Seewölfe Paket 28. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 28
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399963



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abschneide! Leider glaubte der Dummkopf Smoky dem Waschweib O’Flynn und ließ sich im Kleiderschapp verstecken. Das also ist die Geschichte, die Geschichte zweier Narren, von denen der ältere allerdings der weitaus größere Narr ist, obwohl er eigentlich weise sein sollte. Da ist zum Beispiel zu fragen, wie lange der alte Narr den jüngeren im Kleiderschapp aufbewahren wollte, um ihm Simsons Schicksal zu ersparen? Wie wollte er ihn ernähren? Wie sollte nachts geschlafen werden? Wie würde sich der jüngere verhalten, wenn er Tage und Wochen in der Kammer eingesperrt ist? Nicht wahr, solche Fragen hätte sich der alte Narr doch stellen müssen? Oder nicht? Nein, wahrscheinlich hat er sich diese Fragen nicht gestellt. So weit kann er gar nicht denken – nicht mit seinem Mückengehirn!“

      Das war hartes Geschütz, das härteste vermutlich, das Philip Hasard Killigrew gegenüber seinem Schwiegervater Donegal Daniel O’Flynn jemals aufgefahren hatte.

      Aber Old Donegal nahm es hin, sogar gelassen und mit Würde.

      Er sagte: „Bist du jetzt fertig, Kapitän Killigrew, Sir?“

      „Ja.“

      „Dann bitte ich die Crew um Entschuldigung“, sagte Old Donegal, „und gebe zu, einen kapitalen Bock geschossen zu haben.“ Er blickte Hasard an. „Können wir jetzt die verdammte Geschichte begraben?“

      „In Ordnung“, sagte Hasard, ging auf den Alten zu und reichte ihm die Hand.

      Da lösten sich endlich die starren Gesichter, und der Bordfrieden kehrte wieder ein.

      Carberrys Organ ertönte mit der Lautstärke eines Marktschreiers: „Dieses war der erste Teil! Es folgt der zweite. Als Gewinner einer allgemein bekannten Wette frage ich den Verlierer – den hier anwesenden Mister Smoky –, ob ich Gnade vor Recht ergehen lassen soll, das heißt, daß ich ihn begnadigen werde, so er das wünscht! Wünscht er das?“

      In angemessenem Ton erwiderte Smoky: „Ich danke dem sehr ehrenwerten Gewinner – dem hier anwesenden Mister Carberry – für den Gnadenerweis, bestehe aber darauf, daß er mir die Haare vom Kopfe entfernt, sintemalen ich die zwischen ihm und mir ausgetragene Wette verloren habe. Wettschulden sind Ehrenschulden und zu begleichen!“

      „Hurra – hurra – hurra!“ donnerte die Crew.

      „Dann geschehe es“, sagte Carberry grinsend und nahm die Schere zur Hand. „Ich bitte den hier anwesenden Mister Smoky um Entschuldigung, wenn es ziepen sollte.“

      „Seemannsherz kennt keinen Schmerz, Mister Carberry“, sagte Smoky mit tapferer Miene.

      „Das kann gar nicht ziepen“, erklärte der Kutscher unwirsch. „Nicht bei meinem Besteck, wie ich hinzufügen möchte. Schließlich bin ich kein Dorfbarbier, der seine Scheren und Messer zweckentfremdet benutzt.“

      „Wie das?“ fragte Carberry.

      „Als Geflügelschere oder Brot- und Käsemesser.“

      „Ach so.“ Und damit schnippelte Carberry los. Mit der Linken nahm er immer ein Büschelchen von Smokys braunem Haar hoch, mit der Rechten, deren kleinen Finger er abspreizte, führte er die Schere an das Büschel und schnitt es ab.

      „Das ist der Grobschnitt!“ erläuterte er. „Eine Verkürzung auf weniger als Fingerdicke, was den Feinschnitt dann erleichtert.“

      „Hast du mal Barbier gelernt?“ fragte Niels Larsen grinsend.

      „Das nicht, Mister Larsen“, sagte Carberry, „aber ich weiß, wie man dumme Frager über den Löffel barbiert.“

      „Aha!“

      „Nichts ‚aha‘! Bei deiner Mähne wäre auch mal ein Schnitt fällig. Da kann man ja bald Zöpfchen spleißen, kann man.“ Und der Profos schnippelte und schnippelte, unverdrossen, ohne sich ablenken zu lassen. Tatsächlich entwickelte er ein beachtliches Geschick – und das bei seinen Pranken, deren rechte Zeigefinger und Mittelfinger kaum durch die Griffösen der Schere paßten.

      „Zieht’s, Mister Smoky?“ fragte er.

      „Mitnichten, Mister Carberry“, erwiderte Smoky. „Ich muß dem Mister Larsen beipflichten. Du bist wirklich ein guter Barbier. Wir sollten wöchentlich eine Barbierstunde einrichten, um dem wuchernden Haarwuchs der Männer Einhalt zu gebieten. Da laufen einige herum, daß man schon wirklich nicht mehr weiß, ob das ein Männlein oder Weiblein ist. Stimmst du mir zu, Mister Carberry?“

      „Du sagst es, Mister Smoky. Wenn die einen Busen hätten, könnte man wirklich meinen, man sei in einen Harem geraten.“

      „Der Harem der Heiligen Barbara“, sagte Smoky kichernd.

      So alberten sie herum, diese beiden Komiker, und die Arwenacks amüsierten sich köstlich – bis hin zum „Feinschnitt“, bei dem Smokys Haupt mit Schmierseife eingeseift wurde und Carberry, ohne zu zittern, die Stoppeln mit dem Rasiermesser entfernte. Smoky ging unverletzt aus der Prozedur hervor, kein Schnitt, kein Blut – was der Kutscher insgeheim befürchtet hatte.

      Er rückte mit einer gutduftenden Salbe heraus, was anfangs von Smoky und Carberry mit Mißtrauen betrachtet wurde.

      Aber der Kutscher erklärte: „Seine Kopfhaut muß gesalbt werden, Mister Carberry. Da die Haare entfernt wurden, entbehrt sie ihres Schutzes, dieses vor allem bei der starken Einwirkung der Sonnenstrahlen auf nackte menschliche Köpfe. Ich kann es nicht verantworten, daß Mister Smoky einen Sonnenstich bekommt.“

      „Er könnte einen Hut aufsetzen“, sagte Carberry.

      „Nichts da! Die Kopfhaut wird eingesalbt. Bist du hier der Feldscher oder ich?“

      „Du.“

      Also wurde Smoky auch gesalbt. Seine Glatze schimmerte hinterher wie eine Speckschwarte. Alle fanden, daß Smoky prächtig aussähe – was nicht der Fall war. Aber sie sagten es, damit er nicht dem Trübsinn verfiel. Tatsächlich sah er aus wie ein Arsch mit Ohren. Das sagte der kichernde Mac heimlich zum Kutscher, aber der milderte diese Formulierung dahin, daß er sagte: „Nein, nein, Mac, eher sieht das aus wie ein Kinderpopo.“

      Na ja, wo lag da schon der Unterschied!

      4.

      Am Abend dieses ereignisreichen Tages saß die „Santa Barbara“ hoch und trocken. Ferris Tucker hatte sie mit Pallhölzern an Backbord und Steuerbord abgestützt, so daß sie auf ebenem Kiel lag.

      Eins wurde nunmehr sichtbar. Die Galeone ruhte nahezu mit ihrer gesamten Kiellänge auf einem Sandhügel. Es gab im weiteren Umkreis noch mehr von diesen tückischen Untiefen, aber diese dünenartige Erhebung war die höchste – leider. Und ausgerechnet diese hatte sich im Kurs der „Santa Barbara“ befunden. Mac Pellew hätte sie gemeldet, wäre er nicht abgelenkt gewesen. „Hätte“ und „wäre“ – diese verfluchten Möglichkeitsformen!

      Carberry ernannte die Düne zur „Paddy-Rogers-Schlafinsel“, und da kriegte der gute Paddy wieder seine roten Ohren und schämte sich ob seines Versagers.

      Hoch und trocken wurde noch eine zweite Tatsache sichtbar, die Ferris Tucker erbleichen ließ. Aber die Mienen der anderen hätte man auch nicht als fröhlich bezeichnen können.

      Hasard und Ferris waren an Jakobsleitern abgeentert und somit die ersten, die die Bescherung sahen.

      „Ach du dicke Scheiße“, sagte Ferris Tucker fassungslos.

      Der Unterwasserbauch der „Santa Barbara“ war gepanzert. Von oben hatte man das nicht sehen können, aber jetzt von unten konnte man die ganze Pracht der Muscheln, Seepocken und Algen bewundern. Aber Hasard und Ferris hätten lieber glatte Planken bewundert. Für die Schönheiten dieser Unterwasserwelt hatten sie zur Zeit nichts übrig, was man ihnen nicht verdenken konnte.

      Immer mehr Arwenacks enterten ab, um ihr Schiffchen auch mal von unten zu besichtigen, wozu man ja selten Gelegenheit hatte. Ihre Mienen wurden lang und länger.

      „Ich hab’s geahnt“, sagte Pete Ballie dumpf, Pete, der Gefechtsrudergänger