Der ultimative Jimi Hendrix Guide. Gary J. Jucha

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Название Der ultimative Jimi Hendrix Guide
Автор произведения Gary J. Jucha
Жанр Изобразительное искусство, фотография
Серия
Издательство Изобразительное искусство, фотография
Год выпуска 0
isbn 9783854456193



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Gitarre zu spielen, so wie er es wollte, und eines Hauchs autobiografischer Erlebnisse in seinen Texten personalisierte und verwandelte er einen häufig genutzten und originären musikalischen Zweig, den man ursprünglich „Rassenmusik“ nannte, also Musik, die zu Beginn fast ausschließlich von Schwarzen gespielt wurde.

      „Stone Free“

      Als sich Chas Chandler mit „Hey Joe“ zufrieden zeigte („diesem Cowboy-Song“, wie ihn Jimi nannte), drehten sich seine Gedanken um die B-Seite der ersten Single der Jimi Hendrix Experience. Jimi wollte die Komposition eines anderen Musikers umsetzen und schlug Don Covays „Mercy, Mercy“ vor oder Howlin’ Wolfs „Killing Floor“ (den Titel, der Clapton einige Monate vorher „geplättet hatte“) oder sogar „Land Of 1.000 Dances“, eine Nummer, kurz zuvor von Wilson Picket populär gemacht. Die Experience kannte den Hit schon, da sie ihn bei den ersten Jams zum „Antesten“ gespielt hatte, bei denen Hendrix die neuen Mitmusiker auswählte.

      Chandler wollte davon nichts hören. Da er keinen einzigen Cent Tantiemen an den vielen Coverversionen der Animals verdiente, aus denen die Gruppe die ultimativen Versionen herausgekitzelt hatten, wusste er, dass der eigentliche Verdienst für den Musiker (und seinen Manager) sich durch die Aufnahme von Eigenkompositionen ergeben würde. Chandler gab sich hinsichtlich der B-Seite unnachgiebig: Sie musste unbedingt ein Originalsong von Hendrix sein.

      Und so schrieb der Musiker „Stone Free“ im Zimmer des von ihm bewohnten Hyde Park Towers Hotel. Nach Proben in Clubs in der ganzen Stadt und dem Aberbach Publishing House nahm man Jeff Becks Lieblingssong von Hendrix in den De Lane Lea Studios am 2. November 1966 auf und mischte ihn. Nur wenige Overdubs – Percussion, Hendrix’ zweite Stimme und eine zweite Gitarren-Spur – kamen dabei zur Geltung, da die Experience live im Studio spielte.

      Mit seiner ersten Eigenkomposition versinnbildlichte Hendrix sein Leben als Rhythm-and-Blues-Musiker, wobei er von der Freiheit sang, die nur ein tourender Musiker genießen kann. Sein Lebensstil ist sorgenfrei, denn er zieht jeden Tag weiter, die Frauen können ihn nicht an sich binden, und die „normalen“ Menschen zeigen mit dem Finger auf ihn. Die Sprache des Texts drückt aber auch eine bestimmte Härte aus. Das lyrische Ich wird mit einem Hund verglichen und klingt wie ein gehetztes Tier, das kurz davor ist, gefangen zu werden. Der Protagonist prahlt dann aber mit „Stone free, to ride the breeze!“ und davon, weiterzuziehen („Goin’ down the highway“), ähnlich dem „Highway Chile“, von dem er auf der B-Seite seiner dritten Single singt.

      Die im Text angesprochene Freiheit wird auch durch den Sound der Experience artikuliert, und darum stellte die Musik eine Art Offenbarung für den Fan dar, wenn er sich die Rückseite der „Hey Joe“-Single anhörte. Trotz des ungewohnten Umgangs mit dem für ihn neuen Instrument wirkt Reddings Bassspiel auf den frühen Aufnahmen kraftvoll. Er zieht zusammen mit Mitch Mitchells Kuhglocken-Spiel das Tempo an und drückt damit die Vorwärtsbewegung des Protagonisten im Song aus.

      „Can You See Me“

      Obwohl Chandler unter extremen Finanzproblemen litt, ließ er es nicht zu, dass davon die Aufnahmen in Mitleidenschaft gezogen wurden. Das kam den frühen Tontechnikern der Experience zugute. „Can You See Me“ wurde bei der „Stone Free“-Session als Demo eingespielt und dann erneut in den CBS- und Olympic-Studios weiterentwickelt. Amerikaner empfanden das Stück als eine obskure Aufnahme – und aufgrund der Inklusion auf Smash Hits, einer von Reprise im Juli 1969 veröffentlichten Greatest-Hits-Compilation, die zur Überbrückung bis zur Fertigstellung des vierten (und niemals veröffentlichten) Albums dienen sollte, möglicherweise sogar als B-Seite. Allerdings stammt der Track von der UK-Version des Debüts der Band.

      Im Text nimmt Hendrix die Rolle eines Mannes ein, der seine Freundin verlässt und eine Rückkehr ganz klar verneint – das wird niemals geschehen. Hinsichtlich der Struktur folgt der Musiker dem Rhythm-and-Blues-Standard-Muster, bekannt als AAB. (Jimi benutzte es regelmäßig in so grundsätzlich unterschiedlichen Songs wie „Red House“, „Lover Man“ und „In From The Storm“.) Das AAB-Muster besteht aus einer ersten Zeile (A), die durch minimale, jedoch signifikante Modifizierungen verändert (A) und dann durch eine Pointe (B) komplementiert wird.

      Die Pointen zum Beispiel bei „Red House“ sind cleverer gesetzt. Wahrscheinlich spielt Hendrix deswegen hier eine wiederkehrende Note auf der Gitarre – nämlich zur Ausschmückung der Pointe. Dabei wird aus dem Gitarren-Part der wichtigste und erinnerungswürdigste Teil des Stücks. Hendrix wendet sich an das Mädchen, will wissen, ob sie hören könne, dass er wegen der Trennung weine, fragt sie erneut und schließt dann mit folgendem Satz ab: „If you can hear me doing that/you can hear a freight train coming from a thousand miles.“ Bang!

      „Remember“

      Bei „Remember“ gibt es kein „Bang!“ oder einen anderen eindeutigen Beleg, um den Song als eine Nummer der Jimi Hendrix Experience zu identifizieren. Im Vergleich zu allen anderen von Hendrix geschriebenen und aufgenommenen Titeln weicht dieser am stärksten ab. Er klingt wie eine Soul-Nummer von Stax und sticht auf der UK-Version von Are You Experienced nur heraus, weil er zwischen ein Science-Fiction-Spektakulum („3rd Stone From The Sun“) und ein „psychedelisches“ Meisterwerk („Are You Experienced“) eingebettet ist.

      Das Stück ähnelt dem Soul-Rock eines Otis Redding und nicht den Klangexkursionen von Hendrix. Von einer Spottdrossel zu singen, die verstummt ist, seit seine Freundin ihn verlassen hat („since my baby left me“) ist mehr als ungewöhnlich. Es ist einer der wenigen Songs, in denen Hendrix die Frau anfleht, zu ihm zurückzukehren. Bedenkt man zudem die Rotkehlhüttensänger („bluebirds“!) und die Honigbienen („honey bees“) findet sich der Musiker in einer ausgesprochen ländlichen Idylle wieder.

      Zu den erinnerungswürdigsten Auftritten, die das Monterey Pop Festival kennzeichneten, zählt Otis Reddings Performance, der damit den Samstagabend beschloss. Bekannt für seine Coverversion der Rolling Stones („(I Can’t Get No) Satisfaction“) wie auch für das eigene „Sitting By The Dock Of The Bay“, sah sich der Musiker gezwungen, den Auftritt wegen einer zeitlichen Beschränkung auf nur fünf Songs zu reduzieren. Sie finden sich auf der zweiten Seite eines Albums, das das – wenn auch geschnittene – Konzert der Experience präsentierte.

      Historic Performances Recorded At The Monterey International Pop Festival kam am 26. August 1970 auf den Markt, ein Zeitpunkt, zu dem niemand Hendrix’ Tod im folgenden Monat hätte vorhersagen können. Otis Redding war da schon bei einem Flugzeugabsturz am 10. Dezember 1967 ums Leben gekommen.

      „Up From The Skies“

      Man würde nicht unbedingt einen erdigen Sound erwarten (Hendrix an der Wah-Wah-Gitarre und Mitch Mitchell beim Spiel mit Drum-Besen) bei einem aus der Perspektive von Außerirdischen erzählten Stück. Doch jeder Hörer von Axis: Bold As Love erkannte 1967, das sich Hendrix, verglichen mit dem Debüt, für eine radikal andere Farbpalette entschieden hatte. Der erste Song des Albums – das Intro „EXP“ ist eigentlich ein klanglich modulierter Sprachteil mit einem Feedback-Coda – hat eine entspannte, Jazz-angehauchte Grundstimmung, die nicht dem brachialen Sound-Orkan von „Foxy Lady“ oder dem maskulinen Riff von „Purple Haze“ gleicht, mit denen die UK- und USA-Version von Are You Experienced eröffnet werden.

      Zwar war Hendrix kein Hippie, aber der Text impliziert dennoch eine flehentliche Bitte (im New-Age-Kontext), die Welt zu retten. Der außerirdische Erzähler ist ein wiedergekehrter Besucher, der vor der Eiszeit auf der Erde lebte und sich nun bestürzt zeigt von dem, was er wiederfindet. Er beobachtet Menschen, die „in großen und kalten Gefängnissen leben“ („living in cages tall and cold“) und nimmt „den Geruch einer verbrannten Welt“ wahr („the smell of a world that’s burned“). Sheila Whitley schrieb 1990 in Popular Music, dass die im Song erwähnten „sich nach oben bewegenden Figuren Flug und Desorientierung“ ausdrückten.

      Hendrix sah „Up From The Skies“ als einen Versuch, die Augen der Menschen für einen neuen Umgang mit der Erde und einen anderen Lebensstil zu öffnen. „Die Gebäude werden nicht lange an ihrem Platz stehen“, meinte er in Rock: A World As Bold As Love, „und warum sollte man so leben?“

      Die nur selten aufgeführte Nummer wurde am 26. Februar 1968 als