Название | Sklavenjäger |
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Автор произведения | Boris Cellar |
Жанр | Языкознание |
Серия | |
Издательство | Языкознание |
Год выпуска | 0 |
isbn | 9783944145563 |
Mit bebender Brust überwand ich meine Gefühle und betrat die große Kammer. Mein Respekt vor den Ausstellungsstücken wuchs mit jeder Sekunde direkt proportional zu dem Gefühl, nicht hierherzugehören. Ich faßte den Entschluß, mir die Gerätschaften schnell anzuschauen, ein paar Stichpunkte in mein Notizheft zu schreiben, ein paar Dutzend Fotos mit dem Handy zu schießen und dann dem Schrecken eilig wieder zu entkommen.
Mit jeder Sekunde, die ich in dem Raum verbrachte, wurde es mir immer mulmiger zumute, und ein gewisser Abscheu fraß sich in meine Eingeweide. Die ursprüngliche Begeisterung war verflogen und Ernüchterung gewichen. Bloß an keinem dieser scheußlichen Gerätschaften hängenbleiben oder irgendwo stolpern und dagegen stoßen. Denn trotz ihres Alters sahen sie noch immer sehr gefährlich aus. Keine Kante, kein Holzspreißel sollte meine zarte Haut verletzen.
Der Lichtkegel streifte über die Details der Folterinstrumente. Der Anblick war entsetzlich und doch faszinierend zugleich. Ich verspürte eine dunkle Anziehungskraft von dem unheimlichen Material ausstrahlen. Die Atmosphäre in dem Raum hatte etwas Gespenstisches. Außerhalb der Grenzen des Lichtscheins schienen mahnende Geister zu lauern, die aus der Dunkelheit heraus meine Erkundung beobachteten und mich drängten, den staubigen Keller so schnell als möglich zu verlassen. Sie bewegten sich gerade so außerhalb meiner Wahrnehmung. Immer wenn ich meinte, sie gleich erspähen zu können, waren sie verschwunden. Dennoch konnte ich ihre Gegenwart deutlich spüren.
Vor mir stand in seiner grausamen Prächtigkeit eine stabile Streckbank aus dunklen, fleckigen Holzsparren. An Kopf- und Fußende waren dicke Taue befestigt, um die Gliedmaßen der Gefangenen damit festzubinden. Ein Holzrad mit bauchigen Griffen konnte zum Spannen der Seile benutzt werden. Meine Hand glitt gedankenverloren über das rauhe Holz und hinterließ eine tiefe Furche in dem darauf liegenden toten Staub.
Uralte Erinnerungen übertrugen sich durch die Berührung. Im Geiste sah ich schreiende Menschen, die sich vor Schmerz auf dem Gerät wanden. Verdrehte Glieder, geborstene Knochen, zerrissene Muskeln, gemartertes Fleisch, rostbraune Blutlachen. Panik, Angst, Schweiß, Exkremente und Wut. Schicksalhafte Emotionen. Die Eingebung durchzuckte mich wie ein elektrischer Schlag. Schnell löste ich die Verbindung und kehrte unvermittelt in die Gegenwart zurück. Was für ein Horrortrip!
Vorsichtig streckte ich meinen Arm aus, um die Bank erneut anzufassen. Das Holz hatte sich nicht verändert. Doch der Hauch der Erinnerung umwehte das Gerät nicht länger, und nichts geschah. Die Bilder waren reine Phantasie, genährt durch meine Angst und dem Respekt vor den Geräten, redete ich mir ein. Das mußte doch so sein. Eine andere Erklärung gab es aus wissenschaftlicher Sicht gesehen einfach nicht.
Erleichtert ließ ich meine Fingerspitzen die Strukturen der Bretter nachzeichnen. Ich befand mich hier in absoluter Sicherheit. Nichts konnte mir passieren. Ich war ja alleine hier unten.
Schließlich erreichte ich den glatten, leicht speckigen Griff des Drehrades. Meine Hand umschloß ihn zunächst lose und krampfte sich dann spontan zu einer Faust zusammen. Die Knöchel wurden ganz weiß vor Anstrengung. Was war nur mit mir los? Warum fesselte mich die Streckbank derart? War es meine Bestimmung, hier zu sein? Gehörte ich hierher? War ich etwa schon einmal hier gewesen? In einem früheren Leben?
Ich mußte mich losreißen, um die Verbindung zu dem Foltergerät zu trennen. Seine physische Präsenz in meinem Geist war geradezu überwältigend. Das hatte ich so nicht erwartet. Die ganzen Bilder im Internet waren doch so klinisch rein und klar gewesen. Man konnte darauf nicht erfassen, welche Dramen sich tatsächlich abgespielt hatten und wie sie in der Realität auf die Betrachter wirkten. Man konnte das ganze Ausmaß ja nicht einmal erahnen.
Jetzt, da ich mitten unter ihnen stand, war alles ganz anders. Ich konnte fühlen, was hier unten geschehen war. Das war keine Ausgeburt einer erotischen Phantasie, wenn man hier gefoltert wurde. Es war bittere, grausame Realität. Da gab es kein zensiertes, für das Strafgesetzbuch weichgespültes Kuschelkopfkino. Hier unten lag die blutige, bittere, harte Wahrheit. Es gab Gründe, warum im Grundgesetz die Würde des Menschen unantastbar und in Deutschland Folter verboten war. Orte wie dieser waren einer!
Um mich herum harrten noch weitere Geräte, erstarrt wie in einem albtraumhaften Winterschlaf, auf ihren neuerlichen Gebrauch. Ich sah eine Halsgeige, Schlaginstrumente der verschiedensten Art, einen Pranger, Zangen, Spieße mit gemeinen Spitzen und als Krönung eine Eiserne Jungfrau. Sogar ein Bestrafungsstuhl mit angerauhten Pyramiden auf Sitzfläche und Armlehnen wartete in einer Ecke auf ihren Gebrauch. Es wirkte, als ob sich die Kammer nur ausruhte und darauf vorbereitete, im Namen eines grausamen Tyrannen wieder ihrer alten Bestimmung zugeführt zu werden.
Während ich mich umsah, über die Materialien der Instrumente strich und alle Eindrücke in mich aufnahm, sinnierte ich über das Thema meiner Arbeit. War das wirklich so geschickt gewählt? Was passierte, wenn es in die falschen Hände geriet? Machte ich mich zum Mitwisser? Zum Spielball undemokratischer Mächte? Half ich zu verstehen, warum es das Böse in der Welt gab und wie es entstand? Oder war ich bereits ein Teil davon und spielte ihm als willige Handlangerin in die Hände? Der Raum gab ein Zeugnis dafür ab, was passierte, wenn solche Menschen nach Gutdünken handeln konnten.
Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich mein Handeln moralisch noch länger vertreten wollte. Andererseits hatte ich einen Auftrag, den ich erledigen mußte. Mein Studium hing an dieser Ausarbeitung. Das wollte ich bestmöglich beenden. Wer weiß, welcher Arbeit ich danach nachgehen würde. Dann könnte ich immer noch für Rechtschaffenheit und Menschlichkeit einstehen. Vielleicht machte ich mir aber auch nur unnütz Gedanken, und alles war in bester Ordnung. Wer weiß das schon …
Wenn ich über meine Recherchen im Internet nachdachte, kam mir ein sonderbarer Gedanke. Irgendwie konnte ich mir keine Vorstellung davon machen, wie hier die Führungen abliefen. Wäre es ein sachlich, kühler Vortrag, der den Aufbau, die Anwendungsweise und die schrecklichen Folgen der Instrumente darstellen würde? Gäbe es einen Freiwilligen, an dem die Folterungen möglichst real demonstriert wurden? Oder vielleicht sogar einen Unfreiwilligen? überlegte ich schaudernd. Was mußten das für Ängste sein, irgendwo eingesperrt zu sein und darauf zu warten, Tag für Tag vor Zuschauern gequält zu werden? Ich konnte und wollte es mir einfach nicht vorstellen. Oder ging alles am Ende in eine erotische, fetischartige Richtung? Wird vor einem begeisterten Publikum eine hübsche, aber naive Blondine an den Pranger gestellt und ihr dann mit dem Rohrstock unter wohligem Stöhnen der Hintern versohlt wie in den Internetgeschichten, die ich gelesen hatte?
Bei dieser Vorstellung mußte ich zum ersten Mal hier unten richtig lächeln. Raus aus dem Kopf! Ich war hier, um für meine Arbeit zu recherchieren, und nicht, um erotischen Phantasien nachzugehen. Heute nacht konnte ich im Bettchen noch lang genug von solch frivolen Bestrafungen träumen. Vielleicht stellte ich mir einen netten Adonis vor, der sich vor mir hilflos auf der Streckbank wand, während ich meine langen, roten Haare über seine muskulöse Brust gleiten ließ.
Schließlich kam ich bei der Königin der Folterinstrumente an, der eisernen Jungfrau. Der metallene Sarkophag fesselte meine ungeteilte Aufmerksamkeit. Die aufgeklappten Schalen zogen mich magisch an. Ich konnte nichts dazu, doch meine Phantasien schlugen erneut Kapriolen. In bunten Farben malte ich mir aus, wie darin eine blutjunge Hexe mit schweren Lederriemen bewegungslos fixiert wurde. Wie mußte sie schreien und sich winden, als ihr bewußt wurde, daß sie in dem Käfig zu Tode kommen würde! Denn auf dem Deckel ihrer letzte Ruhestatt warteten lange spitze Dornen, ihre Opfer an den empfindlichsten Stellen zu durchbohren. Starb sie gleich oder penetrierten die Dornen langsam und schmerzhaft das gefesselte Fleisch, bis es sich das letzte Mal qualvoll verkrampfte? Wie hart mußten diese Momente sein, wenn sich das Gefängnis im finalen Akt des Leidensweges schloß! Man steht im Sarkophag, schmerzhaft gepikt, ohne Chance auf Entkommen, und wartet darauf zu verbluten …