Der ultimative Jimi Hendrix Guide. Gary J. Jucha

Читать онлайн.
Название Der ultimative Jimi Hendrix Guide
Автор произведения Gary J. Jucha
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854456193



Скачать книгу

Anbringung der Gedenktafel sollte nicht nur einen Tribut an ihren Liebhaber darstellen, sondern auch an ihre anderen Freunde, die viel zu jung verstarben: Brian Jones, Keith Moon, John Lennon und Chas Chandler.

      Devon Wilson

      Man muss nur Hendrix’ Kompositionen analysieren, um den Unterschied seiner Beziehungen mit Etchingham und Devon Wilson zu erkennen, Letztere eine ehemalige Teenager-Prostituierte, die ihren Namen Ida Mae gegen Devon austauschte. Sie setzte ihr sexuelles Talent gewinnbringend ein und wurde damit zum schwarzen Super-Groupie, das einen enormen Einfluss auf Hendrix ausübte.

      Etchingham inspirierte feinfühlige und sanfte Balladen, während Wilson mit den eher härteren Rocksongs assoziiert wird wie „Dolly Dagger“, „Crash Landing“, „Freedom“ und „Stepping Stone“. (Auch „Steppin’ In Her I. Miller Shoes“ von Betty Davis’ gleichnamigem Debüt lässt sich auf die Femme fatale zurückführen.) Man könnte die Ursache für den Unterschied in den sich stark unterscheidenden Lebensstilen von Hendrix in London und New York City suchen, doch wie er in „Highway Chile“ sang: „It goes a little deeper than that.“

      Gleich gut recherchierte und kürzlich erschienene Biografien geben verschiedene Zeitpunkte des ersten Treffens der beiden an. Ich beziehe mich auf den Dezember 1965. Emmaretta Marks, eines der Originalmitglieder der Broadway-Produktion von Hair (1968), machte die beiden miteinander bekannt. (Marks sang später auch die an Merry Clayton erinnernden Backing-Vocals bei „In From The Storm“.)

      Nach dem Triumph auf dem Monterey International Pop Festival, der bis in die heutige Zeit nachhallt, wurden Hendrix und Wilson einander von Buddy Miles (Electric Flag) im Laurel Canyon erneut vorgestellt. Als die Experience die Houston Studios in Los Angeles für die Aufnahme der vierten Single buchte, war Wilson ebenfalls zur Hand und ist auf dem unterbewerteten Song „The Stars That Play With Laughing Sam’s Dice“ zu hören. Der Titel – betrachtet man die Initialen von The Stars That Play With Laughing Sam’s Dice – ist eine Anspielung auf Drogen (STP/LSD) und kann als Hendrix’ „Lucy In The Sky With Diamonds“ gedeutet werden.

      Hendrix fand in dem tatkräftigen Groupie aus Milwaukee eine Seelenverwandte – sie tauschten Geschichten aus, mit welchen Groupies er geschlafen und welche Rockstars sie erobert hatte –, wobei sich Wilson schnell als Hendrix’ persönliche Assistentin und eine Art von Sprachrohr in der Öffentlichkeit etablierte. (Und so unterschätzte Kathy Etchingham die Rivalin in dem Sommer, in dem sie New York City besuchte: Sie sah Wilson lediglich als eine Tee reichende Assistentin …) Wilson servierte jedoch nicht nur Tee, sondern beschaffte Hendrix Drogen und Frauen. Sie entschied, wer die Studio-Sessions besuchen durfte und fand auch das Apartment in der New Yorker Twelfth Street, in das sie auf Hendrix’ Einladung hin einzog.

      Allerdings glich sie den Frauen in den Woody-Allen-Filmen, die davor warnen, dass man sich mit ihnen „Ärger“ einhandelt, und das dann schleunigst auch beweisen. Wilson legte sich mit Gary Kellgreen an, dem Besitzer des Record Plant. Sie stellte Hendrix nicht nur Chuck Wein vor (den Filmemacher hinter dem Rainbow Bridge-Debakel), sondern auch Collette Mimram und Stella Douglas, die Frau des Produzenten Alan Douglas, dem umstrittenen Nachlassverwalter der Hendrix-Bänder, der über 20 Jahre lang die Verantwortung dafür trug. Vor der desaströsen Show im Madison Square Garden 1970 versetzte sie möglicherweise Hendrix’ Drink mit LSD. Verschiedenen Quellen nach verführte sie Hendrix auch zum Heroin-Schnupfen.

      Al Aronwitz von der New York Post sagte: „Wann immer ein Rockstar nach New York kam, war die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, Devon in seinem Hotelzimmer vorzufinden.“ Zu den Rockstars, die mit Wilson geschlafen haben, zählen Arthur Lee, Eric Clapton und Brian Jones. Als sich Mick Jagger Wilson näherte, war das eine Art Rache, weil sich Hendrix an Marianne rangemacht hatte. Allerdings war Jagger erfolgreicher. Aufgrund des Techtelmechtels zwischen Jagger und Wilson sah sich Hendrix gezwungen, seinen 27. (und letzten) Geburtstag bei einem Rolling-Stones-Konzert im Madison Square Garden zu verbringen.

      Noch existierendes Filmmaterial zeigt einen in Schwarz gekleideten Hendrix, der unauffällig in einer Ecke der Stones-Garderobe sitzt, womit er an das Verhalten in den ersten Wochen bei den Londoner Partys erinnert. Keith Richards redet ihm ein wenig zu, Jagger nähert sich zurückhaltend, wohingegen Mick Taylor, der neue Lead-Gitarrist, sich am freundlichsten gibt, auch wenn er von der Präsenz des Gitarren-Genies eventuell überwältigt ist. Die beiden unterhalten sich über ihre Kunst, und man sieht sogar Hendrix, der Taylors Slide-Gitarre verkehrt herum spielt (Taylor ist Rechtshänder). Während des Konzertes kann man Hendrix auf der Bühne hinter Keith Richards’ Verstärkern entdecken.

      Nach der Show besuchte Jagger die von Wilson für Hendrix in Monte Kays Apartment organisierte Überraschungsparty zum 27. Geburtstag. (Monte Kay gehörte zu den Persönlichkeiten der New Yorker Jazz-Szene in den Vierzigern und Fünfzigern, doch zum Zeitpunkt der Feier kannte man ihn als Produzenten von Flip Wilsons TV-Show auf NBC.) Laut einem Interview im Rags-Magazin erzählte Wilson: „Mick tauchte in einem schwarz-weiß karierten ‚Zoot Suite‘ auf und trug einen Rubinring in ‚Mafia-Größe‘ am kleinen Finger.“ Auch andere Musiker der Stones ließen sich blicken. Bei dieser Party leckte Wilson angeblich Blut von Jaggers verletztem Finger. (Das ist der Ausgangspunkt der Zeile „she drinks her blood from a jagged edge“ des Songs „Dolly Dagger“.) Trotz der Gerüchte, dass Hendrix und Jagger kurzfristig verschwanden, um einen Kampf um Wilson auszutragen, scheint das nicht der Wahrheit zu entsprechen. Sharon Lawrence berichtet in ihrem Buch davon, dass Jagger dem befreundeten Rockmusiker Mut zusprach, da Hendrix sich mit einer möglichen Haftstrafe wegen des Besitzes von Heroin in Kanada konfrontiert sah. Allerdings hielt das Jagger nicht davon ab, die Party mit Wilson im Schlepptau zu verlassen. In dem Rags-Interview wird Wilson beschrieben, die in Hendrix’ Apartment in der Twelfth Street auf „Harem-Kissen posiert“ und dabei ein „geschmackvolles Ossie-Clark-Abendkleid trägt“. Das Interview drehte sich hauptsächlich um Mick Jagger. (Es ist durchaus kein Zufall, dass Hendrix den von Wilson handelnden Song „Dolly Dagger“ nannte, da der Titel sich auf Jagger reimt.) Kein Wunder also, dass der Musiker die Zeit während des Interviews in seinem Zimmer verbachte! Das Gespräch endete mit der Aussage Wilsons: „Und was kann ich sonst noch anstellen? Ich weiß es nicht, vielleicht Jimi heiraten … Möchten Sie meine Hochzeitsfotos veröffentlichen?“

      Innerhalb von neun Monaten nach Publikation des Interviews waren sowohl Hendrix als auch Wilson tot. Ich frage mich, ob Rags Fotos von Hendrix’ Beerdigung veröffentlichte, zu der unter anderem Stella und Alan Douglas kamen, nicht zu vergessen Devon Wilson, die versuchte – ähnlich der Mutter in der Szene von Laura Palmers Begräbnis in Twin Peaks –, sich in das offene Grab zu werfen.

      Am 2. Februar 1971 hatte Devon mehr Erfolg, denn sie stürzte aus dem Zimmerfenster des Chelsea Hotels. (Das Chelsea, an Manhattans 23th Street gelegen, ist bekannt für die ein- und ausgehenden Künstler und berüchtigten Todesfälle. Sid Vicious erstach dort am 12. Oktober 1978 Nancy Spungen, ein weiteres Rock-Groupie. Mal ganz nebenbei erwähnt: Sid verstarb am 2. Februar 1979, exakt acht Jahre nach Wilsons Ableben.) Stopp! Ich drücke mich zu flapsig aus! Es gibt hinsichtlich Wilsons Tod wenige belastbare Fakten. Ihr schon 1970 rapide steigender Drogenkonsum (der sich auch in Hendrix’ Texten widerspiegelt), geriet nach seinem Tod völlig außer Kontrolle. Niemand weiß genau, ob sie aus einer der oberen Etagen des Chelsea sprang, versehentlich fiel oder gestoßen wurde. Anhänger von Verschwörungstheorien glauben, dass sie umgebracht wurde, um nichts über Hendrix’ angebliche Ermordung durch Michael Jeffery zu verraten.

      Electric Ladies

      1968 stellten Groupies einen wesentlichen Teil von Hendrix’ Erfahrungsspielraum dar, doch wenn er über die Frauen sprach, meinte er: „Ich bevorzuge den Begriff ‚Electric Ladies‘.“ Als es darum ging, einen Titel für sein drittes Album zu finden, machte er den Ladies der endlos langen Highways ein Kompliment, indem er seinen Kosenamen für Groupies dafür nutzte. Im Verständnis unserer überwiegend konservativen Gesellschaft beinhaltet die Definition eines „Groupie“ durch die Überbetonung der sexuellen Befriedigung unangemessene Konnotationen. Bei den nur Celebrities zugänglichen Beziehungen werden allgemein die emotional positiven Aspekte verkannt. Songs über Groupies deuten positive Beziehungen an (zum Beispiel Steppenwolfs „Hey, Lawdy Mana“) und negative (zum Beispiel Michael Jacksons „Dirty Diana“).