Название | Der Wünscheerfüller |
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Автор произведения | Achim Albrecht |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942672221 |
„Hau ab, du Penner“, sagte Bert und machte Anstalten, seine Rumpfbeugen wieder aufzunehmen. Ich habe keine Ahnung, was mit dem Mann los war. Müdigkeit, Gleichgültigkeit, übersteigertes Selbstbewusstsein? Ich hätte mir gewünscht, dass er die Atmosphäre latenter Bedrohung wahrgenommen und sich drehbuchgemäß verhalten hätte. Zumindest der Gebrauch seines Namens hätte ihn hellhörig machen müssen. Stattdessen senkte er die Taschenlampe, kurz bevor der Strahl die Flasche in meiner Hand erfasste, ab und schüttelte sich eine Kaskade von Wassertropfen aus den Haaren wie ein Hund. Er hatte mich nicht erkannt.
Es ist schwer die Gedanken eines Mannes zu erraten, dessen Gehirnströme kaum messbar sind, aber ich versuchte mein Bestes. „Nimm das“, brüllte ich mit meiner besten Wutstimme und riss den Wurfarm nach oben. Sicher, Sie mögen meinen, dass die Inszenierung ein wenig zu martialisch war, aber mir lag sehr daran, Bert zu beunruhigen, bevor ich ihn verstümmelte, und „Nimm das“ ist ein klassischer Text. Außerdem verzichtete ich auf den Zusatz „du Schurke“, um eine unzeitgemäße Melodramatik zu vermeiden. Bert schrak tatsächlich zusammen und machte instinktiv eine abwehrende Handbewegung. Wohl tausend Mal hatte ich mir vorgestellt, wie ich den Wurf aus der Schulter ansetzte und ihm die Flasche ins Gesicht schmetterte, nachdem ich den Verschluss gelockert hatte. Den Rest können Sie sich vorstellen.
Der Mensch denkt und Gott lenkt, pflegte meine alte Mathematiklehrerin zu sagen und so ist es auch. Ein tief hängender Ast neidete mir die flüssig vorgetragene Aktion und prellte mir die Flasche mit unnachgiebig passivem Widerstand aus der Hand.
Ich hörte das Klirren der Flasche, die am Stamm der Kastanie zerschellte. Der stechende Geruch der Säure verbreitete sich augenblicklich. Ich war viel zu sehr mit dem Schmerz in meinem Handgelenk und dem Astteil beschäftigt, das ich in meinem Übereifer vom Baum geholt hatte. Bert jedenfalls schien jetzt ernsthaft beunruhigt zu sein. Sein Kopf drehte sich mehrfach vom Baum zum Auto und er umkrampfte die Taschenlampe, als habe er einen Entschluss gefasst. Ich verfluchte meine Nachlässigkeit. Mit der Rohrzange in der Hand wäre mein Problem gelöst gewesen. So aber kuschelte das unnütze Ding zusammen mit dem Fahrrad im Buschwerk. Ich bückte mich und tastete nach dem Aststück. Was ich aus dem nassen Laub grub, war ein mächtiger Holzprügel, den meine Handschuhe kaum halten konnten. Bert hatte sich ohne ein Wort auf den Weg gemacht. Sein Sweatshirt glitzerte sich aus meiner Reichweite. Sein Träger keuchte in Richtung seines Wagens, der die Aufforderung des Schlüsselsignals mit einem lauten Fiepen und einem Feuerwerk grellen Lichts beantwortete.
Mein improvisierter Knüppel traf die Waden des Enteilenden mit einem satten Geräusch. Bert stürzte durch das Scheinwerferlicht. Er stöhnte. Der Wehlaut beflügelte mich und der nächste Hieb saß zwischen den Schulterblättern. Ich hatte ihn mit voller Wucht geführt, konnte aber mit dem Ergebnis nicht zufrieden sein. Noch agierte ich zu unkoordiniert und überhastet. In Ermangelung einer präzise ausleuchtenden Lichtquelle überschlug ich hastig, wo bei dem sich windenden Bündel der Kopf sitzen musste und unternahm einen weiteren Versuch. Korrekt ausgedrückt unternahm ich noch eine Reihe weiterer Versuche, die immer besser gelangen. Dies mochte daran gelegen haben, dass ich mich mit gesteigertem Selbstbewusstsein warm prügelte oder daran, dass ich in einen Prügelrausch verfiel oder daran, dass der Dialog mit dem Liegenden, der aus angestrengten Grunzlauten meinerseits und wimmernden Schmerzensbekundungen seinerseits bestand, sich nach einer Weile zu meinen Gunsten zu einem einseitigen Monolog entwickelte.
Mein Prügel war der Erste, der aufgab. Er brach an mehreren Stellen auseinander und verabschiedete sich in ein morsches Rentnerdasein. Mir fällt es schwer, mich mit den Ergebnissen von Gewalt auseinanderzusetzen, auch wenn sie von mir ausgeht. Meine Genstruktur hat mich mit einem schwachen Magen gestraft und so stellte ich aus einer gewissen Entfernung lediglich fest, dass ich den halben Oberkörper meines Sparringspartners in den aufgeweichten Boden gestampft hatte. Trotz seiner eigenwilligen Ruheposition wirkte er friedlich und ausgeglichen. Das war der Zustand, in dem ich ihn am liebsten sah. Mittlerweile schwitzte ich zur Abwechslung wieder. Ich würde eine dicke Erkältung bekommen. Das war wieder so eine Sache, mit der sich Bert in Zukunft nicht mehr auseinandersetzen musste.
Die ungewohnte Anstrengung hatte mich vollkommen erschöpft und ich dankte Gott auf den Knien, dass ich den Beruf eines feinsinnigen Privatiers gewählt hatte und nicht als Malocher im Straßenbau fast täglich solchen widrigen Verhältnissen ausgesetzt war. Die Wagenschlüssel blinkten mir entgegen und enthoben mich der Sorge, was ich mit dem stummen Bert anfangen sollte. Dummerweise hatte ich nicht wirklich einen Plan B. Ursprünglich wollte ich mich nach dem erfolgreichen Wurf der Säureflasche unerkannt aus dem Staub machen, ohne mich mit weiteren Szenarien zu belasten. Jetzt erschien mir diese Vorgehensweise zu wenig ausgereift. Ich öffnete den Kofferraum des Geländewagens, der überraschend aufgeräumt und neuwertig wirkte. Er enthielt im Wesentlichen eine angebrochene Dose Autolack, zwei dicht verschweißte Pakete Banknoten und diverse Kleinigkeiten.
Der Hilferuf war schwach wie der einer neugeborenen Katze. Er kam mit einer lang gezogenen, zitternden Betonung des „i“ und brach ansatzlos ab. Es war, als würde sich der Rufende aus einer tiefen Bewusstlosigkeit befreien. Einem Kind am Tisch hätte man verboten, mit vollem Mund derartige Geräusche zu machen. Ein Kauz fühlte sich angesprochen und antwortete. Er schien an Geschmacksverirrung zu leiden.
Ich löste mit einiger Anstrengung meinen Blick von den Geldbündeln und hastete zurück. Bert war ein zäher Vogel, das musste man ihm lassen. Ich glaube, in der Boxersprache nennt man das Nehmerqualitäten. Er hatte es geschafft, sich auf die Unterarme zu stemmen und miaute mit lose pendelndem Kopf den Boden an. Seine öligen schwarzen Locken schleiften über die Grasnarbe wie eine schlecht sitzende Perücke. Ich war ihm wirklich nicht böse. Er kostete mich zwar Zeit und Nerven, aber er hatte mir auch ein ansehnliches Erbe in seinem Kofferraum hinterlassen, wie es aussah. Wir waren also quasi quitt. Da durfte man wegen etwas Mehrarbeit nicht kleinlich sein.
Als ich nach einem geeigneten Ast zu stöbern begann und schon überlegte, ob ich nicht doch die Rohrzange holen sollte, fiel mir auf, dass ich die Dose Autolack mit mir trug. Improvisation ist eines meiner Talente und ein vehementer Tritt in die Rippen des Kauernden machte aus einem gezirpten „Hilfe“ ein gezischtes „Hiaah“, was weit weniger einfallslos wirkte und den Jogger in eine aufnahmefähige Rückenlage versetzte. Der Deckel der Dose löste sich beim ersten Ruck. Man mag mir verzeihen, aber ich machte mir nicht die Mühe, den Farbton und die Qualität des intensiv riechenden Gebräus zu prüfen. Mit der Linken drückte ich dem Schießbudenboxer die Kehle zu und beobachtete, wie sich seine Pupillen nach oben verdrehten. Sie waren das Einzige, was an ihm weiß und unversehrt geblieben war. Was aus seinem nach Luft schnappenden Mund troff, möchte ich Ihnen lieber ersparen. Schließlich sollen Sie nicht schlecht über mich denken. Außerdem war es egal, denn ich goss mit großer Sorgfalt einen Schwall Lack in seine Kehle und lockerte den Griff um den Hals. Er schluckte reflexartig. Ich sorgte für Nachschub, bevor er sich aufbäumen und geifern und all die anderen Dinge tun konnte, die dafür sorgten, dass ich doch Lack verschüttete und mein Anorak reif für den Müll war.
Im vermutete, dass der Lack die Farbe „charcoal“ hatte wie sein Geländewagen. Anscheinend kam er mit dem Farbton nicht zurecht, denn sein pfeifendes Atemholen verflachte zu einem Rasseln und nach einem letzten Gurgler als Abgesang gab er auf. Ich hatte durch technischen K.o. gewonnen. Nicht dass ich mich als Triumphator fühlte. Dazu war es zu nass, zu kalt und die Lackdämpfe hatten mir genauso wenig gut getan wie ihm. Was mich wärmte war der Gedanke an den unerwarteten Geldsegen und die Aussicht auf ein heißes Bad.
Sie können mir glauben, dass es noch ein gutes Stück Arbeit war, die gröbsten Spuren zu beseitigen und den unhandlichen Körper von Bert in den Kofferraum zu falten. Ich bepflasterte alle Körperöffnungen und das, was ich an Brennbarem finden konnte mit Grillanzündern, die sich für die nächste Sommerzeit in die Seitentaschen der Wagentüren verkrochen hatten und produzierte einen zaghaft züngelnden Schwelbrand, den ich päppelte und beaufsichtigte, bis ich glaubte, ihn alleine lassen zu können. Die Geldpäckchen hatte ich an mich genommen, weil ich nicht wollte, dass ihnen etwas passierte oder sie in schlechte Hände gerieten.
Später schrieben die Zeitungen, Bert sei bei lebendigem Leib in seinem