Ernst Kuzorra. Thomas Bertram

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Название Ernst Kuzorra
Автор произведения Thomas Bertram
Жанр Сделай Сам
Серия
Издательство Сделай Сам
Год выпуска 0
isbn 9783730705728



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im Finale nach starkem Auftakt den Faden verlieren, sieht es zunächst nicht so aus, als würde Daumendrücken helfen. Als ob wir Blei an den Füßen gehabt hätten, so haben wir gespielt. Weder beim Fritz [Szepan] noch bei mir oder den anderen lief es, der Kreisel rollte nicht. Während die Nürnberger vor allem durch ihren 25-jährigen halbrechten Angreifer Max Eiberger, der erst vor einem Jahr vom TSV Schwaben Augsburg zum Club gestoßen ist, immer wieder für Gefahr im Schalker Strafraum sorgen. Die erste Halbzeit ist ein einziges großes Zittern - auf dem Rasen, auf den Rängen und bei allen Schalkern, die irgendwo an den Rundfunkgeräten hängen. Meist nicht allein, denn noch steht in den wenigsten deutschen Privathaushalten einer jener „Volksempfänger“, die im August 1933 auf der Berliner Funkausstellung erstmals vorgestellt worden sind. Die erste Halbzeit endet torlos. Nach dem Wiederanpfiff brauchen die Nürnberger genau neun Minuten, um durch ihren Mittelstürmer Georg Friedel 1:0 in Führung zu gehen. „Nürnberg hat sich freigemacht, wiedergefunden, zieht eine wunderschöne Kombination auf, die von einem Stürmer zum anderen läuft und die Schalker Hintermannschaft in Verwirrung bringt“, heißt es später im Fachblatt Fußball. Nun entfaltet sich „unter Gewitterwolkenkulissen ein Kampf mit grandioser Steigerung in den letzten Minuten“ (Endspielfieber), während es aus der Nürnberger Kurve tönt: „He-ha-ho, Schalke ist k.o.!“ Die Nürnberger ziehen sich jetzt zurück. Kuzorra winkt Szepan aus der Vorstopperposition nach vorne, Mittelstürmer Nattkämper geht zurück. Die Schalker Angriffe werden immer drängender, die Nürnberger schlagen den Ball einfach nur noch weg, egal wohin. „Jetzt wird es unerhört aufregend. Von Minute zu Minute wird es aufgepeitschter. Gleicht Schalke aus? Nürnberg ist ja gänzlich aus dem Leim“, wundert sich der Fußball. Während die Nürnberger weiter versuchen, die knappe Führung über die Zeit zu schaukeln, gelingt den Schalkern das schier Unmögliche. Von Trainer Hans „Bumbas“ Schmidt von der Seitenlinie angefeuert und auf dem Platz angetrieben von Kuzorra, entfachen die Schalker einen wahren Angriffswirbel. In der 78. Minute setzt „Ala“ Urban mit einem Lattenkracher das erste Ausrufezeichen in dem wütenden Schalker Sturmlauf. Dennoch: Als die Nürnberger noch drei Minuten vor Schluß mit 1:0 führten, da hätte keiner eine Mark auf unseren Sieg gewettet, ich auch nicht. Zwei Minuten vor dem Abpfiff ist es dann Szepan, der nach einer von Kuzorra erzwungenen Ecke, die Linksaußen Rothardt mit Effet in den Strafraum befördert, höher steigt als sein Bewacher Popp und das Leder mit dem Kopf an dem herausragenden Köhl im Tor der „Clubberer“ vorbei im rechten Eck versenkt. „Ein Kreischen, Jubeln und Brüllen - unbeschreiblich, Schalke hat ausgeglichen!!!“, berichtet der Fußball. Eine Verlängerung scheint unausweichlich. Aber auf ein solches Vabanque-Spiel wollen sich die Schalker nicht einlassen. Wir schnürten die Nürnberger ein, wir wollten den Sieg. Noch einmal will sich Kuzorra den Titel nicht vor der Nase wegschnappen lassen. Bis zum Umfallen haben wir gekämpft. Und als Valentin 60 Sekunden vor Schluss an den Ball kommt, auf Kalwitzki passt, der von rechts quer zu dem sich frei laufenden Kuzorra flankt, passiert, was heute fester Bestandteil der königsblauen Folklore ist:

      Ich war eigentlich schon vollkommen platt. Ich war platt, geschaffi, aber Fritz [Szepan] hatte eben den Ausgleich geschossen. Und die schreien alle: Schalke! Schalke Schalke! Da warren et noch 120, 180 Sekunden zu spielen, der Ala [Urban] hatte auch noch einen vor die Latte gewemst. Der Schiri guckte schon so, als würde er gleich abpfeifen. Und dann kricht der Kalli [Kalwitzki] die Pille. Der überrennt den Abwehrspieler von die Nürnberger, watt weiß ich, wie der hieß ... ja, und dann flankt er zu mir. Ich krich den Ball außen Schlappen, stopp’ den Ball, lass’ zwei Mann ins Leere laufen ... Ja, und dann ... als ich nich’ wusste, wohin mit dem Ball... da hab’ ich ihn einfach reingewichst!

      Im Spielbericht der Gelsenkirchener Allgemeinen Zeitung vom 25. Juni 1934 liest sich das so:

      „Kalwitzki rechtfertigt nun seinen guten Ruf: mit der besten Leistung des Tages legt er das Leder Ernst Kuzorra vor, der allein weiterdribbelt und schließlich nur noch dem Hüter gegenübersteht. Mit einem Bombenschuß schließt er die Aktion ab, und placiert landet der Treffer, der den Schalkern die Deutsche Fußballmeisterschaft bringt.“

      Der Legende nach, die Kuzorra selbst zeitlebens mit zahlreichen Varianten vom Geschehen in der Schlussminute im Berliner Poststadion nach Kräften befeuerte, brach der seit Monaten unter einem „Leistenbruch“ leidende Torschütze Sekunden nach dem Torschuss ohnmächtig zusammen. Daß der Ball zum Siegtor im Netz landete, habe ich erst später von meinen Kameraden gehört. Diese Version verbreitete unmittelbar nach dem Finale bereits die Gelsenkir- chener Allgemeine Zeitung in ihrem Spielbericht, und sie ist seitdem in der Literatur immer wieder aufs Neue kolportiert worden. Wahrer ist sie dadurch jedoch nicht geworden. Denn schaut man sich den „Videobeweis“ an, jene 13 flimmerigen Filmsekunden vom dramatischen Schlussmoment des Endspiels, so sieht man, dass Kuzorra zum einen nach dem Zuspiel von Kalwitzki keine Sekunde zögert oder überlegt, was er mit dem Ball anfangen soll, und zum anderen nach seinem Siegtreffer trotz des angeblichen Leistenbruchs jubelnd Luftsprünge vollführt.3 Seiner Behauptung, er habe nicht gewusst, „wohin mit dem Ball“, und ihn deshalb „einfach reingewichst“, hat der Torschütze später übrigens selbst widersprochen: Wir hatten uns schon auf eine Verlängerung eingerichtet, da bekam ich von Kalli Kalwitzki den Ball. Ich verschaffie mir mit ein paar schnellen Schritten freie Schußbahn - und dann habe ich nur gedacht: Hau drauf! Es ist auch kaum vorstellbar, dass ein „Knipser“ wie Kuzorra im Moment der Torchance groß überlegt haben sollte: „Wohin mit dem Ball?“ Bei dem „Leistenbruch“ handelte es sich womöglich „nur“ um eine Leistenverletzung, die der 28-Jährige sich in den Spielen der Endrunde zugezogen hatte, die aber offenbar eine Operation erforderte.

      Kuzorra selbst sprach später ebenfalls von einem „Leistenbruch“, der ihn die Teilnahme an der Weltmeisterschaft 1934 gekostet habe. Während des ItalienKursus in Duisburg-Wedau stellte Dr. Gebhardt nach gründlicher Untersuchung einen Leistenbruch fest. Daß da an eine Teilnahme an den Weltmeisterschaften nicht mehr zu denken war, bedurfte keiner weiteren Frage. Reichstrainer Dr. Otto Nerz riet ihm jedenfalls zu einer Operation, die der Schalker Stürmer dann aber aufschob. Wenn ich das gemacht hätte, wäre ich für die Spiele um die Deutsche ausgefallen. Und Schalke war mir wichtiger als die Weltmeisterschaft. Eine besondere Kompresse werde ich mir anlegen lassen, es wird auf die Zähne gebissen und dann muß es klappen - und es wird auch! Erst nach dem Gewinn der ersten Deutschen Meisterschaft ließ er sich in der Sportheilstätte Hohenlychen im Sauerland von dem Spezialisten Dr. Gebhardt operieren.

       Mit letzter Kraft ...

      Dass der Torschütze Ernst Kuzorra im Moment des Siegtreffers in der Schlussminute des Finales von Berlin erschöpft zusammengebrochen sei, gehört zu den unausrottbaren Legenden, die sich um den Aufstieg des FC Schalke 04 in den 1930er-Jahren ranken.

      Am Anfang der Legendenbildung steht der Spielbericht der Gelsenkirchener Allgemeinen Zeitung vom 26. Juni 1934, in dem es hieß, „[...] daß unmittelbar nach dem siegreichen Treffer Kuzorras zwei Spieler zusammensanken: Ernst Kuzorra, der Torschütze selbst, und sein Namensvetter Kalwitzki, der ihm die Flanke hereingab. [...] Es bemühen sich Leute so nebenher um diese Spieler, aber es dauert eine Weile, bis sie wieder zu sich gekommen sind“ („Deutscher Meister durch 10 Minuten“, Gelsenkirchener Allgemeine Zeitung, 26.6.1934). Noch heißt es aber lediglich, dass die Spieler „zusammensanken“, weil sie nach der körperlichen und nervlichen Anspannung des dramatischen Finales mit ihren Kräften am Ende waren.

      Der Sportjournalist Theodor Krein spann in seinem erstmals 1948 unter dem Titel Die blau-weißen Fußballknappen erschienenen Buch Die Königsblauen das Garn dann weiter: „[...] da ist Kuzorra am Ball, ein Nürnberger rennt ihm entgegen, der Schalker kommt vorbei, schießt und bricht zusammen. Im Fallen sieht er, wie das Leder den Weg ins Tor nimmt. In letzter Minute ist der Siegtreffer gefallen!“ (S. 86) Unter einem Foto, das den nach dem Schlusspfiff tatsächlich am Boden liegenden Kuzorra zeigt, heißt es: „Und hier sehen wir ihn in restloser Erschöpfung zusammengebrochen auf der Kampfstätte liegen.“ Aber schließlich hatte Kuzorra vor dem Spiel versprochen: Ich werde kämpfen, bis ich umfalle.

      Hans Holz geht in seinem Kuzorra-Erinnerungsbuch Der blau-weiße Kreisel noch einen Schritt weiter: „Unmittelbar