Der ultimative Jimi Hendrix Guide. Gary J. Jucha

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Название Der ultimative Jimi Hendrix Guide
Автор произведения Gary J. Jucha
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854456193



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beiden hatten sich am Tag von Hendrix’ Ankunft in London getroffen. Eigentlich war es am Abend gewesen, denn das damals 21-jährige Partygirl schlief noch und erholte sich von den Strapazen der vorhergehenden Nacht. Ronnie Money, die Frau des Bandleaders Zoot Money, stürmte die Treppe zu Etchinghams Wohnung hoch und drängte sie, nach unten zu kommen, um den „wilden Mann aus Borneo“ zu sehen, der gerade mit ihrem Mann jamme. Zu müde, um sich aufzuraffen – nur um einen Musiker zu sehen, auch wenn er aus den USA stammte –, versprach Etchingham später nachzukommen und die Clique im Scotch of St. James zu treffen. Was konnte schon so besonders an dem Musiker sein, auch wenn er aus den Staaten kam?

      Das St. James war Londons heißester Treffpunkt für Musiker und die junge Aristokratie. Die Klientel bestand meist aus egomanischen, mit sich selbst beschäftigten jüngeren Leuten, die sich dort die Klinke in die Hand gaben. Etchingham zeigte sich verwundert, als sie den Club mit den Moneys und ihrer Freundin Angie (die kurz darauf Eric Burdon heiratete) betrat, denn es war verhältnismäßig still. Alle Besucher lauschten einem schwarzen Gitarristen, der seine E-Gitarre ohne Begleitung spielte, bis ihn Chandler unterbrach. Er sorgte sich, weil Hendrix nur über ein siebentägiges Visa verfügte und ohne eine Arbeitserlaubnis in einem Club auftrat. Dass seine Entdeckung aufgrund eines Gesetzesverstoßes wieder in die Staaten ausgewiesen wurde, war das Letzte, was Chandler in dem Moment brauchte. Durch diese Art der Vorsichtsmaßnahmen schweißte Chandler den Gitarristen und Etchingham unbeabsichtigt noch enger zusammen.

      Etchingham und Hendrix flirteten gerade, als sie eine lautstarke Auseinandersetzung dabei störte. Zwischen dem Model Linda Keith und Mrs. Money war ein handfester Streit ausgebrochen, wobei Letztere – sie stammte aus der damaligen Arbeiterstadt Glasgow – wusste, wie man mit einer zerbrochenen Whiskey-Flasche umgeht, die sie Keith an die Kehle presste. Auf Chandlers Drängen hin bugsierte Etchingham Hendrix sicher zum Hyde Park Towers Hotel, wo Jimi bei einigen Drinks seine Verbindung mit Linda Keith erklärte, während sie auf den Rest der Gruppe warteten. Die zwei fanden schnell heraus, dass sie beide eine schwierige Kindheit hinter sich hatten, und verstanden, aus was für Verhältnissen der jeweils andere kam und auch, wohin er wollte. Schon an dem Abend zog Etchingham bei Hendrix, Chandler und dessen Freundin Lotte ein. Die beiden Paare teilten sich im Laufe der nächsten 22 Monate drei Wohnungen.

      Das Quartett bildete die Basis von Hendrix’ Londoner Kreis, der ihn berühmt machen sollte. Etchingham und Lotte besuchten zur Beurteilung des Erscheinungsbilds der Bewerber das Vorspiel bei der Experience. Seine Freundin war bei den „Hey Joe“-Sessions anwesend und drehte auf Anraten Chandlers eine Runde durch die Musikgeschäfte, um die Single zu kaufen und somit den Charts-Erfolg zu garantieren. Zwischen den Hallyday- und Walker-Brothers-Tourneen reiste sie mit der Experience zu den Gigs im Norden Englands. Es war nicht die Tatsache, dass sie Hendrix mit einer anderen Frau auf der Damentoilette in Manchester erwischte, sondern die Langeweile des Lebens „on the road“, die sie schließlich dazu brauchte, in London zu verweilen.

      Vor Hendrix’ rapide ansteigendem Bekanntheitsgrad liebten die beiden das gemeinsame Shoppen, den Besuch von Freunden, ja sogar das Schlittschuhlaufen, in dem Hendrix in kurzer Zeit sehr gut wurde. Der Musiker konnte fast alles essen, vertrug aber Etchinghams Küche nicht, was nicht nur zu häufigem Streit, sondern auch zur Komposition von „The Wind Cries Mary“ führte, Hendrix’ dritter Single, die heute meist unbeachtet bleibt. Nach einem Konflikt, dem Zerschmettern von Geschirr und einer bei Freunden verbrachten Nacht kehrte sie zurück und fand Hendrix vor, der zwischenzeitlich einen Song geschrieben hatte, der im Titel ihren zweiten Vornamen führte. Das konnte sie jedoch nicht beschwichtigen. Etchingham war – wie Michael Jefferys persönliche Assistentin Trixie Sullivan bemerkte – „die Einzige, die sich ihm gegenüber jemals behaupten konnte“.

      „The Wind Cries Mary“ war nicht das einige von Etchingham inspirierte Stück. Die Zeile in „1983 … (A Merman I Should Turn To Be)“, in welcher der Protagonist „love, Catherina“ singt, bezieht sich auch auf die Londoner Freundin, die neben ihm im Bett lag, als er den Text schrieb. Erneut zeigte sie sich nicht geschmeichelt. Auch schien sie die aufgenommene Fassung des Tracks nicht zu mögen, der das zentrale Stück von Electric Ladyland bildet und möglicherweise als die intensivste Umsetzung der sich eigentlich widersprechenden Stile des Musikers gelten kann. Laut Etchinghams Buch Through Gypsy Eyes hat der Song „einen befremdlich wirren, summenden Klang, den man bei einem Trip hört“.

      Chandler entschied sich Ende September 1968, seinen Management-Anteil an Hendrix und Jeffery zu verkaufen, was dazu führte, dass sich Etchingham eine Wohnung über Mr. Love, einem Restaurant, suchte. Der verbitterte Animals-Bassist hatte Etchinghams und Hendrix’ Habseligkeiten – der Gitarrist befand sich zu der Zeit in den USA – in ein heruntergekommenes Hotel bringen lassen, eine Art Retourkutsche wegen Hendrix’ angeblich fehlender Dankbarkeit. Aus dem Grund bezog Hendrix das Haus neben dem ehemaligen Wohnsitz von George Friedrich Händel, einem weiteren ausländischen Musiker, der in London mehr als ein Vierteljahrhundert von 1723 bis 1759 lebte.

      Etchingham überquerte Mitte März 1969 den Atlantik Richtung USA, um ihren Freund zu besuchen, und bemerkte dort vielleicht das erste Anzeichen, dass Hendrix’ New Yorker Freundeskreis einen Keil zwischen ihre Beziehung trieb. Sie stieg im Pierre Hotel in der Fifth Avenue ab, nicht weit vom Central Park Zoo entfernt. Dem Gefühl, einen Zoo zu besuchen, muss es auch geglichen haben, als sie erlebte, wie Hendrix und eine Entourage aus Zuhältern auftauchte, sowie Groupies, die ihren „Lover Man“ nach allen Regeln der Kunst ausnahmen und von ihm schnorrten.

      Sich die Situation vergegenwärtigend, erkannte Etchingham, dass sie zwar aus ähnlich dysfunktionalen Familien stammten, aber unterschiedliche Lektionen gelernt hatten. Hendrix empfand alles als eine Art Übergang: die goldene Uhr, die ihm Bill Graham geschenkt hatte, das vergoldete Dunhill-Feuerzeug, die teuren Gitarren, die durch seine Hände gingen. Der Musiker hatte erfahren, dass nichts von Bestand ist, wohingegen sich Etchingham als Überlebende sah und demzufolge eine bestimmte Demut empfand.

      Als dann ein wie Columbo aussehender Drogendealer ihr Hotelzimmer betrat – eine Tasche voller Stoff dabei und eine Knarre in der Hand –, war das Maß für Etchingham endgültig voll. Unverzüglich checkte sie aus und kehrte nach London zurück, obwohl das mehrere Tage dauerte und von einigen haarsträubenden Ereignissen begleitet wurde, die in ihrer angenehm zu lesenden Autobiografie Through Gypsy Eyes erzählt werden. (Das empfehlenswerte Taschenbuch – falls man sich eine preisgünstige Secondhand-Ausgabe anschaffen kann – enthält direkte und unverblümte Beobachtungen des Swinging London und seiner Protagonisten. Zum Beispiel enthüllt sie, dass John Lennon „zu dominant auftrat, um liebenswert zu wirken“. Wie sich herausstellt, hatte auch sie ihren Lieblings-Beatle, in dem Fall Paul.)

      Zurück in London, verliebte sich Etchingham und heiratete einen Mann namens Ray, ohne Hendrix zu informieren, der sich immer noch in den Staaten aufhielt. Rays Nachname taucht nicht auf, aber es war nicht Eric Claptons Chauffeur, wie frühe Hendrix-Biografen behaupteten. Tatsächlich verging beinahe ein Jahr nach ihrer Rückkehr, bis man Hendrix von der Heirat in Kenntnis setzte. Nach einem unverzüglichen Telefonanruf flog der dann auf dem schnellsten Weg nach London, denn er glaubte, die beiden seien immer noch ein Paar, was Etchingham schockte. Sie buchte ihm ein Zimmer im Londonderry Hotel, denn die Wohnung, an deren Fassade einmal eine blaue Gedenktafel mit seinem Namen hängen sollte, war nicht mehr das gemeinsame Refugium.

      Sich wieder aufrappelnd, nahm Hendrix an verschiedenen Aufnahme-Sessions teil, unter anderem mit Stephen Stills und Arthur Lee von Love. Zudem besprach er die Möglichkeit einer gemeinsamen Tournee mit Emerson, Lake and Palmer, bevor er am 19. März 1970 wieder nach New York City jettete.

      Während seiner letzten Wochen in London trafen sich Etchingham und Hendrix mehrere Male. Hendrix bat sie, ihn in seinem Hotelzimmer anzurufen, was sie aber nie machte. Ähnlich dem Beziehungsgeflecht zwischen Jake Barnes und Lady Brett Ashley am Ende von Hemingways Fiesta, wirkt es wie eine angenehme und romantischer Vorstellung, Hendrix wäre nicht gestorben, hätte sie sich nur mit ihm in Kontakt gesetzt. Die Überlebende aber ging ihren Weg, erholte sich von der krisengeplagten Ehe mit Ray und heiratete erneut. Die Beziehung zu Nick Page, einem Mediziner, stellte sich als glücklich heraus. Während sie neben ihrem Job als Immobilienmaklerin zwei Söhne großzog, fand Etchingham auch immer noch Zeit, sich mit Monika Dannemann, der