Seewölfe Paket 28. Roy Palmer

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Название Seewölfe Paket 28
Автор произведения Roy Palmer
Жанр Языкознание
Серия Seewölfe - Piraten der Weltmeere
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783954399963



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      Schweigen.

      Hasard schob den Kopf vor. „Wie war das?“

      Smoky wiederholte seine sinnige Begründung und fügte hinzu: „Old Donegal hat zu mir gesagt, dann erginge es mir genauso wie Simson aus der Bibel, dem die Hure Delila heimlich die Haare abgeschnitten habe. Und das dürfe ich Gunnhild nicht zumuten.“

      Hasard wußte nicht, ob er schreien, heulen oder lachen sollte. Langsam drehte er sich zu Old Donegal um, kopfschüttelnd, und sagte: „Du hast wirklich nicht mehr alle Tassen im Schrank, Mister O’Flynn!“

      „So steht es in der Bibel“, sagte Old Donegal verbissen. „Im Buch der Richter, Kapitel sechzehn!“

      „Ja“, bestätigte Smoky. „Er hat es mir vorgelesen.“

      „Du meine Güte“, murmelte Hasard erschüttert. „Er hat es dir vorgelesen. Ist dir auch bekannt, daß Simson seine Kraft zurückerhielt, als ihm die Haare wieder nachgewachsen waren?“

      „Aber vorher wurde er von den Philistern geblendet!“ zeterte Old Donegal.

      Bei Hasard platzte der Kragen.

      „Das gilt doch für Smoky nicht, du Idiot!“ brüllte er.

      Old Donegal zuckte zusammen und zog den Kopf ein. Bei Smoky war es nicht anders. Carberry trat vorsichtigerweise einen Schritt zurück, um seinem Kapitän nicht im Wege zu stehen, wenn der den alten Zausel in die Mangel nehmen sollte. Die Zwillinge grinsten sich was, versteckt natürlich, aber dennoch begeistert, ihren „Dad“ mal derart in Fahrt zu sehen.

      „Smoky ist kein Simson, verdammt noch mal!“ brüllte Hasard. „Und Gunnhild keine Hure Delila, du dreimal verdrehter Narrenhäusler!“

      Old Donegal schrumpfte zusammen. Am liebsten hätte er sich die. Decke über den Kopf gezogen.

      Hasard holte tief Luft – und sagte völlig ruhig, ohne sich umzudrehen: „Ed, hattest du damals deine Manneskraft verloren – in Wiborg, als dir Luke die Haare abschnitt?“

      „Nicht die Bohne, Sir“, erwiderte Carberry fast entrüstet. „Ich hätte Bäume ausreißen können – und bei den Weiberchen hätte ich bestimmt nicht Händchen gehalten.“ Und etwas tückisch fügte er hinzu: „Ich hab’ mal gehört, daß glatzköpfige Kerle ganz besonders gute Liebhaber seien!“

      Der gute, ehrliche, alte Carberry, der entwirrte diese verdwarste Situation! Der schaffte es auch noch, daß sich Smoky freiwillig ein Bein absägen ließ.

      Denn: Smoky hatte die Ohren aufgestellt, und in seinen Augen funkelten Blitze.

      „Mister Carberry“, sagte er etwas theatralisch, aber seiner Meinung nach war das jetzt der angemessene Ton, „schreite zur Tat und entferne die Haare von meinem Kopfe!“

      „Dann hat Donegal hier deine Haare rumliegen“, sagte der Profos sachlich. „Ich schlage vor, daß ich auf der Kuhl zur Tat schreite und deine Haare vom Kopfe entferne. Ist das recht, Mister Smoky?“

      „So sei es!“ tönte Smoky, reckte die Brust heraus und schritt aus Old Donegals Kammer. Er schritt! Als sei er laut Carberry Lord Smoky of Smokyschnarch, ein Mann mit Würde, viel Besitz und mindestens hundert Dienstboten, die ihm die Nase putzten oder das Bett anwärmten, so sie noch jungfräulich waren.

      Old Donegal saß jetzt aufrecht in der Koje und hatte stiere Augen. Der Mund stand ihm auch offen. Ziemlich vernagelt sah er aus.

      „Mach’s Maul zu“, empfahl Carberry, „studiere die Bibel oder schnarch einen weg, du – du Simson!“

      Sie marschierten alle hinter Smoky her, und Old Donegal blieb sehr allein, vor allem, als Carberry das Schott zudonnerte. Es hörte sich an, als sei ein Pulverfaß explodiert. Die ganze Kammer wackelte, und aus den Ritzen der Kojenseitenwand purzelten ein paar Kakerlaken. Da war Old Donegal nicht mehr allein, aber als Gesellschafter waren die so unpassend wie ein Clown bei einer Trauerfeier, und darum fegte sie Old Donegal fluchend von der Koje, was sie zur Flucht in den nächsten Unterschlupf nutzten.

      Carberrys Empfehlung, die Bibel zu studieren oder einen wegzuschnarchen, taugte auch nicht viel – von Müdigkeit keine Spur! –, außerdem war Old Donegal viel zu scharf darauf, den Akt der Smokyschur auf der Kuhl mitzuerleben.

      Also stieg er aus der Koje und ging auf Kurs Achterdeck. Es war kein kluger Entschluß, aber doch sehr menschlich.

      Die Bühne war gerichtet, die Kuhl Zentrum des Schauspiels. Akteure und Zuschauer waren versammelt. Einer hütete sich, Zeuge des Schauspiels zu sein: Gary Andrews. Sein Blickfeld lag auf einer anderen Ebene, die an Steuerbord von der Kimm begrenzt wurde, an Backbord von der Dünenlandschaft und den ihr vorgelagerten Inseln, dem Watt und den Prielen.

      Nein, ein Gary Andrews ließ sich nicht ablenken wie ein Paddy Rogers. Er wußte auch nur zu gut, daß er zur Zeit das einzige Auge der „Santa Barbara“ war, von dem die Sicherheit des Schiffes und seiner Besatzung abhing.

      Die See an Steuerbord war frei. Kein Segler zog an der Kimm seine Bahn – zur Straße von Hormus oder entgegengesetzt hinauf zum Schatt el Arab. Nichts, nur die in der Sonne flimmernde weite Fläche der See.

      Auch über den Dünen an Land lag flimmernder Glast. Über dem Watt kreisten Möwen und andere Seevögel. Im Watt entdeckte Gary Stelzvögel, unter ihnen Ibisse. Die Inseln und Inselchen waren unbewohnt. Menschen waren jedenfalls nicht zu sehen. Wovon sollten die dort auch leben! Gary bezweifelte, daß es in dem wüstenartigen Land oder auf den Inseln Süßwasserquellen gab.

      Gary Andrews ließ sich von der Ruhe ringsum nicht einlullen. Unablässig wanderten seine Augen über den Horizont ringsum, ab und an spähte er durch den Kieker. Einmal stoben hinter den Inseln die Seevögel hoch und kreischten, aber was sie erregte, lag nicht im Sichtbereich von Gary Andrews. Sie beruhigten sich auch wieder.

      Indessen saß Smoky in der Mitte der Kuhl auf einer Kiste, entschlossen und bereit, seine Wettschuld einzulösen. Der fürsorgliche Mac Pellew hatte um Smokys Hals ein Handtuch drapiert und dazu erklärt, das sei wegen der abgeschnippelten Haare gut, die ja ziemlich lästig seien, wenn sie einem in den Kragen rutschten.

      Das Thema wegen des „Bürzels“ war auch beendet. Carberry hatte Smoky fairerweise diese Möglichkeit unterbreitet, aber der hatte sehr energisch erklärt, davon hielte er gar nichts. Wennschon – dennschon.

      Die Mannen hockten auf den Schanzkleidern beiderseits, auf den Niedergängen oder standen gar in den Wanten, um die Sache von oben besser betrachten zu können.

      Carberry hatte auf einer anderen Kiste sein „Besteck“ aufgebaut, das heißt, er hatte es sich vom Kutscher ausleihen müssen: eine Schere, zwei Rasiermesser – die er selbst bei Kopfverletzungen benutzte, wenn Haare entfernt werden mußten –, einen Napf mit Schmierseife und einen Krug mit Süßwasser. Neben der Kiste standen zwei Pützen Salzwasser.

      Das war alles, wie gesagt, bereits gerichtet, als Old Donegal die Bühne betrat. Hasards Wut war noch lange nicht verraucht – in diesem Falle nicht. Normalerweise war er auch nicht nachtragend, aber kaum sichtete er Old Donegal, da stieg ihm schon wieder die Galle hoch.

      „Es erscheint Mister O’Flynn!“ verkündete er. „Ein Mister O’Flynn, der vor kurzem noch zu müde war, sich an der Suche nach unserem verschwundenen Decksältesten zu beteiligen! Brauchte er ja auch nicht, weil er besagten Decksältesten in seiner Kammer im Kleiderschapp versteckt hatte. Aber die Kameraden ließ er suchen. Vermutlich kicherte er bei dem Gedanken, daß sie sich dumm und dusselig suchen würden. Daß sich die Kameraden sorgen könnten, dieser Gedanke paßte nicht in seinen Holzkopf!“

      Gemurmel klang auf. Der Tonlage nach war Entrüstung herauszuhören. Jedenfalls hielt kein Arwenack Old Donegals Streich für witzig oder besonders originell.

      Old Donegal stand steif und stumm.

      „Es kommt aber noch besser, Freunde!“ rief Hasard. „Dieser Mister O’Flynn hatte die krause Idee, dem Decksältesten eine Bibelgeschichte einzureden – jene Geschichte aus dem Buch der Richter,