Название | Der Wünscheerfüller |
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Автор произведения | Achim Albrecht |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783942672221 |
Es musste jemand gezündelt haben.
V.
Natürlich hatte ich mit der Erkältung recht behalten und natürlich haben auch Sie recht, wenn sie meinen, die Aktion im Park sei unbeholfen und holprig verlaufen. Denken Sie daran, dass ich solch finales Handeln nicht gewohnt war und noch lernte. Für Mord gab es keinen Ausbildungsgang, der den Auszubildenden sanft an die Grundlagen heranführte, eine psychologische Absicherung für gesteigerte Kaltblütigkeit vermittelte und nach mehreren Versuchen mit einem gelungenen Gesellenstück in die gesicherte Selbstständigkeit entließ. Was glauben Sie, warum derartig viele Dilettanten herumlaufen, die geradezu danach schreien, erwischt zu werden. Sie sind auf sich gestellt und haben keine Lobby. Mörder sind klassische Autodidakten. Ich finde, dafür hatte ich meine Sache recht ordentlich gemacht.
Sicher, ich war auch vom Glück begünstigt. Zuallererst schreibe ich meinen Erfolg aber meiner Willensstärke zu. Determinismus war ein weiterer Begriff der mich prägen sollte und die Entschlossenheit, das zu tun, was getan werden musste, hielt mich auch in dieser Nacht schniefend und hustend aufrecht, als ich meine verdreckte Kleidung wusch und entsorgte und das Fahrrad an einer einsamen Straßenlaterne anlehnte, nachdem ich ihm eine ausgiebige Dusche mit dem Gartenschlauch gegönnt hatte.
Die weitaus größte Sorgfalt verwendete ich auf das Verstecken des Geldes. Hatte ich erwähnt, dass ich einige Scheine im brennenden Wagen zurückließ? Der im Kofferraum kauernde Bert mit dem lackverschmierten Kinn würde darauf aufpassen und die Hyänen von der Presse würden die Geschichte des Mannes verbreiten, der mit seinem Geld verbrannte. Ich machte mir keine Illusionen. Knappe zwei Millionen Euro in Fünfzigern würden vermisst werden. So schmerzlich vermisst, dass man Fragen stellte. Es war besser, den Fragestellern nicht zu begegnen. Meine Hoden gaben ein Lebenszeichen und schrumpften bei dem Gedanken an die vergangene Sonderbehandlung zusammen, bis sie die Größe von Minigebäckkugeln erreichten.
Meine Mutter nahm in jener Nacht nur am Rande Kenntnis von mir, weil sie sich im Rahmen eines lukrativen Vertragsverhältnisses mit zwei Geschäftsleuten abmühte, die eine ansehnliche Summe für eine Spezialbehandlung offerierten und diese, nach der Geräuschkulisse zu urteilen, auch bekamen. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich vermisst worden war. Einige Male betätigte ich die Toilettenspülung und rumorte in der Küche, um mich bemerkbar zu machen und konnte schließlich den Erfolg verbuchen, dass meine Mutter leise „Bert“ rief und ein „Nein, nur ich“ erntete, worauf sie sich umgehend ihren Klienten zuwandte, für die sie mit wallender roter Perücke und einem hautengen Latexgewand auftrat. Sie würde ohne Weiteres bestätigen, dass ich den ganzen Abend in meinem kleinen Zimmer am Ende des Korridors zugebracht hatte. Schließlich hatte mir Bert für die Zeit nach 20.00 Uhr ein Ausgehverbot verordnet, bis ich von meinen falschen Wegen abschwor und mit einem ordentlichen Job zum Familieneinkommen beitrug. Bert war der erste Mann, der Autorität über mich hatte. Und ich hörte auf ihn.
Es ist schwer, sich in Morpheus Armen zu wiegen, wenn man innerlich aufgewühlte ist und so dämmerte ich in der Bettwäsche meines Lieblingsfußballvereins dem Morgen entgegen. Die Kunden meiner Mutter waren dazu übergegangen, auf ihre halblauten Kommandos hin die Wohnung zu putzen. Solche Leute waren mir die liebsten Gäste. Sie putzten nicht aus Pflichtgefühl, sondern mit wahrer Hingabe. Eine verschmierte Zierleiste, verbunden mit einem verächtlichen Kommando einer rothaarigen Walküre mit Krampfadern, löste bei ihnen eine hartnäckige Erektion aus. Am Morgen würde die Wohnung blitzblank sein. Ich schniefte noch einmal und schlief beruhigt ein.
Sie können sich vorstellen, wie beunruhigt ich war, als ich gemeinsam mit meiner Mutter feststellen musste, dass Bert verschwunden war. Sicher, er unterhielt ein eigenes Domizil, das keiner von uns je betreten hatte. Aber das machte er nur, weil unsere Wohnung in erster Linie einen Arbeitsbereich darstellte, der dem Verdienst des Lebensunterhaltes gewidmet war. Die Zeitungen hatten mit den bizarren Todesumständen des Unbekannten im Stadtpark aufgemacht. In den Lokalnachrichten fand sich noch ein kleiner Artikel über einen mysteriösen Säureanschlag auf einen Kastanienbaum. Die Journalisten hatten beide Ereignisse in keinen Zusammenhang gebracht. Investigativen Journalismus hatte man auch schon besser erlebt.
Ich bemühte mich nach Kräften, die Zeitungen außerhalb der Reichweite meiner Mutter zu halten und ihr den Zugriff zu den tröstenden Flaschen zu erleichtern. In ihrem derangierten Zustand war sie ohnehin außerstande, sich auf die Wünsche ihrer Klientel zu konzentrieren. Und seien wir ehrlich, das Geld hatten wir nicht mehr wirklich nötig. Wir taten etwas, was uns in früheren Zeiten ausgezeichnet hatte. Wir rückten zusammen und verhalfen uns zu mitmenschlicher Wärme inmitten trüber Spekulationen.
Wenn Sie glauben, die Polizei habe uns mit einem Durchsuchungsbeschluss und ausgeklügelten Ermittlungsmethoden im Gepäck heimgesucht, liegen Sie falsch. Ein Blatt Recyclingpapier in einem offiziell aussehenden Briefumschlag lud meine Mutter vor. Die Frau war längst von ihrer eigenen Melodramatik geschluckt worden und trug die unförmige schwarze Trauerkleidung einer Verlassenen. Einzig die eleganten hochhackigen Schuhe verblieben als Reminiszenz an ihre ungebrochene Weiblichkeit. Beim Anblick der Vorladung brach sie erneut in Tränen aus und zerknüllte dekorativ ein besticktes Taschentuch. Ich musste ihr mit eindringlichen Worten klarmachen, dass sie nüchtern und konzentriert zu erscheinen und ihre Aussage zu machen hatte. Fest an mich geklammert fuhren wir die drei Haltestellen mit dem Bus. Das maskenhaft aufgespachtelte Make-up verschmierte meinen Jackenärmel. Ich sah großzügig darüber hinweg.
Die Einvernahme dauerte fast zwei Stunden und brachte mich an den Rand einer Cappuccino-Vergiftung. Als meine Mutter wieder erschien, war sie ein anderer Mensch. Traurig zwar, aber nicht mehr verzweifelt. Bert hatte sie nicht verlassen. Sie war nicht für irgendein Flittchen weggeworfen worden wie ein abgelegtes Kleidungsstück. Bert hatte sich für sein Fernbleiben das denkbar beste Alibi verschafft. Er war ermordet worden. Das Andenken an ihn würde in verklärte Höhen steigen. Ich war der Ausbund an Betroffenheit. Bert hatte mir schließlich den Weg zurück in die bürgerliche Existenz gewiesen, bevor ich ihm den Weg gewiesen hatte. Ich wusste, dass Gott seiner armen Seele nicht gnädig sein würde. Deshalb versuchte ich es gar nicht erst, diese fromme Floskel auf ihn zu verschwenden. Ich ließ meiner Mutter alle Zeit der Welt. Sollte sie doch durch die Trauer den Weg zurück ins Leben finden. Sie hatte erst am übernächsten Tag wieder einen Freier.
Können Sie sich einen Pragmatiker wie mich bei Früchtetee und Plätzchen vorstellen? Genauso sah unser vertrautes Familienidyll aus. Ich schwöre es. Meine Mutter warf eine ganze Menge durcheinander und ich musste mehr Geduld zeigen, als mir üblicherweise zur Verfügung steht. Die wesentlichen Eckpunkte ihrer verworrenen Schilderung der Vernehmung stimmten mich hoffnungsfroh. Mit ihrer authentischen Art hatte sie mir en passant ein felsenfestes Alibi gezimmert. Sie hatte Stein auf Bein geschworen, dass ich am fraglichen Abend schmollend in meinem Zimmer saß und überlagerte diese Schilderung mit der bereitwilligen Aussage eines ihrer Lieblingsmasochisten, der als putzwütiger Junggeselle nichts Ehrenrühriges darin sah, die Angaben seiner Herrin zu bestätigen.
Noch interessanter war die Information, dass Bert sich offenbar in Kreisen bewegt hatte, die die perfektesten fünfzig Euro Blüten hergestellt hatten, die je Bulgarien verließen. Die Observationen waren in vollem Gange gewesen und das tragische Ende des vielseitig begabten Fitnesstrainers schien einige Anstrengungen der Ermittler zunichtegemacht zu haben. Meine Mutter hatte keinen Kopf für derart überflüssigen Kram. Sie gelobte rasch und glaubwürdig, nie etwas von Falschgeld gehört oder gesehen zu haben. Mir ging es da anders. Ich hatte eine gewisse Ahnung, wo die heiße Ware geblieben sein könnte und beglückwünschte mich zu der Geistesgegenwart, einige Scheine im Auto zurückgelassen zu haben. Man könne ziemlich sicher sein, dass das Geld zusammen mit Bert verbrannt sei, erklärte der Beamte meiner Mutter. Die Blüten seien so gut, dass sie nur von Experten von echtem Geld zu unterscheiden wären. Jetzt fange man noch einmal von vorne an.
Meine Mutter erzählte die Episode nicht etwa als zusammenhängenden Gedankengang am Stück, sondern