas bieten zu können. Das verleiht ihm die Sicherheit, keinen Schritt von der Stelle zu weichen, an der er erstarrt ist und von der aus er das betrachtet, was der herrschenden Meinung nach Privatsache ist. Neben den beiden, die auf der Bank sitzen, gehen andere vorbei. Der Zigarettenrauch macht sämtliche Dilemmata und nicht gestellten Fragen obsolet. Die beiden Männer ziehen hier ihre Show ab, nur für ihn. Sie tun so, als würden sie ihn nicht sehen. Eine eingeübte Geste des nächtlichen Liberalismus. Jeder hat das Recht auf sein Bedürfnis. Was genau ist sein Bedürfnis? Er spürt, wie der offene Nachthimmel sein Selbstbewusstsein niederdrückt. Es ist Zeit, der Sommer war lang. Mehrmals schluckt er seinen Nasenrotz hinunter. Er versucht, die Luft auszuatmen, bleibt aber aufgebläht wie ein Fisch. Die weggeworfene Zigarette knistert im Flug und brennt kurz stärker. Er weiß nicht, was er mit seinen Händen anstellen soll, nachdem er die Zigarette zu Boden geworfen hat, also vergräbt er sie tiefer in die Hosentaschen. Sein Geschlechtsteil kann er durch die Hosentaschen nicht berühren, die Schlüssel auf der einen und die Zigarettenschachtel auf der anderen Seite hindern ihn daran. Ihm gefällt die Szene, die sich vor ihm in der Dunkelheit abspielt. Dennoch, wenn er sich nicht bemüht, wird er nichts davon haben. Er könnte den Männern noch näher kommen und einen von ihnen am Kopf berühren. Oder beide. Vielleicht würden sie zutraulich werden wie Hunde. Oder aber einer von ihnen würde ihm die Hand abbeißen. Um eine Reaktion zu erhalten, muss er die Hände aus den Hosentaschen ziehen. Freie Hände bedeuten Absicht. Absicht ruft Angst hervor, man könnte etwas voneinander wollen. Bender steht da, aber wenn er weiterhin nur dasteht, kann er bis zum Morgen warten. Aus der Ferne hört er eine Polizeisirene. Sobald die Sirene verstummt, zieht er die Hände aus den Hosentaschen, um seine Absicht zu bestätigen, dann macht er ein paar Schritte auf die Männer zu, die keine totalen Fremden mehr sind, aber noch immer kein Gesicht haben. Als er einen Augenblick lang mutig und verwundbar genug ist, um ihnen die Angst vor seinem eigenen Begehren in allen Nuancen zu zeigen, steht einer der beiden Männer auf und zielt mit der Faust direkt auf Benders Kopf. Benders Fuß ist noch nicht richtig verheilt, und schon nimmt er den nächsten Schlag entgegen. Das Geräusch, das ein Echo bleibt, begleitet von salzigem Blut, das sich sogleich in seinem Mund ausbreitet, ähnelt dem Aufplatzen einer Wassermelone in Zeitlupe, wenn die Frucht jemandem zufällig aus der Hand fällt und am Boden aufschlägt. Eine Tragödie, nicht größer als der Tod, aber so gewiss wie der Tod selbst. Benders Körper krümmt sich nach vorne und wankt. Der Fall ist unvermeidlich. Er versucht, etwas zu finden, woran er sich festhalten könnte, aber er kassiert noch einen weiteren Schlag auf den Rücken und streckt seine Arme aus, um den Fall abzufedern. Er lässt sich mit unsichtbarer Kraft auf einen Ringkampf ein. Er spürt noch einige weitere Schläge in die Rippen und einen Schlag auf den Kopf. Niemand spricht auch nur ein Wort. Kein Schimpfwort begleitet die Schläge. Der Augenblick, in dem die Sprache in Vergessenheit gerät, verbindet sich mit der Konzentration auf die Effizienz eines Schlags. Er hätte statt der beiden sprechen können. Beide Seiten des Dialogs aussprechen. Ihnen beiden zunächst einen guten Abend wünschen. Guten Abend. Hallo. Die Nacht ist schön. Ja. Der Mond ist fast voll. Nicht ganz. Es stinkt nicht einmal sehr stark. Ihr also auch über die Geleise drüber. Wir auch über die Geleise drüber. Das ist gefährlich. Wir riskieren es. Hier ist es immer ein Risiko. Was hast du anzubieten. Was wollt ihr. Wenn er doch bloß rechtzeitig gesprochen hätte, dann wäre weniger Blut geflossen. Jetzt hört er, wie Schritte und Zischlaute sich entfernen. Am liebsten würde er sich ausstrecken und einschlafen, um nicht unaufhörlich Blut spucken zu müssen. Es hätte ein ganz gewöhnlicher Tag sein können. Ein Tag, an den man sich erinnert, obwohl nichts Wichtiges passiert ist. Er hätte diesen Tag in Erinnerung behalten können als einen Tag, an dem die Stadt für ihn so aussah, als hätte die Pest darin gewütet. Einen Tag, an dem die ganze Stadt sich zu einer Demonstration eingefunden hat, anstatt auf Urlaub zu fahren. Einen Tag, an dem es aussah, als würde endlich der erste reinigende Regen fallen und die Hoffnung auf ein besseres Morgen zurückbringen. Einen Tag, der schließlich jede andere Möglichkeit ausschloss, außer jener, am Ende des Tages vollgepisst im Park zu liegen und zu versuchen, seine Zigarettenschachtel rauszuziehen, die in der nassen Hosentasche feststeckt. Je fester er die Zigarettenschachtel mit den Fingern umfasst, desto zerknitterter und urindurchnässter werden die Zigaretten. Er muss sich retten. Auf demselben Weg, auf dem er hergekommen ist. Er stützt sich auf die Ellbogen, dann auf die Knie und bleibt so auf allen Vieren. Er schaut sich um. Der Park ist klein, aber groß genug, um eine Orientierungstafel zu haben. Er könnte die Diagonale der Wahnsinnigen einschlagen und über die finsteren Pfade laufen, über Grasflächen und umgestürzte Baumstämme springen. Er könnte mit der gleichen Kraft, mit der seine Beine ihn tragen, brüllen. Er hat nicht damit gerechnet, dass es so ausgeht. Er versucht, sich mit den Handflächen einigermaßen zu säubern, und putzt sich mit der Hand die Nase. Er spuckt Fleisch und Blut aus. Als er sich endlich aufrafft, wieder auf die Beine zu kommen, hört er aus der Ferne Explosionsgeräusche, anschließend gehen mehrere bunte Feuerwerke weit über seinem Kopf auf. Das Feuerwerk erleuchtet den Park ihm zu Ehren. Die Autos verlangsamen ihre Fahrt. Die Passanten