Sklavenjäger. Boris Cellar

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Название Sklavenjäger
Автор произведения Boris Cellar
Жанр Языкознание
Серия
Издательство Языкознание
Год выпуска 0
isbn 9783944145563



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ich in einer Burg im östlichen Belgien einen Folterkeller erkundete. In die Umfriedung der Burg war ich unerlaubt eingedrungen. In das Gebäude mit dem Keller selbst war ich mit einem Dietrich eingebrochen. Das war nicht rechtmäßig, okay – das mußte ich anstandslos zugeben.

      Beim Erkunden der Gerätschaften wurde ich außer Gefecht gesetzt, vermutlich mit einem Elektroschocker. Da war ich mir aber nicht sicher. Sollte das die Strafe für das Betreten des Anwesens ohne Wissen des Burgherrn sein? War das nicht ein wenig unverhältnismäßig für einen einfachen Hausfriedensbruch?

      Nach meiner Ohnmacht erwachte ich in einer circa vier Meter langen und zweieinhalb Meter breiten Zelle mit Wänden aus Stein und Plexiglas sowie einer Gitterfront aus Metall. In der Zelle gab es ein Abwasserloch, zwei Metallkuppeln im Boden und einen Steinblock, der mir als Schlafstatt dienen sollte. Irgendwelche Metallplatten waren neben dem Bett angebracht, deren Zweck ich nicht verstand.

      Gab es noch etwas Wichtiges? Ach ja, ich war professionell für eine Langzeitinhaftierung in Eisen geschlagen und mit einer schweren Kette quasi an die Wand geschmiedet. Richtig! Ich steckte ganz schön in der Klemme.

      Geknickt lehnte den Rücken gegen die Plexiglasscheibe und ließ die gezogene Bilanz auf mich wirken. Leise wimmerte ich in die Dunkelheit.

      3

      Alle Muskeln waren immer noch – oder besser schon wieder – hart wie Stein, als ich die Augen vorsichtig öffnete. Ich mußte wohl auf dem unbequemen Steinblock eingeschlafen sein. Noch immer saß ich im Dunkeln; noch immer war ich in dem schweigenden Verlies gefangen. Ganz langsam richtete ich mich auf, meinem protestierenden Körper die Bewegung abtrotzend. Rücken und Schultern schmerzten, die verspannten Muskeln waren zu Knoten verklumpt. In halbsitzender Position drückte ich mich in die unbequeme Ecke zwischen rauher Steinwand und glattem Plexiglas. Langsam nahm das Gehirn seine Arbeit auf. Computer hochfahren, Analyseprogramm starten …

      Noch immer war ich alleine. Noch immer war ich mit Eisenbändern und Verbindungsketten gefesselt, und noch immer trug ich nichts weiter als ein kratziges, knielanges Stoffkleid am Leib. Der Schlaf steckte mir ziemlich in den Knochen. Das Liegen auf dem harten Stein hatte mich ganz schön mitgenommen. Die Gelenke knirschten, als ich mich gähnend streckte. Es war kein guter Morgen.

      Wehmütig erinnerte ich mich an den süßen Duft der Freiheit. Zu gerne läge ich jetzt in dem weichen Bett meiner Studentenbude oder zumindest in der gemütlichen Schlafstatt in der Pension, die ich vor ein paar Tagen ganz in der Nähe dieser unheilbringenden Burg bezogen hatte. Am liebsten hätte ich mich in ein Kissen gekuschelt und eine flauschige Decke über den Kopf gezogen, um mich dann, befreit von diesem Albtraum, aus dem Bett zu schälen. Zu gerne hätte ich jetzt diesen Hasen mit dem lustigen Gesicht und den kleinen Ohren geknuddelt, den ich von meiner lieben Zimmerkollegin Theresa für diese Reise geschenkt bekommen hatte.

      »Ist für dich!« hatte sie gesagt und ihn mir freudestrahlend überreicht, während sie sich mit der anderen Hand gedankenverloren eine brünette Strähne aus dem Gesicht strich. »Einfach so! Weil du so eine liebe Freundin bist und dir der Film gefallen hat. Denk an mich auf deiner Studienfahrt!«

      Ich mochte sie. Sie war eine wahre Freundin. Mit ihr konnte ich über alles sprechen – egal, was es war. So oft hatten wir schon über Jungs gelästert, die uns verletzt hatten, oder waren bei einem Glas Rotwein über unsere Dozenten hergezogen. Mit ihr zu plaudern und lachend von meinen Abenteuern in den Ardennen zu berichten wäre schön … Stattdessen saß ich hier in einer Zelle und starrte in die Dunkelheit.

      Meine Blase erinnerte mich, daß ich auf Toilette mußte. Dringend! Ein morgendliches Ritual. Der Körper hatte sich daran gewöhnt. Immer und immer wieder praktiziert – jetzt mit einer gewissen Vehemenz eingefordert. Die Zunge fühlte an den Zähnen pelzigen Belag – na super! Wie sollte ich hier Zähne putzen? Ich benetzte die Lippen. Sie waren trocken und spröde. Der Lippenstift schmeckte verbraucht. Der Magen knurrte; und Durst hatte ich auch.

      Es war kein guter Morgen. Nein! Das Aufwachen war überhaupt nicht gut gewesen. Es erinnerte mich unbarmherzig daran, daß ich eine Gefangene war. Eine Gefangene, deren Situation sich nicht verbesserte, sondern vielmehr mit jeder verstrichenen Sekunde immer weiter verschlechterte.

      Was sollte das alles hier? War das ein schlechter Scherz? Das war nicht lustig, machte mir überhaupt keinen Spaß! Ich wurde dieser Situation langsam, aber sicher überdrüssig. Was sollte noch alles kommen? Was hatte man mit mir vor? Es wurde Zeit, daß meine Entführer – oder was immer sie waren – kamen und mich endlich versorgten. Ich hatte doch ein Recht darauf.

      Nicht in Panik verfallen, Carola. Du hast zwar keine Ahnung, wie lange du hierbleiben mußt, aber ewig kann man dich nicht festhalten. Bestimmt wird schon nach dir gesucht. Bald kommt jemand und holt dich raus. Die belgische Polizei ist sicher recht fix. Dann läßt sich das ganze Mißverständnis klären, und du kommst wieder frei. So schlimm war ja eine Nacht in Ketten auch wieder nicht. Unangenehm, ja; aber nicht wirklich schlimm, versuchte ich mir einzureden. Ich war hier schließlich eingebrochen und hatte eine Nacht in der dunklen Zelle verdient. Jetzt hatte ich meine Lektion gelernt. Man muß doch nur miteinander reden, dann kann man sich doch einigen.

      »Hallo?« fragte ich vorsichtig in das leere Nichts. Warten … Natürlich kam keine Antwort. War da niemand? Hörte mich überhaupt jemand? Hatte man mich vergessen? Sollte ich in der Zelle verrotten?

      »Ist da jemand?« versuchte ich es erneut. »Hört mich jemand? Bitte antwortet mir! Es tut mir leid, daß ich hier eingedrungen bin. Bitte laßt mich gehen!«

      Meine nackten Füße trugen mich die wenigen Schritte vor zu den Gittern. Ich schlug die Ketten zwischen den Handgelenken gegen die Metallstäbe. Es nervte, daß sich nichts tat. Wofür hielten die sich überhaupt? Eine Frau gefesselt im Dunkeln schmoren zu lassen …!

      Meine Wachen oder Aufpasser oder was auch immer würde ich mit dem Geklapper so lange nerven, bis sie endlich zu mir kämen. Dann würde ich gegen die Behandlung protestieren und ihnen meine Sicht der Dinge darlegen. Aber hallo! Denen würde ich die Meinung geigen! Isolationshaft in Dunkelheit verstößt gegen das Völkerrecht. Amnesty International wird euch Loosern den Arsch aufreißen! Wir werden schon sehen, wer als erstes nachgibt! Ich habe Ausdauer. Ich habe Kondition. Ich war motiviert. Schließlich wollte ich aus diesem Loch herauskommen.

      Doch sie hatten den längeren Atem. Ich gab zuerst nach. Das Klingen von Metall auf Metall verhallte ungehört. Es blieb dunkel. Niemand zeigte sich. Frustriert schlurfte ich zum Steinblock zurück, ließ mich darauf nieder und preßte den Rücken gegen die Steinwand. Niedergeschlagen starrte ich in die Dunkelheit.

      Alles war so sinnlos! Doch die Hoffnung stirbt zuletzt, sagt man. Irgend jemand würde mich vermissen. Bald würde man nach mir suchen. Meine Freunde wußten, wo ich mich aufhielt. Mit vielen hatte ich über mein Ziel in Belgien gesprochen. Wenn ich im Netz nicht mehr präsent war, keine Mails mehr schrieb und auch sonst nicht mehr erreichbar war, würde das auffallen. Dann würden Hundertschaften der Polizei nach mir suchen, und ich würde gefunden werden. Und dann würde der Spuk vorbei sein. Oh ja! Ich zog eine Grimasse und versuchte der schwindenden Entschlußkraft entgegenzuwirken. Was redete ich mir bloß ein! Das war doch alles eine reine Energieverschwendung!

      Bis mich irgendwann einmal jemand fände, würde bestimmt noch einiges an Zeit verstreichen. Schließlich war ich ja aus der Pension mit Zelt und Schlafsack aufgebrochen, um ein paar Tage um die Burg zu streifen. Mit einem Linienbus war ich direkt vor der Unterkunft losgefahren. Das Personal wußte Bescheid. Immerhin hatten sie mir ein großes Lunchpaket mit auf den Weg gegeben, das noch in meinem Rucksack verstaut lag.

      Noch vermißte mich niemand. Bis es soweit sein würde, mußte ich wohl in dem dunklen Verlies verweilen. Was konnte ich hier unten tun? Ich beantwortete mir die Frage selbst: nichts! Es war langweilig. Ziemlich langweilig sogar! Meine Zehen durchfurchten den staubigen Boden und malten ein chaotisches Linienmuster auf den Grund, welches meine Gefühlswelt perfekt widerspiegelte.

      Die Kette zwischen den Füßen strich über den Boden und erzeugte schleifende Geräusche. Finger trommelten einen stereotypen Takt auf dem toten Steinblock. Der Rhythmus war monoton, gleichmäßig und unveränderlich. Langeweile!