Die Guffas, jene typischen Rundboote des Tigris, glitten an Backbord und Steuerbord der «Santa Barbara» längsseits. Haken und Leinen flogen hoch, Pfeile surrten durch die Luft. Die Piraten grölten wie die Besessenen und enterten an den Leinen hoch. Als sie auf die Kuhl sprangen, traten die Arwenacks zum Gegenschlag an. Carberry rammte einem der Kerle die Faust unters Kinn. Der Kerl stieg hoch, flog schräg übers Schanzkleid und landete mit einem Aufschrei im Wasser. Dann räumte der Profos den nächsten Schnapphahn unter Zuhilfenahme seines Säbels ab. Heulend folgte der Pirat dem ersten Kumpan ins Wasser. Wieder klatschte es. Wellen entstanden. Die Guffas schaukelten…
Old O'Flynn hatte den Auftrag, mit seiner «Empress of Sea» das Gebiet südwestlich und südlich von Great Abaco zu erkunden, nur hatten sie das Pech, mit dem kleinen Dreimaster zwischen North und Middle Andros auf eine Sandbank zu brummen, was den Alten aber nicht weiter erschütterte. Im Gegenteil, er meinte, da spare man den Anker für die Nacht und auf Sand ließe sich gut ruhen. Das waren so seine Sprüche. Großzügig übernahm er die erste Nachtwache, nachdem er sich ausgiebig mit Rum gestärkt hatte. Als ihm vor Mitternacht die Indianer ein Messer an die Kehle hielten – er war nämlich eingepennt -, hielt er sie für «Inselgeister», obwohl der «Flaschengeist» die Schuld hatte…
Die Spanier, die vor den Seewölfen die Flucht ergriffen hatten, schienen vom Regen in die Traufe geraten zu sein. Als sie mit ihrer Galeone vor dem fremden Land ankerten, tauchte ein primitives Boot an der Biegung der Bucht auf. Die Gestalten, die darin hockten und plumpe Paddel ins Wasser tauchten, waren dunkelhäutig, fast schwarz. Ihr Äußeres war nicht dazu angetan, bei den Spaniern Begeisterung hervorzurufen. Bunt bemalt waren die nahezu nackten Körper, der Mann, der ganz vorn in dem Boot saß, hatte sich eine mit grellen Farben beschmierte und eine dämonische Maske über den Kopf gestülpt…
Deutlich sah Blackface, der Schwarze Pirat, den großen schlanken Mann auf dem Achterdeck der vorbeisegelnden Galeone, die «Isabella VIII.» hieß, aber der Name sagte ihm nichts. Und verärgert bemerkte er, daß dieser Mann die Ruhe selbst war. Zum ersten Male stiegen ihm leise Zweifel auf, ob er sich bei diesem Gefecht nicht mit dem Falschen angelegt hatte. Denn auch die Kerle auf der schlanken Galeone zeigten nicht die geringste Nervosität. Die brüllten auch nicht durcheinander, wie das bei seinem eigenen Sauhaufen meist der Fall war. Auffallend war auch der Klotz von Mann mit dem Narbengesicht, der sich jetzt hinter die achtere Drehbasse klemmte…
Hasard drückte die Ruderpinne herum. Wieder ging der Einmaster, mit dem sie aus Gallway geflohen waren, auf den anderen Bug und lief mit rascher Fahrt nach Süden ab. Diese Schaluppe war wirklich schnell und wendig, aber die Karacke, die sie verfolgte, konnte mithalten, ja, sie holte auf. Der Abstand zu Hasards Schaluppe schrumpfte zusehends zusammen. Dann krachte an Bord der Karacke eine Drehbrasse. Die Kugel schlug hinter dem Heck der Schaluppe ins Wasser, die hochschäumende Fontäne näßte die achteren Duchten. Hasard überlegte mit verkniffender Miene- sie hatten nur fünf Musketen und nicht allzuviel Munition. Gegen eine Karacke hatten sie mit diesen Waffen nicht die geringsten Chancen. Es war von vornherein ein hoffnungsloses Spiel…
Der Lärm der Marodeure und Galgenvögel war allgegenwärtig und pflanzte sich immer weiter stadteinwärts fort. Nachdem sich die Kerle in den Kneipen und Spelunken des Hafens Mut angetrunken und alles kurz und klein geschlagen hatten, waren die entfesselten Horden aufgebrochen, um die Bürgerhäuser auszuplündern. Die Bedrohung, die jetzt heranwalzte, übertraf alle bisherigen Schrecken. Havanna würde in dieser Märznacht in Flammen aufgehen. Das Verderben schien unabwendbar zu sein. Auch die Ratten verließen ihre Löcher – nämlich der Mob, für den die Piratenhorde die Vorarbeit geleistet hatte. Zum Kämpfen war der Mob zu feige gewesen, nicht aber fürs Plündern…
Cabral war der Decksälteste der «Trinidad». Er hatte den Plan ausgeheckt und mit vier Kumpanen von der Handelsgaleone um Mitternacht heimlich abgemustert. Den Ankerposten hatten die fünf Kerle allerdings umbringen müssen, um ihr Ziel an Land zu erreichen – die Schatzhöhlen hinter dem Wasserfall. Dort griff Cabral als erster in eine der Kisten. Und mit einem irren Schrei langte er hinein und wühlte in den Goldmünzen. Im Schein einer Fackel wirkte er wie ein gewaltiger Bär, der mit seinen Tatzen einen Bienenstock ausplündert. Ein ganzer Regen von Dukaten, Dublonen, Piastern und Reales wirbelte hoch und fiel klirrend in die Kiste zurück…
Vierzig Kriegsschiffe hatten die Spanier aufgeboten, um die Meerenge abzuriegeln und zu verhindern, daß die «Isabella» zum Atlantik durchbrach. Aber die Seewölfe nutzen die Nacht und den Sturm. Und sie waren so unverschämt, das Flaggschiff der Dons zu entern. Wieder zog Philip Hasard Killigrew eine Trumpfkarte aus dem Ärmel – und die stach…
Die Arwenacks zogen alle Register und ließen ihren wilden Kampfruf dröhnen, der im nächsten Augenblick im urgewaltigen Krachen der 25pfünder und 17pfünder unterging. Aus den Marsen feuerten Batuti und Big Old Shane mit ihren englischen Langbogen die ersten Brandpfeile ab. Ferris Tucker fieberte auf den Moment, die «Caribian Queen» in Reichweite zu haben, um ihr den ersten höllischen Gruß hinüberzuschicken. Während die «Isabella» unter dem Rückstoß nach Steuerbord krängte und der dichte Pulverrauch aufstieg, folgte ein Geräusch, das den Arwenacks wie Musik in den Ohren klang: Krachen, Bersten und das Splittern von Holz…
Die «Isabella», die «Chubasco» und der Viermaster des Wikingers segelten nicht wie bisher in Kiellinie, sondern hatten Dwarsformation eingenommen. Am südlichen Flügel lief die «Chubasco», in der Mitte «Eiliger Drache über den Wassern» und am nördlichen Flügel die «Isabella». Bei dieser Formation wurde Sichtweitenabstand von Schiff zu Schiff gehalten, um in möglichst großer Breite die See abzuharken. Es war eine wenn auch geringe Chance, wieder auf den Geleitzug zu stoßen. Wären jetzt die anderen Schiffe des Bundes der Korsaren bei ihnen gewesen, dann hätten sie die Harke erheblich verbreitern können. Aber es mußte auch so gehen. Stunde um Stunde verstrich – bis die «Chubasco» am Nachmittag an der südlichen Kimm Mastspitzen entdeckte. . .