Название | Sklavenjäger |
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Автор произведения | Boris Cellar |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944145563 |
Beim Aufrichten und Drehen des Kopfes spürte ich wieder dieses feste Etwas um meinen Hals. Tastende Fingerkuppen bestätigten, daß etwas – ähnlich den Metallbändern um die Handgelenke – darumgelegt war. Jedoch war dieses Etwas wesentlich dicker, breiter und schwerer, hatte jedoch ebenfalls je eine Ausbuchtung an der Vorder- und Rückseite. Auch hier schützte ein Lederband meine Haut davor, aufgescheuert zu werden. Um die Knöchel trug ich ebenfalls zwei gleichartige Bänder mit einer Verbindungskette dazwischen.
Was war noch alles mit mir geschehen, während ich bewußtlos war, fragte ich mich ängstlich und spürte, wie die Gedanken Kapriolen schlugen, sich in blühender Phantasie wilde Dinge ausmalten. Hektisch griff ich an meine Kleidung. Statt des weichen Wanderhemds und der kurzen Hose fühlte ich rauhen Stoff – ähnlich grobgewebtem Leinen. Die Beine waren unbekleidet. Meine Unterwäsche war ausgezogen worden. Ich fühlte mich verletzlich.
Der BH war weg! Uhr und Schmuck fehlten. Sogar die Ringe an Fingern, Zehen und Ohren waren abgezogen. Sicher war der Rucksack ebenfalls verschwunden. Ich war hier ohne Taschenlampe und Handy, nackt und gefesselt, nur mit einem kratzenden, oberschenkellangen Kleid am Leib. Das war zu viel.
Der Puls beschleunigte sich rapide in ein dumpf pochendes Inferno, bis mir schließlich schwindelig wurde. Alles drehte sich. Der Druck im Kopf wuchs. Ein stechender Schmerz breitete sich in der Brust aus. Panik und Hilflosigkeit gewannen in meiner Gefühlswelt die Oberhand. Ich war, verdammt noch mal, gefangen. Kämpfen oder Weglaufen, die natürlichen menschlichen Reaktionen auf eine Gefahr, waren mir verwehrt. Drüsen schütteten Unmengen von Streßhormonen aus. Das vernünftige Denken hörte auf. Instinktives Handeln übernahm die Kontrolle. Doch der Instinkt ist nicht abhängig vom Intellekt und neigt zu spontanem und vor allem unüberlegtem Handeln.
»Hilfe!« schrie ich voller Verzweiflung. Tränen füllten meine Augen. »Hilfe! Hilfe! Hilfe!«
Immer wieder brüllte ich das eine Wort heraus, bis ich heiser wurde. Es war kein Rettungsanker, den ich auswarf, um mich aus der mißlichen Lage zu befreien. Trotzdem versuchte ich es verzweifelt immer und immer wieder. Irgend jemand mußte mich doch hören und mir endlich einmal antworten. Schreien war das einzige, was ich tun konnte. So schrie ich, als ob es um mein Leben ginge. Die letzten Töne verließen als trauriges, leises Krächzen die aufgerauhte Kehle.
Schluchzend vergrub ich den Kopf in den Händen. Verzweiflung vergiftete meine Gedanken und ließ nicht zu, daß ich mich beruhigen konnte. Zitternd saß ich auf dem Steinblock. Bitterlich weinend.
Vorsichtig, um mich mit der schweren Kette nicht zu verletzen, ließ ich die Beine auf den Boden sinken. Unter den nackten Fußsohlen spürte ich Staub und kleine spitze Steinchen, die mir unentwegt in die empfindliche Haut pieksten. Ich war keine Barfußläuferin, hatte dort unten keine Hornhaut, die mich vor den unangenehmen Reizungen schützen konnte.
Ich fühlte mich wie nach einem Schock, bei dem die Empfindungen vom Körper gelöst waren. Alles lief vor mir ab wie in einem Traum. Das Geschehen nahm ich wahr und versuchte vergeblich, das Aufgenommene zu verarbeiten. Es war, als ob ich neben mir stünde. Mein Gehirn weigerte sich einfach, die Gegebenheiten als Realität zu akzeptieren.
Mit dieser Situation konnte ich nicht umgehen. Alles, was ich hier erlebte, alles, was an Emotionen auf mich einprasselte, war unwirklich und fremd. Der analytische Verstand, den ich schon immer als meine große Stärke betrachtet hatte, war einfach ausgeschaltet. Ich konnte nicht erfassen, was das Ganze bedeuten sollte. Es machte mich unsicher und verletzlich. Ich haßte Unsicherheit. Kontrolle war wichtig. Losgelöst im luftleeren Raum zu schweben, das war keine Handlungsoption. Doch was sollte ich tun? Mir war die Kontrolle entzogen worden. Gefangen und alleine saß ich irgendwo im Dunkeln. Niemand beantwortete meine Rufe. Verzweiflung bestimmte meine kleine Welt.
Moment! Ich war ein junges, selbstbewußtes Mädchen im Alter von 22 Jahren. Ich hielt mich bislang für intelligent, scharfsinnig und mutig. In meinem Leben konnte mich bisher nichts erschüttern. Meinen Weg ging ich immer geradlinig ohne fremde Hilfe. Das Abitur hatte ich mit einer ordentlichen Note geschafft, ohne mich groß anzustrengen zu müssen. Das Studium lief hervorragend. Meine Organisationsfähigkeit war herausragend. Ich hatte wunderbare Freunde und eine Zimmergenossin, die stets für mich da war. Obwohl sich meine Eltern scheiden ließen, konnte ich zu beiden ein tolles Verhältnis halten. Die Studienreise nach Belgien hatte ich ganz alleine geplant, mich darauf vorbereitet, sie organisiert und schließlich durchgeführt. Nicht einmal dieses abstruse Thema meiner Arbeit für die Uni hatte mich erschüttern können.
Ich war kein ängstliches und leicht zu verunsicherndes kleines Mädchen. Im Gegenteil! Ich war eine Macherin! Also, Carola, dann beruhige dich wieder! Reiß dich zusammen! Hör auf zu flennen und finde eine Lösung für deine Situation! Das schaffst du, so wie du schon so vieles in deinem Leben gemeistert hast!
Selbstmotivation war etwas Tolles, wenn sie funktionierte. Tatsächlich wirkte es. Ich wischte mir mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht und ignorierte dabei das rasselnde Kettenband. Mit klopfendem Herzen beruhigte ich mich langsam.
Für eine gute Analyse waren zuverlässige Daten notwendig. Diese mußte ich mir jetzt zusammensuchen. Dann konnte es mir sicher auch gelingen, eine Lösung für das Dilemma zu finden, in dem ich mich befand. Ich war eine Wissenschaftlerin! Ich hatte gelernt, analytisch zu denken und Probleme zu lösen. Das mußte ich doch für mich nutzen können!
Ich begann die Beurteilung der Lage mit meiner Kleidung. Man hatte mir also einen unbequemen Leinensack angelegt, als ich ohne Bewußtsein war. Die Stoffe an der Körpervorderseite und am Rücken waren mit Klettbändern verbunden. Die Oberbekleidung konnte also trotz Fesselung ohne größere Schwierigkeiten angezogen oder abgelegt werden. Es war ein Hinweis, daß mein Aufenthalt und die Fesselung wohl für einen längeren Zeitraum geplant waren. Nicht gut! Wo waren meine Kleidung, der Schmuck und der Rucksack? Ich konnte sie nicht sehen. In meiner unmittelbaren Umgebung standen sie nicht, sonst hätte ich sie bestimmt schon bemerkt.
Der Raum, in dem ich mich befand, war nicht besonders kühl. Trotz der spärlichen Bekleidung fror ich nicht. Zwar zitterte ich am ganzen Körper; das war aber aus Frust und Wut, nicht vor Kälte. Der Boden selbst war etwas kälter als die Umgebungsluft. Es war aber nicht unangenehm. An den Sohlen pieksten ein paar kleine Steinchen. Immerhin war der Boden trocken und nicht feucht. Es roch weder schimmelig noch modrig. So schlimm war dieser erzwungene Aufenthaltsort doch gar nicht, sprach ich mir Mut zu, den ablenkenden Mut der Verzweifelten. Alles in allem hätte es wesentlich schlimmer kommen können.
Noch schlimmer? fragte die sarkastische Stimme in meinem Kopf. Carola, vielleicht wartet irgendwo da draußen der Tod auf dich. Was soll da noch schlimmer sein?
An Händen und Füßen war ich gefesselt. Um den Hals lag ein Eisenring. Meine Haut wurde von gummiertem Leder vor Verletzungen durch das starre Material geschützt. Ein weiteres Indiz für eine längere Zeit, die ich hier verbringen sollte. Was oder wo auch immer dieses »Hier« auch sein mochte. Man wollte mich also nicht unnötig quälen oder verletzen, was grundsätzlich schon einmal recht beruhigend war. Was für ein schwachsinniger Gedanke, so etwas als beruhigend zu empfinden!
Es fiel mir unglaublich schwer, die Situation objektiv einzuschätzen. Ich hatte eine Riesendummheit begannen, den Folterkeller auf eigene Faust aufzusuchen. Jetzt war ich ein Kettensträfling oder so etwas in der Art. Im Internet gab es ja die schlimmsten Geschichten über Menschen, die auf eine solche Art gefangengehalten wurden. Was würde mich noch alles erwarten? Was würde noch alles geschehen? Todesangst, Carola? fragte wieder diese hinterhältige Stimme in meinem Inneren.
Trotz der Ketten, die meine Gelenke banden, konnte ich mich einigermaßen frei bewegen. Ich probierte ein wenig und testete meine Grenzen aus. Die Hände konnten sich hinter dem Rücken berühren, wenn ich den Bauch nicht nach vorne streckte, sondern etwas einzog. Zum Glück war er ziemlich flach, worauf ich schon immer recht stolz war.